Energiemangel macht erfinderisch

KI-Rechenzentren: Ab ins Meer und ins All

1. Dezember 2025, 8:32 Uhr | Heinz Arnold
Das erste Unterwasser-Datenzentrum wurde in China vor der Küste von Shanghai aufgebaut. Es wird zu über 95 Prozent aus Strom versorgt, der aus erneuerbaren Quellen, vor allem Wind, generiert wird. 
© Xinhua/kankanews.com

Weil Ozeane und Weltraum natürliche Kühlung, Zugang zu erneuerbaren Energien und höhere betriebliche Flexibilität böten, seien sie laut GlobalData gut geeignet, um dort künftig energiehungrige KI-Rechenzentren anzusiedeln.

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Angesichts des rasant wachsenden Energiebedarfs von KI- und Cloud-Anwendungen rücken exotische Standorte für Rechenzentren zunehmend in den Fokus: die Ozeane und der Weltraum. Sie könnten künftig eine zentrale Rolle dabei spielen, die drohende Energieknappheit für die Versorgung der Rechenzentren zu umgehen, deren KI-Workloads schnell wachsen und die den Energiebedarf in astronomische Höhen treiben. 

In der Analyse »Deep Dive into Data Centers' Next Frontier: Oceans and Space« beschreibt GlobalData die Chancen maritimer und orbitaler Infrastrukturen. »Schwimmende und Unterwasser-Rechenzentren sind skalierbar und effizient, weil sie Meerwasser zur Kühlung nutzen und auf erneuerbare Energien in Küstennähe zurückgreifen«, sagt Martina Raveni, Strategic Intelligence Analyst von GlobalData. Solche modularen Anlagen reduzierten zudem Abhängigkeiten auf dem Festland – etwa die begrenzte Verfügbarkeit von Kühlwasser – und senkten klimabedingte Risiken.

Pilotprojekte laufen bereits

Bereits heute laufen weltweit Pilotprojekte, die nach ihren Worten die technische Machbarkeit belegten. In Nordamerika, Europa und Asien wurden Unterwasser-Datenzentren (UDCs) im Megawattbereich getestet, die dank hoher Rack-Dichte und robuster Bauweise auch für den Langzeitbetrieb geeignet seien.

30 bis 40 Prozent weniger Energieaufnahme

Ein Meilenstein wurde im Juni 2025 in China erreicht: Die chinesische HiCloud hat vor der Küste Shanghais ein erstes kommerzielles Unterwasser-Rechenzentrum (UDC) in Betrieb genommen. Es wird zu 97 Prozent mit Energie aus Offshore-Windparks versorgt und nutzt Meerwasser für die Kühlung. Das Projekt soll in zwei Phasen auf 24 MW ausgebaut werden, bei einer geplanten Energieeffizienz (Power Usage Effectiveness, kurz PUE) von unter 1,15 – ein Wert, der klar unter vielen herkömmlichen Rechenzentren Land liegt. Der Energiebedarf allein für die Kühlung herkömmlicher Datenzentren erreicht heute 40 bis 50 Prozent des Gesamtenergiebedarfs. Durch die Kühlung mit Meerwasser verringert er sich auf 10 Prozent. Insgesamt würden UDCs also zwischen 30 und 40 Prozent weniger Energie benötigen, als Datenzentren auf dem Land.

Rechenzentren im Orbit und auf dem Mond

»Weltraumgestützte Rechenzentren gehen noch einen Schritt weiter und nutzen sowohl die extreme Kälte als auch die unbegrenzte Sonnenenergie für den Betrieb der Hochleistungsrechner«, erklärt Raveni. Sinkende Startkosten und wiederverwendbare Raketen, Fortschritte bei der In-Orbit-Vernetzung und die Möglichkeit, optimale Umlaufbahnen zu wählen, könnten solche Konzepte in den kommenden Jahren realistischer machen.

»Voll funktionsfähige orbitale oder lunare Rechenzentren befinden sich noch weitgehend im Versuchsstadium«, räumt Raveni ein. Dennoch eröffne das Feld nach Einschätzung von GlobalData ein breites Spektrum für Partnerschaften, Finanzierung und Forschung.

Der Leidensdruck ist groß

Treiber dieser Entwicklungen ist der wachsende Druck auf herkömmliche Rechenzentren. Die rapide steigende Nachfrage nach KI-Diensten lässt Energie- und Kühlkapazitäten weltweit an ihre Grenzen stoßen. Betreiber suchen daher mit Hochdruck nach Möglichkeiten, die Effizienz zu steigern und neue Standorte zu erschließen. Ozeane und Orbit könnten sich – zunächst als Nischenkonzept – in der kommenden Dekade zu einem ernstzunehmenden Bestandteil der globalen Infrastruktur entwickeln.


 


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