Nach einem Umsatzplus von 30 Prozent im Vorjahr geht Bernhard Erdl, Geschäftsführer, Chefentwickler und Gründer der Puls-Gruppe, für 2022 von einem Plus von 10 Prozent aus.
Markt&Techhnik: Mit welchen Erwartungen sind Sie in das Jahr 2022 gegangen? Erwarten Sie einen Übergang von der Pandemie zur Endemie und wie könnte sich das auf die Geschäftsentwicklung auswirken?
Bernhard Erdl: Ich gehe davon aus, dass das Jahr 2022 zum »New Normal« wird. Das Leben mit dem Virus wird normal werden. Die Wirtschaft hat sich mit Homeoffice an die Situation angepasst. Ob wir in diesem Jahr eine Umsatzsteigerung von 10 oder von 20 Prozent erleben werden, hängt schlicht von der Materialversorgung ab. Klar ist auch: Die Nachfrage ist weiter ungebrochen, und soweit wir das überblicken können, legen unsere Kunden nichts aufs Lager.
Werfen wir noch einmal einen Blick auf das Jahr 2021. Hat es Ihre Erwartungen erfüllt? Wo lagen die größten Probleme?
Traditionell bestimmte der Auftragseingang die Umsatzentwicklung eines Unternehmens. Das hat sich geändert, es ist die Bauteilversorgung, die die Umsatzentwicklung bestimmt. Historisch ist das einmalig! In der Vergangenheit hatte man immer mal wieder mit Kapazitätsengpässen zu tun, das dauerte dann meist einen Lagerzyklus. Heute ist das Paket an negativen Einflussfaktoren deutlich umfangreicher, und es hat nachhaltigen Einfluss auf unser seit Jahrzehnten erfolgreiches Geschäftskonzept. Wirtschaftlich konnten wir 2021 einen Umsatzzuwachs von 30 Prozent realisieren und damit erstmals einen Gruppenumsatz von über 200 Millionen Euro erreichen.
Wir gehen ins dritte Corona-Jahr. Welche Ihrer Annahmen vom Beginn der Corona-Pandemie hat sich als falsch erwiesen? Welche Veränderungen haben sich seither bei Puls ergeben?
Unsere größte Fehleinschätzung war sicher, dass wir zu Beginn eine große Krise erwartet haben, mit einer langsamen anschließenden Normalisierung. Man könnte also sagen, wir haben das Problem zu Beginn erst überschätzt und danach dann unterschätzt. Wie haben wir reagiert? Wir haben unsere Abläufe flexibilisiert und wir haben resilientere Strukturen geschaffen, auch wenn das kostspielig war. Dem Risikomanagement wird inzwischen deutlich mehr Aufmerksamkeit gewidmet als vor der Pandemie. Persönlich habe ich mich in den letzten beiden Jahren wieder verstärkt in das operative Geschäft und in den Einkauf eingebracht, das stellte vor 2020 nur einen kleinen Teil meines Arbeitspensums dar. Wir sind wohl schlicht zu sorglos gewesen. Fazit: Wir laufen auf eine unruhigere Welt zu, das zeigen auch die jüngsten Ereignisse in der Ost-Ukraine.
Ihre Kunden kommen vor allem aus dem Automatisierungs- und Anlagenbau. Mit welchen Sorgen wurden Sie da in den letzten zwei Jahren konfrontiert? Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung Ihrer Hauptabsatzmärkte ein?
Einer der Kunden aus diesem Bereich hat uns vor Kurzem gesagt, Puls sei einer der Wenigen, zu denen er keine Hotline wegen Lieferschwierigkeiten hat! Nicht das Bottleneck zu sein, das ist unser Hauptanliegen. Nachfragetechnisch ist der Boom in der Medizintechnik inzwischen wieder abgeklungen, dafür boomt seit der Pandemie das Thema Intralogistik, getrieben durch die weltweit agierenden großen Versanddienstleister, in einem ungeahnten Maße. Man muss auch sagen, dass die Nachfrage aus dem Ausland sich deutlich stärker entwickelt hat als aus der DACH-Region. Hier sind vor allem Südostasien und Amerika zu nennen.
Infineon Technologies hat vor Kurzem davon gesprochen, dass sich die Lieferengpässe in der Halbleiterbranche noch bis Ende 2023 hinziehen werden. Was bedeutet das für Puls und die Stromversorgungsbranche?
Die deutsche Industrie im Allgemeinen und natürlich die Stromversorgungsbranche im Besonderen ist im weltweiten Vergleich nur ein kleiner Abnehmer von Chips. Wenn es stimmt, was zu lesen ist, dann kauft Apple im Jahr mehr Halbleiter ein als die gesamte weltweite Automobilindustrie! Als Kunden zahlen wir heute den Preis für die mit Macht weltweit laufende Digitalisierungswelle. Vor diesem Hintergrund wundert es mich eigentlich, dass die Chinesen nicht versuchen, aus dieser Marktsituation mehr Kapital zu schlagen. Was mich an den Diskussionen um die Stärkung der europäischen Halbleiterindustrie stört, ist die Diskussion um den 2-nm-Ansatz. Das ist nicht die Technologie, die wir hier vordringlich benötigen! Wir haben auch schon versucht, unseren Halbleiterlieferanten deutlich zu machen, dass wir unter anderem die Stromversorgungen für die ASML-Produkte liefern, die sie so dringend benötigen, aber auch dieser Hinweis hat nichts gebracht.
Puls verfügt traditionell über ein gut gefülltes Lager. Wie stellt sich die Lagersituation Anfang 2022 dar? Wie weit reichen Ihre Auftragsbücher?
Unser Lager an Fertigprodukten ist mit einer Reichweite von zwei Wochen quasi nicht mehr existent. Auch wir sind inzwischen im Modus der Warenzuteilung angekommen. Unser Geschäftskonzept hat sich damit vorübergehend verändert. Aktuell sind unsere Auftragsbücher deutlich über ein Jahr hinaus gefüllt. Die Kunden wollen sicherstellen, dass sie bei der Belieferung oben stehen, und sie wollen auch ihre Preise absichern.