Angesichts voller Läger und eines nach wie vor flachen Auftragseingangs werden in der Stromversorgungs-Distribution Preiskämpfe nicht mehr ausgeschlossen. Aktuell richten sich die Hoffnungen auf eine Markterholung auf Herbst 2025. Investitionsprogramme könnten den Aufschwung beschleunigen.
Richtig spannend wird es in der Distribution dann, wenn der Kunde nichts mehr kaufen kann oder will, weil er keinen Absatz mehr kreieren kann, dann sitzen wir auf dem Lager, der Lieferant sitzt auf dem Lager und der Hersteller hat nichts zu tun – in dieser Situation sind wird seit 2023«, beschreibt Markus Zemp, Managing Director bei der Fortec Power Switzerland, die aktuelle Lage beim Forum »Stromversorgungs-Distribution« der Markt&Technik. »Im 1. Quartal 2023 haben uns die Kunden gesagt, im Sommer kommt der Aufschwung; wir sehen es, wir spüren es, passiert ist dann leider nichts, der Aufschwung ist bis heute nicht da, und es wird weiterhin mau bleiben, solange der Umschwung nicht einsetzt.«
Natürlich, so Zemp, »verbessert sich die Book-to-Bill, weil sich auch das Lager des Kunden irgendwann leert und er dann nachbestellen muss, aber das sind jetzt keine bombastischen neuen Auftragsvolumen«. Der Fortec-Manager gibt zu, dass es durchaus noch Marktbereiche gebe, »die ganz gut laufen, die anderen dümpeln noch so vor sich hin«. Zemp verweist auf einen Schweizer Kunden, der im Sommer meinte, er müsse vorziehen, »schaut, dass ihr das auf Lager habt«. Eigentlich hätte jetzt geliefert werden sollen, »aber das Ganze wurde inzwischen auf Januar, Februar rausgeschoben, offensichtlich hakt es noch irgendwo in der Nachfragekette«.
»Nach der Boomphase in der Corona-Pandemie war es jetzt eine ganze Weile lang sehr, sehr still«, gibt auch Frank Stocker, Field Application Engineer für Power Supplies bei Schukat electronic, zu; »aktuell ist das Treiben wieder etwas geschäftiger«. Stocker verweist darauf, dass das Angebotsvolumen, das man derzeit schreibe, wieder deutlich höher sei, »da scheinen manche zu testen, was denn jetzt nach der Pandemie preislich so möglich ist«. Brauchbare Ergebnisse gebe es allerdings noch wenige, »da ist viel Kurzfristiges dabei, Rahmen- und Terminaufträge sind relativ selten«. Aktuell laufe es auf einem vernünftigen Niveau, »auch wenn es natürlich mehr sein könnte«. Im nächsten Jahr, so Stockers Überzeugung, »wird es deutlich besser sein – es muss besser sein!«.
»Der Umsatz ist stabil, er bricht nicht ein«, berichtet Jochen Krause, Product Line Manager für Power & Energy bei Hy-Line Technology, »er geht aber auch nicht nach oben«. Was sich dagegen häuft, sind Anfragen, ob vereinbarte Lieferumfänge auch in kleineren Tranchen ausgeliefert werden können. »Könnten wir nicht 300 Stück kriegen statt der vereinbarten 1000 Stück?« ist so eine gängige Frage, »dabei werden aktuell noch die höheren Preise akzeptiert, weil die Stückzahl niedriger ist, wir merken aber auch, dass mehr und mehr Preisanfragen durch die Gegend laufen«. Konkret handelt es sich dabei häufig um sogenannte Price-Reduction-Programs ; die Frage lautet dann, »was ist dein Ziel, was willst du damit und warum tauscht ihr aus?«.
Oskar Czechowski, Technical Development Manager in Central & Eastern EU für Power/Emech bei TTI IP&E Europe, macht ganz ähnliche Erfahrungen: »Die langsamen Ramp-up-Phasen mit vielleicht 300 Stück sieht man derzeit häufig.« Zwar stünden die Entwickler jetzt wieder für ihre originäre Aufgabe zur Verfügung, aber wirklich neue Entwicklungen wolle man noch nicht machen, also gehe man der Frage nach, ob man das, was man bereits hat, noch mal preislich reduzieren könnte. »Unser Shippings sehen noch recht gut aus, aber bei den Bookings spüren wir die aktuelle Situation schon.« Das dürfte nach seiner Einschätzung wohl auch noch eine Weile so bleiben. Czechowski berichtet von einem Bekannten in einem großen Unternehmen, der ihm Anfang des Jahres gesagt habe, »sie würden erst einen Aufschwung ab dem 3. Quartal 2025 sehen – damals habe ich das nicht geglaubt«.
Auch Jens Egbers, Manager FAE-Team bei MEV Elektronik Service, ist sich sicher, »dass in den verbleibenden Monaten dieses Jahres und zu Beginn des nächsten Jahres nicht mehr viel passieren wird, die Aufträge sind einfach auf einem schwachen Niveau«. Viele Industriekunden seien in Kurzarbeit, »auch wenn darüber kaum etwas in der Presse steht«. Manche Märkte sowie die Solar- und Heizungsbranche lägen total brach, »auch in der Gebäudeautomatisierung geht derzeit kaum etwas«. Egbers sagt dann auch noch einen Satz, dem kaum einer widersprechen können dürfte: »Wenn VW schwächelt, dann schwächelt das ganze Land.« Einen kleinen Lichtblick sieht er im Zusammenhang mit der Senkung des Leitzinses – »vielleicht steigen dadurch ja tatsächlich wieder die Investitionen«. Egbers moniert aber auch die durch die Politik getriebene Verunsicherung der Wirtschaft und der Verbraucher (Anmerkung der Redaktion: Das Forum fand vor dem Platzen der Ampel-Koalition statt). »Es wird spannend, dann zu sehen, wann es im nächsten Jahr losgehen wird.«
»Wir sehen Stornierungen, und die Kunden wollen häufig verschieben«, beschreibt Uwe Saum, MDE Manager Power Supply CE & NEE bei Arrow Electronics, seine aktuellen Erfahrungen am Markt. »Zum Teil werden Projekte im Industriebereich um zwei, drei Jahre geschoben, im Medizinbereich teilweise noch länger.« Positiv entwickelt sich nach seinen Worten für Arrow aktuell der Luftfahrt- und Defense-Bereich. »Wir bieten in diesem Bereich eben entsprechende Produkte verschiedener Hersteller an, deshalb partizipieren wir hier von der aktuellen Situation.« Bei Arrow sieht man in Asien bereits wieder eine Trendwende und einen Bedarfsanstieg. »Setzen wir im Stromversorgungsbereich einen traditionellen Zeitversatz von drei bis sechs Monaten voraus, dann könnte die Prognose für eine Markterholung im 3. Quartal 2025 in Deutschland und Europa durchaus zutreffend sein.« Motor für die positive Entwicklung in Asien sind nach seinen Worten dort milliardenschwere Investitionsprogramme.
Bei der Frage, ob es neben Luftfahrt sowie Defense derzeit überhaupt ein Marktsegment gäbe, das in etwa den Erwartungen entspricht, verweist Zemp auf den Bereich Medizintechnik. Interessant ist dabei nach seinen Worten, dass die Anfragen dort immer häufiger nicht über die etablierten Kanäle kämen. »Es handelt sich dabei immer häufiger um entwicklungsbeauftragte Unternehmen, die häufig über spezielles Know-how verfügen, mit dem sich der Hersteller gegenüber seinem Wettbewerb abheben kann und das er nicht im eigenen Haus hat.« Aus Sicht von Fortec Power handelt es sich dabei um durchaus interessante Stückzahlen von 5000 bis 10.000 Geräten.
Saum verweist auf den Bereich Robotik, »das entwickelt sich für uns recht vielversprechend, zum Teil halten diese Geräte wie etwa der Da-Vinci-Roboter ja auch Einzug in viele Krankenhäuser«. Kurzfristig, so Saum, werde das zwar noch nicht zu riesigen Umsatzsprüngen führen, »aber das sind wirklich interessante Projekte, in die AC/DC-Netzteile mit Ausgangsleistungen von 1000 W und mehr reingehen«. Egbers nennt die Bahntechnik: »Wir haben unsere Aktivitäten dort erst vor einigen Jahren gestartet, aber wir sehen dort positivere Tendenzen als in vielen anderen Bereichen.«
Angesichts des geschilderten Ist-Zustands kommt die Diskussion ziemlich schnell zu einem heiklen Thema: Preisdruck – Preiskampf. Eine Gefahr, die nicht nur mit vollen Lägern, sondern auch mit der niedrigen Auslastung der Stromversorgungshersteller zu tun hat. »Auch wenn wir nahe an unseren Herstellern dran sind, bekommen wir von ihnen keine genauen Angaben zur Fertigungsauslastung«, sagt Zemp, »aber wir gehen davon aus, dass im Schnitt die Auslastung der Werke bei 60 bis 70 Prozent liegen dürfte«.
»Ich würde sagen, die Situation hat sich wieder entspannt, aber sie ist noch nicht gut«, meint Stocker. »Vor einem Jahr war es schon kritisch, die Hersteller waren in Kurzarbeit, mussten Mitarbeiter entlassen, das hat sich wieder etwas entspannt.« Unabhängig davon klopften aber auch die Stromversorgungshersteller schon mal bei den Distributoren an: »Wie sieht es aus, wann müsst ihr mal wieder nachbestellen?« Auch Saum kann aus den aktuellen Lieferzeiten nur ableiten, »dass die Auslastung nicht bei der Volllast liegt«. Einzige Ausnahme: der schon zuvor genannte Defense-Bereich.
»Für uns scheint es so, als ob die Auslastung der Hersteller auf einem gesunden Niveau ist«, schildert Egbers seine Erfahrungen, »reale Fertigungszeiten bekommen wir von den Herstellern nicht«. Das könne sich aber in Zukunft ändern, da nach wie vor ein Backlog abzuarbeiten sei. Egbers weist aber darauf hin, »dass die Lieferzeiten aktuell unter zehn Wochen liegen, das war noch vor einem Jahr undenkbar«. Wie so etwas im Alltagsgeschäft dann auch laufen kann, schildert Czechowski: »Wenn wir die Aufträge vergeben, bekommen wir von den Herstellern erst einmal die Standardlieferzeit genannt. Und dann heißt es auf einmal: Freut euch, wir sind früher fertig geworden!«
Doch zurück zu Preisdruck und Preiskampf angesichts voller Läger, geringer Nachfrage und Fertigungsstätten, die dringend auf Aufträge angewiesen sind. »Ich denke, es wird fast zwangsläufig zu Preiskämpfen kommen«, meint Czechowski, »wenn die Lager voll sind, wird irgendwann die Anweisung kommen, zu geringeren Preisen zu verkaufen, die Geräte werden ja auf Lager nicht besser!« – »Ich möchte nicht ausschließen, dass eine Situation eintritt, in der Preise gemacht werden, die ich eigentlich eher ungern machen würde«, äußert sich Saum, »auszuschließen ist das zumindest nicht«. Wer in dieser Situation nahe am Kunden dran sei, so Saum, »hat zumindest einen kleinen Vorteil, man wird sich immer für den Auftrag entscheiden, auch wenn die Marge nicht da ist, wo man sie gerne hätte«.
Krause unterscheidet zwischen Bestandsgeschäft, das schon zugelassen und freigegeben ist, und wirklichem Neugeschäft. »Bei neuen Projekten wird man mit höherer Aggressivität reingehen, weil da der Wettbewerb größer ist, bei Bestandsgeschäft gehe ich dagegen von Preisstabilität aus.« Mit härteren Bandagen kämpfen, wenn es um neue Projekte geht, ist ein Ausdruck, der fällt. »Wenn der Hersteller sagt, ich will mehr Auslastung, deshalb will ich da rein, hat man dem nachzukommen«, so Krause. »Es ist deshalb davon auszugehen, dass in nächster Zeit der Margendruck auf die Distributoren, aber auch der Preisdruck auf Hersteller zunehmen wird, um solche interessanten neuen Projekte zu gewinnen.«
Stocker weist darauf hin, dass auch die Distributionsstrategie der Hersteller in dieser Situation eine wichtige Rolle spiele: »Je einfacher das Produkt, desto größer die Kanäle, die dahinter stehen, und desto mehr besteht die Gefahr, in Preiskämpfe verwickelt zu werden.« Auch Egbers geht davon aus, »dass es bei neuen Projekten in Zukunft durchaus zu ordentlichen Preisstechereien kommen könnte, vor allem bei Standardprodukten mit Dutzenden von Herstellen am Markt«. Aber auch er weist darauf hin, dass es auf die Distributionsstrategie des Herstellers ankomme, »ob es wirklich zu Preiskämpfen kommt«.
Wie sieht es also angesichts möglicherweise drohender Preiskämpfe nach Einschätzung der Diskussionsteilnehmer in einem Jahr auf dem deutschen Distributionsmarkt für Stromversorgungen aus? »Es braucht Impulse und Programme der öffentlichen Hand, um wieder für Planungssicherheit am Markt zu sorgen«, versichert Saum, »Elektromobilität und Ladeinfrastruktur waren Hype-Themen, deren Absturz innerhalb weniger Monate erfolgte«. Angesichts der bevorstehenden Wahl des US-Präsidenten und einer eventuell auch in Deutschland anstehenden Wahl traue sich derzeit niemand, das Heft des Handelns in die Hände zu nehmen.
Impulse ja, aber Stocker verweist auch auf die Geschehnisse der letzten Jahre: »Wir hatten eine Boomphase; hätten wir die durchschnittlichen Wachstumszahlen ab dem Jahr 2020 fortgeschrieben, wären wir umsatztechnisch in Summe über die letzten Jahre in etwa auf demselben Niveau herausgekommen.« Er glaubt deshalb, dass 2024 für viele Firmen nicht das absolute Tal der Tränen sei, »viel spannender ist vielmehr die Frage: Was passiert jetzt?«. Aus seiner Sicht bedarf es vor allem mal eines Impulses, sich aus der Zwangsjacke der vielen schlechten Nachrichten der jüngsten Zeit zu befreien. »Dafür bräuchten wir eine Initialzündung, wie die aber aussehen könnte, kann heute, glaube ich, noch keiner sagen.«
»Wenn ich als Mittelständler jeden Tag Nachrichten von Insolvenzen bekomme«, so Czechowski, »dann lasse ich mich natürlich davon beeindrucken, und jedes Familienunternehmen wird sich vor diesem Hintergrund die Frage stellen: Sollen wir jetzt wirklich in die Neuentwicklung gehen?«. Man müsse einem starken Mittelstand das Gefühl der Sicherheit geben, damit der sage, »ich investiere jetzt«. Aus Sicht von Krause ist das Schlimme an der Situation in Deutschland, dass das mit der Verunsicherung der Industrie und Wirtschaft innerhalb kürzester Zeit gleich zweimal passiert ist, »erst beim Thema Wärmepumpe und dann noch einmal beim Thema EV und Charging«. Heute ist der Fördertopf da, morgen nicht mehr, »so kann man keine Wirtschaftspolitik machen!«
»Der stärkste Impact wären sicher langfristige und nachhaltige Investitionsprogramme«, glaubt Zemp. »Wenn ein positiver Impuls kommt, dann muss man den auch durchhalten und darf nicht auf einmal alles stoppen! – Derzeit gibt es aus Geldnöten keine Investitionsprogramme in Deutschland; wer also in Zukunft wirklich Klarheit sowohl für den Mittelstand als auch für die Konzerne schaffen will, der muss dafür klare politische Rahmenbedingungen schaffen – nur so lässt sich das Gefühl der Zwangsjacke, die alle Kreativität und Initiative erstickt, sprengen!«