An welchem Punkt des aktuellen Zyklus befindet sich die Stromversorgungsbranche derzeit? Eine Antwort auf diese Frage versuchten die Teilnehmer des diesjährigen Stromversorgungs-Forums der Markt&Technik zu finden.
„Im Herbst letzten Jahres“, berichtet Karsten Bier, CEO der Recom-Gruppe, „waren sich führende Vertreter der Distributions- und Logistikbranche darin einig, dass es im 3. Quartal 2024 wieder zu einer Allokation kommen würde“. Die Ingredienzien für diesen weiteren „Perfect Storm“ lagen auf der Hand. Sollte in den nächsten Wochen und Monaten jedoch geopolitisch nichts Außergewöhnliches mehr passieren, so die Diskussionsteilnehmer, „wird die erneute Allokation in diesem Jahr ausbleiben“.
Für viele Diskussionsteilnehmer stellt 2024 aktuell ein Übergangsjahr für die Branche dar. „Die Lager bei den Kunden laufen tatsächlich allmählich leer“, bestätigt etwa Martin Tenhumberg, Geschäftsführer der Traco Power Deutschland, „die fangen jetzt wieder an, für ihre Produktionsbedürfnisse einzukaufen, das war ja das letzte halbe Jahr ganz anders“. Aus seiner Sicht hat das Jahr 2024 damit noch das Potenzial, „ein gutes Jahr für uns zu werden“. „Ein Übergangsjahr mit dem Trend zur Hoffnung“, das sieht auch Nico Kagel, Regional Sales Director Central Europe bei XP Power, so: „Die weltweit angekündigten neuen Halbleiter-Fabs müssen ja gebaut und ausgerüstet werden, und das ist mit 40 Prozent unser Anwendermarkt.“
Mit Blick auf das Jahr 2025 ändern sich die Erwartungen und Einschätzungen der Diskussionsteilnehmer jedoch deutlich. „Wir gehen davon aus, dass der Bedarf 2025 deutlich anziehen wird“, versichert etwa Uwe Daro, Produktmanager bei Fortec Power. „Der Lagereffekt wird dann weg sein, nur leider sagt uns die Glaskugel nicht, ob es bereits im 1. Quartal oder erst im 2. Quartal so weit sein wird.“ – „Auch jede Krise geht einmal zu Ende“, versichert Kai Heinemann, Geschäftsleiter Entwicklung bei Block Transformatoren-Elektronik. „Wenn man sich den aktuellen Auftragseingang anschaut, muss man klar sagen, das Tal ist bereits durchschritten; mit der Allokationswarnung für das zweite Halbjahr 2024 hat man sich in der Branche allerdings verschätzt.“
Bernhard Erdl, Gründer und CEO der Puls-Gruppe, sieht dafür, dass sich die Situation 2025 deutlich anders darstellen wird als aktuell, vor allem zwei Gründe: „Zum einen wird der Lagerabbau dann abgeschlossen sein, und die verstärkten Design-Aktivitäten, die wir in diesem Jahr wieder beobachten, könnten sich dann eventuell bereits in Volumen niederschlagen.“ Passiert das auf breiter Front, könnte es 2025 kritisch werden. „Wenn unsere Zwischenhändler, die Distributoren, rein wirtschaftlich getrieben sind, werden sie ihre Lager runterfahren“, vermutet Oliver Walter, Mitgründer und CEO von Camtec Power Supplies; „das könnte dann bei schnell steigenden Bedarfen zu gewissen Problemen führen“.
„Wir werden die Lager sicher nicht bis aufs Letzte runterfahren“, versichert Daro, „wir werden uns vorbereiten und entsprechend ausstaffieren, wir werden die Lager optimiert ausbauen“. Als Grund dafür verweist er auf die heruntergefahrenen Fertigungskapazitäten in Asien. „Wenn die Lager bei Kunden und Zwischenhändlern abgebaut sind, wird es einen sehr großen Nachholbedarf geben, der dann auf verringerte Fertigungskapazitäten in Asien trifft.“ Heinemann hält es nicht für ausgeschlossen, dass die Ausschläge am Beschaffungsmarkt extremer werden als beim letzten Mal. „Momentan sehen wir eine weltweite Abschwächung der Wirtschaft, das war 2008/09 anders, da hat China fast komplett durchgezogen. Wenn sich die Wirtschaft also dieses Mal erholt, wird das eine weltweite Erholung mit entsprechendem Orderbedarf sein.“
Vor diesem Hintergrund, so die Diskussionsteilnehmer, sei es vielleicht sogar gut, dass der Fall Mornsun jetzt eingetreten sei. Das Auftauchen des chinesischen Stromversorgungsherstellers auf der Sanktionsliste des US-Außenministeriums am 1. Mai hatte in der Branche für viel Wirbel gesorgt. Vor allem in China ist die Verunsicherung bei den Kunden groß und das Aktivitätslevel, alternative Lösungen zu finden, hoch. „Wäre das zu Zeiten einer Allokation passiert“, so Bier, „wären die Folgen für den ein oder anderen Kunden wahrscheinlich katastrophal gewesen“.
In der Folge des Falls Mornsun berichten die Diskussionsteilnehmer davon, dass sich nicht nur in China gewisse Neuorientierungen beobachten lassen, sondern dass auch auf Lieferantenfragebögen in Europa inzwischen neue Fragen auftauchen: Ob man seine Lieferanten denn monitore? „Es geht darum zu vermeiden, dass Lieferanten von Subkomponenten nicht überraschend auf Sanktionslisten auftauchen“, so Tenhumberg, „ein hochvernünftiger Schachzug“. Als Konsequenz aus dem Fall Mornsun, so das Fazit der Diskussionsteilnehmer, werden wohl nicht nur chinesische Unternehmen dazu übergehen, ihre gesellschaftsrechtlichen Organisationen zu verändern, um exterritorialen Sanktionen der USA, die global durchgreifen, zu entgehen. „Inzwischen überlegen auch westliche Unternehmen, ihre chinesischen Organisationen gesellschaftsrechtlich komplett zu trennen, um dieser Gefahr zu entgehen“, so Erdl.
Mehr über die aktuellen Entwicklungen und Trends auf dem Stromversorgungsmarkt sowie in den Bereichen Batterien und Akkus sowie Leistungshalbleiter und Power-Management erfahren Sie im Trend-Guide „Stromversorgung & Power-Management 2024“.