Volle Lager bei den Endkunden und in den Vertriebskanälen lässt seit Monaten die Auftragszahlen sinken. Eine Entwicklung die sich im ersten Halbjahr 2024 noch fortsetzen dürfte. Mit einem wieder Anziehen der Nachfrage rechnet die Branche erst im zweiten Halbjahr 2024.
Wie eine aktuelle Umfrage von Markt&Technik unter den Anbietern von Stromversorgungslösungen zeigt, hat sich die Stimmung in der Branche seit dem Sommer deutlich gewandelt. Auf die Euphorie des 1. Quartals folgte in vielen Fällen spätestens seit der Jahresmitte Ernüchterung. »Positiv war sicher, wie lange der Boom dann am Ende doch noch angehalten hat«, fasst Kai Heinemann, Geschäftsleiter Entwicklung und Produktmanagement bei Block Transformatoren-Elektronik die vergangenen elf Monate zusammen, »doch jeder Boom hat einmal sein Ende«. Deutliche Rückgänge und Verschiebungen der Auslieferungsmengen hätten Block darum erst spät erreicht, »somit war ein Großteil unseres angestrebten Wachstums bereits erreicht, und die Auswirkungen der wirtschaftlichen Abkühlung waren begrenzt.«
Auch Gustav Erl, Geschäftsführer der TDK-Lambda Germany, zeigt sich positiv davon überrascht, »dass die erwartete Abkühlung der Märkte erst in der zweiten Jahreshälfte 2023 begann, dadurch konnten wir noch unsere Erwartungen für 2023 übertreffen«.
Von einem unerwartet starken Beginn des Jahres spricht auch Georg Beretitsch, Geschäftsführer der Phoenix Contact Power Supplies. Er führt das unter anderem darauf zurück, »dass unsere neue Generation der Trio-Power-Stromversorgungen mit integrierten Mehrkanalabsicherungen sofort nach der Markteinführung einen kontinuierlichen, zusätzlichen Wachstumsbeitrag geleistet hat«. Vor diesem Hintergrund wird Phoenix Contact nach seiner Einschätzung 2023 mit einem sehr guten Wachstum abschließen.
Natürlich kann man die positive Überraschung des ersten Halbjahres auch anders sehen. »So positiv die Überraschung des ersten Halbjahres war«, so Martin Tenhumberg, Geschäftsführer Traco Power, »der Rückgang des zweiten Halbjahres war dadurch noch deutlicher zu spüren«. Ganz ähnlich ging es Nico Kagel, Regional Sales Director Central Europe bei XP Power: »Wir haben bezogen auf 2023 im 2. Quartal einen niedrigeren Auftragseingang verzeichnet und auch das 4. Quartal startete letztlich unter unseren Erwartungen«. Von einer deutlich eingetrübten Auftragslage spricht Hermann Püthe, geschäftsführender Gesellschafter der Inpotron Schaltnetzteile: »Durch die eingetrübte Auftragsentwicklung in fast allen Bereichen werden wir unsere ursprünglich gesteckten Ziele für 2023 nicht mehr erreichen können. Am Ende wird es auf ein Ergebnis auf Vorjahresniveau hinauslaufen«.
»Dass wir im ersten Halbjahr 2023 noch einmal so würden zulegen können, war nicht unbedingt vorhersehbar«, versichert Frank Stocker, Field Application Engineer Power Supplies bei Schukat electronic, »erst ab dem Sommer, im Laufe des zweiten Halbjahres, stellte sich dann der erwartete Umsatzrückgang ein«. Zum Ende des Geschäftsjahres, so seine Einschätzung, wird Schukat voraussichtlich ein Gesamtergebnis leicht unter dem des Jahres 2022 erreichen. Alles in allem ein super Ergebnis, wenn man bedenkt, von welchem Allokationsgetriebenen 2022er-Umsatzergebnis wir kommen«.
»Wir hatten das Jahr 2023 hanseatisch optimistisch geplant«, erzählt Thomas Widdel, Geschäftsführer von Eplax, »also mit einer Portion Vorsicht. Auch wenn der Auftragseingang durch neue Projekte hinter unseren Erwartungen zurückliegt, hat sich das Jahr letztlich positiv entwickelt, und wir liegen im laufenden Geschäft etwa 20 Prozent über unseren geplanten Zielen«.
»Trotz der herausfordernden Situation bei den Halbleiterlieferanten, konnte Murata Power Solutions global eine gute Wachstumsrate erzielen«, berichtet Zlatko Pavlovic, Senior Business Development Engineer bei Murata. Er setzt auch für die Zukunft weiterhin auf Smart-Cities-Applikationen, »durch den Zuwachs der Notwendigkeit an Kommunikationssystemen und dem damit verbundenen Zuwachsbedarf an Stromleistung, sehen wir in diesem Segment viel Potenzial für die kommenden Jahre«.
Von einem turbulenten Jahr spricht Andreas Hanausek, Produktmanager und Field Applikation Engineer bei Codico. »In den ersten beiden Quartalen dieses Jahres ist das Stromversorgungsgeschäft weitergewachsen, seit der Jahresmitte sind die Absatzzahlen nun leicht rückläufig.« Aus seiner Sicht alles in allem ein stabiles Jahr. Jörg Traum, Geschäftsführer der Emtron, berichtet für sein Unternehmen von vielen Anfragen nach Verschiebungen oder gar Stornierungsanfragen. »Der Umsatz ist recht stabil, doch der Auftragseingang stagniert auf niedrigem Niveau.« Bei der ebenfalls zur Fortec Gruppe gehörenden Autronic Steuer- und Regeltechnik, sei die Auftragslage im Bereich kundenspezifischer Stromversorgungen hingegen weiterhin gut.
Ziemlich einig sind sich alle Befragten in der Analyse der Auftragsrückgänge. Sie führen dabei weniger die Auswirkungen der nun bereits seit über drei Monaten andauernden technischen Rezession ins Feld, sondern die Tatsache, dass, wie in jeder bisherigen Allokationsphase Kunden und Vertriebskanäle Lager aufgebaut haben, die nun angesichts der Entspannung der Liefersituation abgebaut werden. Ein Effekt, der bislang nach jeder Allokation eingetreten ist.
Die Frage nach den Book-to-Bill-Raten wird dahingehend beantwortet, dass sich bei vielen die Raten innerhalb eines Jahres zum Teil fast halbiert haben. Lagen die Werte noch vor einem Jahr in vielen Fällen deutlich über 1, werden inzwischen fast überall Wert unter 1 angegeben, in manchen Fällen bis hin zu einer Book-to-Bill von 0,6. Bei der Frage, ob es derzeit Anwenderbranchen gibt, die sich resistenter als andere erweisen, sagt Reinhard Kalfhaus, Gründer und Geschäftsführer von Syko Power, »dass sich der mobile Markt zu Land, zu Wasser und in der Luft als recht widerstandsfähig erweist«, und er betont, »dass im Fall Syko eine starke Innovationsnachfrage das Wachstum weitertreibt«.
Uwe Saum, Market Development Engineer Manager Power CE bei Arrow, weist darauf hin, dass die Megatrends Elektromobilität und Elektrifizierung weiter für Wachstum sorgen, »auch der Medizintechnikbereich erweist sich in der Entwicklung kontinuierlich als sehr solide«. Saum macht auch deutlich, wie sich die Bestellungsfristen in jüngster Zeit verändert haben: »Im Schnitt beträgt der Vorlauf bei den Bestellungen 6 bis 9 Monate. Noch vor einem Jahr verzeichneten wir 12, ja manchmal auch 18 bis 24 Monate Vorlaufzeit.«
Neben der Bahntechnik, die aufgrund ihrer langfristigen Investitionszyklen als sehr stabil gilt, hat sich in den letzten eineinhalb Jahren auch ein Anwendermarkt sehr positiv entwickelt, der in der Vergangenheit in Deutschland eher ein Randthema war. »Der Bereich Wehrtechnik hat in Deutschland aktuell einen Sonderstatus inne. Seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und dem für die Bundeswehr bereitgestellten Sondervermögen sehen wir eine enorme Steigerung des Geschäfts in diesem Bereich«, so Traum. Eine Einschätzung, die auch Widdel teilt: »Der Bedarf an Rüstungstechnik ist enorm gestiegen, da verzeichnen wir deutliche Steigerungen, das gilt sowohl für Neuprojekte als auch für bestehende Lösungen.« Kalfhaus weist darauf hin, dass es sich sowohl bei Bahn- als auch bei Wehrtechnik nicht um Massenmärkte handelt, »da sind wir als Spezialist kundenspezifisch gefragt«.
Stellt sich die Frage, wie wird es 2024 weitergehen? Wie lange wird das Abschmelzen der Lager bei den Kunden und in den Vertriebskanälen dauern? »Selten war ein Jahr so schwer vorauszusehen wie 2024«, meint Heinemann, »in den Gesprächen mit Kunden will sich nahezu niemand auf klare Mengen für 2024 festlegen, geschweige denn einen Trend für sich erkennen. Insofern gehen wir mit verhaltenen Erwartungen ins neue Jahr, das gilt besonders für das erste Halbjahr, danach erwarten wir eine Besserung«. »Basierend auf der aktuellen Lage rechnen wir mit einem schwachen ersten Halbjahr und einer Erholung in der zweiten Jahreshälfte. Auf Jahressicht würde das schlussendlich eine Stagnation bedeuten«, prognostiziert Erl.
So einig sich die Branche in der Analyse der Gründe für den rückläufigen Auftragseingang zu sein scheint, so einig ist sie sich kurz vor Ende des Jahres auch bezüglich der Erwartungen an das Jahr 2024 – die Hoffnungen liegen klar auf der zweiten Jahreshälfte. Vielleicht sollte man aber noch dazu sagen, dass die Befragung von dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Nichtigkeit des Nachtragshaushaltes 2021 durchgeführt wurde. Die nun herrschende Verunsicherung könnte vielerorts dazu führen, dass eigentlich geplante Investitionen und Projekte jetzt geschoben werden. Spätestens dann wäre der Wirtschaftsstandort Deutschland wohl in der realen und nicht mehr nur in der technischen Rezession angekommen.