Vishay baut für 250 bis 300 Millionen Dollar in Deutschland ein 300-mm-Werk für MOSFETs und will damit, wie CEO und President Dr. Gerald Paul erläutert, vor allem seine Position auf dem europäischen Automobil- und Automotive-Markt ausbauen. Zudem steigt das Unternehmen in den SiC-Markt ein.
Markt&Technik: Dr. Paul, Sie haben Anfang letzten Jahres die Prognose gewagt, dass es Vishay in Zukunft gelingen wird, regelmäßig ein Umsatzvolumen von über 3 Milliarden Dollar zu erzielen. Hat das 2021 geklappt?
Dr. Gerald Paul: Ja! Wir werden das genaue Umsatzvolumen in den nächsten Wochen veröffentlichen, aber ich kann heute schon sagen, dass es uns gelungen ist, trotz aller Herausforderungen des letzten Jahres den Umsatz von 2,6 Milliarden Dollar im Jahr 2020 auf 3,2 Milliarden Dollar 2021 zu steigern. Nach einem Umsatzplus von rund 5 Prozent im letzten Jahr erwarten wir für die Zukunft eine mittlere Wachstumsrate für die kommenden Jahre von 4 bis 5 Prozent.
Manche sprechen aktuell ja von der Verwaltung des Mangels. Hätte der Umsatz noch höher ausfallen können, wenn Vishay mehr Produktionskapazität zur Verfügung gestanden hätte?
Wir waren und wir sind voll – voller geht’s nicht! Entsprechend haben wir auch investiert! Im letzten Jahr flossen rund 250 Millionen Dollar in den Ausbau unserer Fertigungskapazitäten. Davor lag unser langjähriges Investitionsniveau zwischen 150 und 200 Millionen Dollar. Schwerpunktmäßig haben wir dabei in den Produktionsausbau bei Induktivitäten und Widerstandschips investiert. Investitionen flossen aber auch in unsere Halbleiterlinien, insbesondere in Opto, wo wir in Heilbronn ein neues Werk bauen. Aber wir gehen noch einen Schritt weiter – wir werden in diesem Jahr mit dem Bau einer 300-mm-Fab für Automotive-MOSFETs in Itzehoe beginnen. Allein für dieses Vorhaben investieren wir dann in der ersten Stufe 250 bis 300 Millionen Dollar.
Eine 300-mm-Fab in Itzehoe! Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Wir haben 2015/16 die Produktion unserer Automotive-MOSFETs aus den USA nach Itzehoe geholt. Eine Entscheidung, die wir nicht bereut haben. Kunden aus dem Automotive-Bereich sehen es aber nicht so gerne, wenn man sie angesichts steigender Auftragsvolumina aus Foundries beliefert. Aus diesem Grund mussten wir unsere eigene Produktionskapazität deutlich erhöhen. Im ersten Schritt steigert sich durch das neue Werk unsere Automotive-MOSFET-Produktion um etwa 70 Prozent. Im Endausbau werden es dann, bezogen auf unser Produktionsvolumen 2021, rund 250 Prozent sein.
Wird der Bau dieses Werks durch den Bund oder das Land Schleswig-Holstein gefördert?
Aktuell finden dazu Gespräche mit der Landesregierung in Schleswig-Holstein statt. Unsere grundsätzliche Entscheidung ist aber nicht von dieser Förderung abhängig. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit dem Standort Itzehoe gemacht und wollen auf dieser Basis unser Engagement dort deutlich ausbauen und den Bau der Fab im Verlauf des Jahres 2022 beginnen. Mit dem Großraum Hamburg verfügen wir in dieser Region auch über ein hervorragendes Einzugsgebiet für qualifizierte Mitarbeiter.
Wann wird die Serienproduktion des neuen 300-mm-Werks beginnen?
Wir starten den Baubeginn des Werks in diesem Jahr. Ich gehe davon aus, dass wir das Fertigungs-Equipment 2023 in das Werk bringen können. Je nachdem, wie die Qualifizierung läuft, werden die ersten Automotive-MOSFETs das 300-mm-Werk dann im Jahr 2024, vielleicht auch erst Anfang 2025 verlassen.
Wie hoch ist aktuell die Book-to-Bill bei Vishay und wie lange, vermuten Sie, wird diese angespannte Situation, dieses Verwalten des Mangels auf dem Markt noch andauern?
Unsere Book-to-Bill liegt derzeit bei 1,10. Vor dem Hintergrund dessen, was 2021 alles geschehen ist, ein immer noch erstaunlich hoher Wert. Historisch dauerten diese Ausnahmesituationen immer etwa ein Jahr an. Offenbar ist das nicht mehr so. Ich gehe auch davon aus, dass die Automobil- und Automotive-Branche, die aktuell mit angezogener Handbremse agiert, mit ihren Bestellungen nachziehen wird und sich so die Situation des Jahres 2021 wohl bis zum Jahresende 2022 fortsetzt.
Sie bewegen sich seit über 40 Jahren in der Branche. Wie erklären Sie sich diese noch nie dagewesene Marktsituation?
Aus meiner Sicht ist das gesamte System im 2. Quartal 2020 ins Wanken gekommen. Die Lockdowns, die Schließung vor allem auch der Werke der Automobilbauer, haben die Branche aus dem Tritt gebracht. Als die Automobilisten dann im Herbst 2020 wieder ihre Bestellungen massiv hochfuhren, waren die Fertigungskapazitäten vor allem im Halbleiterbereich bereits anderweitig ausgelastet. Dazu noch der Handelskonflikt zwischen den USA und China, der im Herbst 2020 eskalierte. All das hat zu der aktuellen Lage beigetragen. Man muss auch ganz nüchtern feststellen: Für ein Unternehmen wie unseres besteht die größte Gefahr darin, dass sich die Handelsbeziehungen zwischen den USA und China seit einigen Jahren kontinuierlich verschlechtern. Wir haben uns aus diesem Grund dazu entschlossen, unsere Fertigungskapazitäten weltweit geografisch besser auszubalancieren, was sehr oft dazu führt, dass chinesische Werke nicht weiter in ihrer Kapazität gesteigert werden.