Im Vergleich zu 2023 ist die deutsche Stromversorgungsbranche schlechter ins neue Jahr gestartet. Einige Marktsegmente wie Militär- und Bahntechnik sowie die Luftfahrt verhalten sich gegenläufig zur allgemeinen Marktentwicklung. Eine Erholung erwartet die Branche für die zweite Jahreshälfte.
Ein Einschwingen der Lieferzeiten hat natürlich eine Reduktion des Planungshorizonts zur Folge«, beschreibt Andreas Hanausek, Product Marketing and Applications für Active Components bei Codico, die aktuelle Lage auf dem deutschsprachigen Markt für Stromversorgungen. Von einem sehr herausfordernden ersten Halbjahr 2024 spricht auch Dr. Stefan Grösbrink, Managing Director der AEconversion: »Wir beobachten derzeit sehr viel Unsicherheit bezüglich der Bedarfe und eine daraus resultierende Zurückhaltung bei den Bestellungen.«
Hermann Püthe, geschäftsführender Gesellschafter der inpotron Schaltnetzteile, begibt sich auf Spurensuche: »Da sind zum einen die hohen Zinsen, dann die fundamentale Krise im Bausektor. In Summe wirkt sich die daraus folgende Investitionszurückhaltung auch auf den Stromversorgungsbedarf unserer Kunden aus.« War inpotron nach seinen Angaben im Zeitraum von Januar bis März 2024 noch auf einem guten Vorjahresniveau, »sehen wir aktuell Rückgänge von etwa 10 Prozent in den Folgemonaten«. Dass sich daran so schnell etwas ändern wird, glaubt er nicht, »schließlich haben die Kunden selbst Absatzprobleme, das schlägt sich eben in den Bestellzahlen nieder«.
»Es war für die Elektronikbranche abzusehen, dass es zu Auftrags- und Umsatzrückgängen kommen würde«, versichert Thomas Widdel, Geschäftsführer der zur Cosel-Gruppe gehörenden Eplax. »Das gilt auch für unser Unternehmen. Konkret liegt unsere Book-to-Bill aktuell bei 0,7. Wir sehen aber in den Gesprächen mit unseren Kunden für das nächste Geschäftsjahr, das zum 1. Mai beginnt, nach dem Sommer einen deutlich positiveren Trend in der Beauftragung.«
Andreas Münzer, Senior Manager für Product Marketing Power bei Rutronik, sieht das 1. Quartal 2024 als durchaus herausfordernd: »Es werden immer noch Aufträge verschoben, und die Kunden sind sehr vorsichtig bei der Platzierung langfristiger Aufträge.« Eine Wende kann er am Markt derzeit noch nicht erkennen, »eine Trendumkehr wird erst für das zweite Halbjahr erwartet«.
»Ich habe schon im letzten Jahr gesagt, dass es wohl noch nie so schwierig war, eine Vorhersage für die nächsten Monate zu treffen«, erinnert sich Kai Heinemann, General Manager Development and Product Management bei Block Transformatoren-Elektronik. »Daran hat sich auch im Prinzip bisher nicht geändert. Unsere Book-to-Bill ist noch negativ, sie nähert sich aber wieder der Nulllinie.« Das Verhalten der Kunden, das Heinemann beobachtet, sei sehr unterschiedlich: »Einige Kunden kehren bereits wieder zu einem halbwegs normalen Bestellverhalten zurück, während andere andeuten, dass ihre Läger noch bis deutlich in die zweite Jahreshälfte hinein ausreichend gefüllt sind.« Sein Fazit deshalb: »Wir rechnen zwar damit, dass sich im 3. Quartal wieder eine gewisse Belebung einstellt; bis wieder Normalität einkehrt, wird es aber noch etwas länger dauern.«
Auch bei Schukat electronic konnte man nach Auskunft von Frank Stocker, Field Application Engineer für Power-Supplies, im 1. Quartal 2024 nicht an die Rekordumsätze des 1. Quartals 2023 anknüpfen, »aber das war über die Auftragseingänge der letzten Monate hinweg bereits ersichtlich«. Das bedeutet, der Umsatz ist im zweistelligen Bereich rückläufig. »Aufseiten der Kunden befinden wir uns weiterhin in der Überbestandsreduzierung«, meint Stocker knapp. »Es ist ja nicht so, dass gar nichts mehr bestellt wird, aber nicht wenige Kunden haben sich eben in der Vergangenheit sehr langfristig bevorratet und bauen jetzt erst einmal ihre eigenen Bestände ab.« Damit setzt sich eine Entwicklung fort, die bei Schukat bereits 2023 zu beobachten war und dazu führte, dass der Stromversorgungsumsatz im Vergleich zum Rekordjahr 2022 um 5 Prozent zurückging.
»Wie erwartet liegt der Auftragseingang aktuell deutlich unter dem Vergleichszeitraum des Vorjahres, und damit auch das Umsatzergebnis«, bestätigt auch Tobias Huebner, Head of Sales EMEA bei TDK-Lambda. Auch er verweist darauf, dass sich bezüglich des Kundenverhaltens keine Pauschalaussagen treffen lassen: »Es gibt Kunden, die aufgrund sehr optimistischer Planung und gleichzeitig auftretender Bedarfsreduzierung in ihrem speziellen Markt- oder Applikationsumfeld erst jetzt den Höhepunkt ihrer Lagersituation erreichen; es gibt aber auch andere Kunden, die bereits jetzt wieder nach vorne planen.«
»Unsere bisherige Umsatzentwicklung und der Auftragseingang für 2024 waren absolut vorhersehbar«, stellt Uwe Frischknecht, Managing Director Sales EMEA bei Recom, fest, »und haben ihren Ursprung in den Überbuchungen der Jahre 2022 und 2023. Branchenüblich haben deshalb nun auch wir sechs Quartale mit einer negativen Book-to-Bill hinter uns«. Frischknecht macht auch deutlich, welche Auswirkungen diese Entwicklung bereits im letzten Jahr hatte: »Wir wollten 2023 deutlich zweistellig wachsen, letztlich ist es dann ein einstelliges Wachstum geworden, auf das wir sehr stolz sind!« Aktuell geht man bei Recom davon aus, »dass eine Trendumkehr in einen Wachstumsmarkt mit deutlich positivem Book-to-Bill nicht vor dem 4. Quartal 2024 eintreten wird«.
Schadet die AfD dem Wirtschaftsstandort? Meinungen aus der StromversorgungsbrancheAngesicht eines richtungsweisenden Wahljahres mehrten sich zuletzt die Stimmen aus der Wirtschaft, die bestimmte Punkte im Parteiprogramm der AfD sowie gewisse wirtschaftspolitische Äußerungen mehr als kritisch bewerten. So würde etwa eine Wiedereinführung nationaler Währungen in der EU sich ganz sicher nicht positiv auf die Handelsbilanz Deutschlands auswirken. Ein Thema, das zeigt eine aktuelle Umfrage dieser Zeitung, das inzwischen auch in den Führungsetagen der deutschen Stromversorgungsbranche angekommen ist. »Die wirtschaftlichen Folgen sind sicherlich im Detail schwierig zu bewerten«, so Huebner (TDK-Lambda). »Potenzielle Gefahren sehen wir aber grundsätzlich durch eine politische Instabilität, die zu einer Investitionsunsicherheit führen.« Eine restriktivere Handelspolitik würde zu Spannungen in den Handelsbeziehungen führen, »eine restriktivere Einwanderungspolitik wird die Suche nach ausländischen Fachkräften sicher nicht einfacher machen«, ist sich Huebner sicher. »Populistische Parteien suggerieren oft einfache Lösungen für komplexe Probleme, dabei sollte jedem klar sein, dass wir ein riesiges Problem haben, wenn wir beispielsweise 15 Prozent unserer Mitbürger mit einer Erwerbsquote von 50 Prozent wie auch immer dazu bewegen, unser Land zu verlassen«, ist sich Heinemann (Block Transformatoren-Elektronik) sicher; »eine starke AfD macht den Standort Deutschland allgemein unattraktiv«. Als Unternehmen, so Heinemann, »können wir aufklären, welche Konsequenzen eine Politik wie die der AfD hat«. Gleichzeitig seien aber auch die anderen Parteien gefordert, Antworten auf die bestehenden Probleme des Landes zu finden. Bei Gaia converter distanziert man sich von den Äußerungen der AfD und sieht bei einem Erstarken schon einen erheblichen Einfluss auf die wirtschaftlichen Aktivitäten in Deutschland, vor allem was einen weiteren Abfluss industrieller Tätigkeiten ins Ausland angeht. Aus Sicht von Widdel (Eplax) ist die AfD »in vielen Teilen ihres Parteiprogramms polemisch unterwegs, um eine bestimmte Klientel zu bedienen. In unserem unternehmerischen Handeln bewerten wir alle Parteien und ihre Programme, inwieweit diese Vor- oder Nachteile für unser Unternehmen mit sich bringen«. Er kritisiert in diesem Zusammenhang aber auch die fehlende Bereitschaft der anderen Parteien, nachhaltige Lösungen für die aktuellen Probleme zu suchen. Einen politischen Rechtsruck, vielleicht sogar mit einer Regierungsbeteiligung der AfD, empfände Püthe (inpotron Schaltnetzteile) als »eine gesellschaftliche Katastrophe für unser Land«. Eine Regierungsbeteiligung der AfD spalte die Gesellschaft weiter, »und somit würde auch die Wirtschaft erheblich darunter leiden«. »Es gibt von der AfD keine Konzepte mit Substanz, keine Strategie und schon gar keine Impulse, die unter wirtschaftlicher Betrachtung durchdacht und auch nur im Ansatz sinnvoll wären«. Stammtischparolen sollten genau dort bleiben wo sie herkommen: an den Stammtischen. Walter (Camtec Power Supplies) stellt sich die Frage, »ob eine einzelne Partei, die das Auffangbecken für verschreckte Wähler anderer Parteien ist, eine echte Gefahr für ein gemäßigtes Land mit hohem Wohlstand und einem funktionierenden Rechtssystem darstellen kann, in dem eine Vielfalt des Denkens und Lebens möglich sei«. Deutschland sei eines der wirtschaftsstärksten Länder der Erde; damit gehe einher, »dass man auch Position beziehen muss zu den Themen, die die Welt bewegen«. Im positiven Sinne sei hier Führung gefordert, »die glaubwürdig und authentisch ist«. Wenn auf diese Weise klar kommuniziert werde und die Bevölkerung landesweit wieder Mut schöpfe, »dann orientieren sich vielleicht auch die Protestwähler wieder neu«. |
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Es gibt aber ganz offenbar auch Marktbereiche, die den wirtschaftlichen und finanzpolitischen Veränderungen der letzten Zeit weniger deutlich unterworfen sind. Das machen beispielsweise die Äußerungen von Christian Bernard deutlich, der das Vertriebsbüro DACH von Gaia Converter leitet. »Unsere Erwartungen für das letzte Geschäftsjahr wurden voll erfüllt.« Er verweist darauf, »dass sich Gaia insbesondere mit Militär- und Bahntechnik sowie Luftfahrt in Bereichen bewegt, die sich marktgegenläufig entwickeln. »Mit dem derzeitigen Bedarf militärischen Geräts europaweit bewegt sich auch das Geschäftsfeld von Gaia converter. Wir erwarten auch für 2024 deutlich steigende Zahlen, und diese Entwicklung dürfte sich auch in den nächsten Jahren fortsetzen.« Da der typische Kundenkreis aufgrund der Wertigkeit der Produkte im Allgemeinen nur geringe Lagerbestände vorhalte, »werden wir sich verändernde Marktbedürfnisse sehr direkt spüren«.
Nicht im Militärbereich, dafür aber in langfristigen Projektgeschäften tätig ist die Camtec Power Supplies. Eine Ausrichtung, so CEO Oliver Walter, »die uns das letzte Jahr mit einem leichten Wachstum abschließen ließ«. Das 1. Halbjahr 2024 sei herausfordernder als die vergleichbaren Zeiträume der Jahr 2022 und 2023, »die Dinge normalisieren sich und ordnen sich neu«. Walter geht davon aus, »dass die bisherigen Schwankungen im 2. Halbjahr abnehmen und wir für 2025 wieder ein mögliches Wachstum erwarten können«. Gleichzeitig freut er sich über ein sehr erfolgreiches 1. Quartal 2024, »das deutlich über unseren Erwartungen lag, ein Umstand, der uns für den Rest des Jahres beflügelt«.
Wer nun erwartet hätte, dass angesichts sich normalisierender Lieferzeiten auch die Versorgungslage bei den Stromversorgungsherstellern sich verbessern würde, liegt nur teilweise richtig. Entspannt, das mag für viele Bauelemente gelten, aber nicht für die klassischen kritischen Bauteile des Stromversorgungsbaus: MOSFETs und Elektrolytkondensatoren. War und ist schwierig, das ist eine Umschreibung, auf die sich wahrscheinlich die Mehrzahl der Stromversorgungsspezialisten einigen könnte. »Bei den MOSFETs rechnen wir aktuell mit 16 bis 30 Wochen und bei Aluminium-Elektrolytkondensatoren mit 26 bis 36 Wochen«, beschreibt Huebner die Situation bei TDK-Lambda.
Auch Münzer sieht sich nach wie vor mit Engpässen beispielsweise in der Produktion von MOSFETs konfrontiert. »Bei steigender Nachfrage im zweiten Halbjahr gehen wir deshalb von einer Verschärfung der Liefersituation aus und raten den Kunden zur Platzierung von langfristigen Aufträgen«, so der Rutronik-Manager. Gerade bei Leistungshalbleitern sieht auch Heinemann die Gefahr, »dass es hier als Erstes wieder zu Engpässen kommen wird, weil viele Produkte der ‚All Electric Society“ nennenswerte Mengen an Leistungshalbleitern benötigen«.
Auf ganz konkrete Probleme bei kleinen Alu-Elkos für die THT-Produktion weist Püthe hin: »Inzwischen sind Bauelemente dieser Art mit Becherdurchmessern von 8 mm und kleiner von japanischen Herstellern größtenteils abgekündigt, da gilt es aktuell, gute Alternativen zu qualifizieren.« Da es leider immer noch viele Abkündigungen gebe, auch ganzer Produktgruppen, »binden die daraus resultierenden Neuqualifizierungen leider weiterhin Entwicklungskapazitäten«.
Bleibt die Frage, wie sich der Markt und vor allem die Bedarfe der Kunden in der zweiten Jahreshälfte 2024 entwickeln werden. Mitte letzten Jahres waren Spekulationen aufgekommen, dass eine deutlich rückläufige Auftragserteilung dazu führen könnte, dass nach einem Abbau der Läger bei den Kunden ein plötzlich einsetzender Mehrbedarf ganz schnell zu neuen Versorgungsengpässen führt, um das Wort Allokation zu vermeiden.
Ob sie kommt und ob sie eventuell zum Jahresende 2024 kommen wird, ist aus Sicht von Heinemann nicht relevant: »Am Ende muss das Risikomanagement darauf ausgelegt sein, mit einer Verknappung auf der Beschaffungsseite umzugehen. In der letzten Allokation wurde da sicher viel dazu gelernt; ob es für die nächste Allokation reicht, werden wir sehen!« – »Die Kapazitäten in den Fabriken sind den Bedarfen entsprechend heruntergefahren worden«, resümiert Püthe, »je nachdem wie dynamisch eine Markterholung stattfindet, könnte eine Allokation deshalb nicht ganz unwahrscheinlich sein«.