Seit dem Sommer hat sich die Stimmung in der Stromversorgungsbranche gewandelt. Deutliche Rückgänge beim Auftragseingang lassen sinkende Umsatzzahlen in der ersten Jahreshälfte 2024 erwarten. Mit einer Verbesserung rechnet die Branche erst in der zweiten Jahreshälfte 2024.
Bis fast in den Sommer dieses Jahres hinein schien die deutsche Stromversorgungsbranche völlig unbeeindruckt von den sich abkühlenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu sein. Zwar ging der Auftragseingang mit der sich verbessernden Lieferverfügbarkeit zurück, aber laut Kunden gingen die bestellten Stromversorgungen als Vorprodukteimmer noch in die Produktion, nicht aufs Lager. Wie unsere aktuelle Umfrage unter führenden Stromversorgungsanbietern in der DACH-Region zeigt, hat sich die Situation seit Sommer vielerorts deutlich verändert.
»Wir waren schon enttäuscht, dass trotz aller gegenteiligen Behauptungen Endkunden und Vertriebskanäle hohe Lagerbestände aufgebaut haben«, stellt Bernhard Erdl, Gründer und CEO der Puls-Gruppe, fest. »Um den dadurch entstandenen Scheinbedarf zu decken, haben wir hohe Investitionen getätigt und viele Mitarbeiter eingestellt, die wir jetzt nicht mehr auslasten können.« Sein Fazit für 2023 lautet: »Unsere Wachstumserwartungen konnten wir deshalb nicht erreichen.«
Auch Gustav Erl, Geschäftsführer der TDK-Lambda Germany, stellt einen ähnlichen Zusammenhang fest: »Unser Wachstum hat sich im Laufe dieses Jahres deutlich reduziert. Hervorgerufen wurde das durch die reduzierten Lieferzeiten, was unsere Kunden zu einem Abbau der von ihnen aufgebauten eigenen Lagerbestände veranlasst hat. Inwieweit da schon Bedarfsreduzierungen enthalten sind, lässt sich derzeit noch nicht genau beziffern.«
Positiv überrascht, diese Sichtweise zieht sich durch alle Antworten, wurde die Stromversorgungsbranche in der DACH-Region davon, wie lange die außergewöhnlich positive Geschäftsentwicklung der letzten zwei Jahre angedauert hat. Im Prinzip meldeten die Power-Spezialisten seit dem Ende der Lockdowns in Deutschland kräftige Auftrags- und Umsatzzuwächse, die sich 2021 und 2022 noch in zweistelligen Umsatzzuwächsen niederschlugen.
»Es war eine absolut positive Überraschung, dass sich die erste Jahreshälfte 2023 noch so positiv entwickelt hat«, meint denn auch Martin Tenhumberg, Geschäftsführer der Traco Power; »leider ist durch diesen positiven Jahresbeginn der Rückgang im zweiten Halbjahr um so deutlicher zu spüren«.
Auch Hermann Püthe, geschäftsführender Gesellschafter der inpotron Schaltnetzteile, konnte sich die letzten zwei Jahre über deutliche Umsatzzuwächse freuen. Vor dem Hintergrund der inzwischen in fast allen Bereichen deutlich eingetrübten Auftragslage ist das nun nicht mehr so: »Wir können unsere ursprünglichen Ziele für 2023 nicht erreichen, es wird am Ende ein Ergebnis auf Vorjahresniveau sein.«
Aufgrund der Tatsache, dass das Geschäftsjahr der Fortec-Gruppe zum 30. Juni endete, »konnten die von uns gesteckten Wachstumsziele erreicht werden«, berichtet Jörg Traum, Geschäftsführer der zur Fortec-Gruppe gehörenden Emtron.
»In der weiteren Entwicklung sehen wir viele Anfragen nach Verschiebungen oder gar Stornierungsanfragen unserer Kunden. Der Umsatz ist zwar recht stabil, doch der Auftragseingang stagniert auf niedrigem Niveau.« Auch er sieht den Hauptgrund für die jetzige Situation darin, »dass durch die verringerten Lieferzeiten die Läger der Kunden gefüllt sind und der Planungshorizont an die verringerten Lieferzeiten angepasst wurde. Den daraus resultierenden stagnierenden Auftragseingang werden wir noch im ersten und zweiten Quartal nächsten Jahres im Umsatz spüren«.
Auf die seit über drei Monaten in Deutschland herrschende technische Rezession führt eigentlich keiner der Befragten die aktuelle Situation zurück. »Wir sehen den Grund der aktuellen Situation ausschließlich verursacht durch die vorgezogene Deckung der Kundenbedarfe während der Allokation«, so Frank Stocker, Field Application Engineer für Power Supplies bei Schukat electronic. »Die sinkenden Auftragseingänge deuten auf sinkende Umsätze im ersten Halbjahr 2024 hin.«
Stocker macht noch auf ein Problem aufmerksam, das bereits Anfang September im Forum »Stromversorgungs-Distribution« der Markt&Technik thematisiert wurde: die Auswirkungen der sinkenden Auftragszahlen für die Stromversorgungsfertiger in Asien.
»Problematisch wird die vorgezogene Bevorratung nun vor allem für die Stromversorgungshersteller, die teils nur noch 50 Prozent ihrer Fertigungskapazität auslasten können.« Anfang September war noch von 60 bis 70 Prozent Auslastung die Rede. »Hält die Situation länger an«, so Stocker, »kann vielleicht nicht das komplette Personal gehalten werden, was im schlimmsten Fall bei abschmelzenden Kundenbeständen und darauf folgenden Bestellungen wieder zu längeren Lieferzeiten führt«.
Einige Teilnehmer des Forums im September hatten damals bereits vor einer wiederkehrenden allokationsähnlichen Situation im zweiten Halbjahr 2024 gewarnt.
Auch wenn es sich bei den geschilderten Problemen letztlich um nichts anderes handelt als eine auf bislang jede Allokation folgende Lagerbereinigung bei den Endkunden und in den Vertriebskanälen – die Unsicherheit über die Entwicklung der nächsten Monate ist groß in der Branche.
»Es war selten so schwer, ein Jahr vorauszusehen, wie 2024«, stellt Kai Heinemann, Geschäftsleiter Entwicklung und Produktmanagement bei Block Tranformatoren-Elektronik, fest. »In Kundengesprächen will sich nahezu niemand auf klare Mengen für 2024 festlegen, geschweige denn einen Trend für sich erkennen.« Kein Wunder also, dass fast alle Befragten mit einer Verbesserung der Marktsituation erst für das zweite Halbjahr 2024 rechnen.
Mehr über die aktuellen Entwicklungen und Trends der Stromversorgungsbranche in der DACH-Region erfahren Sie in unserem Schwerpunkt Stromversorgungen ab Seite 34 des aktuellen E-Papers der Markt&Technik 47-48/2023.