Das neuste fliegende Windkraftwerk der chinesischen Firma SAWES Energy Technology, das gerade getestet wird, sieht wie ein Zeppelin aus und erzeugt wie eine Turbine eine Leistung von 1 MW – deutlich mehr als fliegende Windkraftwerke auf Basis anderer Technologien.
Das neuste System, das »S1500«, wird bei 1500 m über dem Boden arbeiten. SAWES hat es mit zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen ausgestattet – wie beispielsweise das Stoppen der Gasfreisetzung aus dem Aerostat –, wodurch das Luftschiff über 25 Jahre betriebsbereit bleiben könne.
Künftige will SAWES aber noch viel höher hinaus: 10.000 m Flughöhe sind geplant, weil der Wind dort bis zu 200 Mal stärker als am Boden weht, was zu deutlich höheren Leistungen führen würde.
Solche fliegenden Windkraftwerke könnten beispielsweise in abgelegenen Gebieten Strom erzeugen, die mit herkömmlichen Methoden nur schwer mit Elektrizität zu versorgen wären.
In Deutschland gibt es eine lebendige Szene von Start-ups, die auf die Erzeugung von Elektrizität in fliegenden Kraftwerken setzen. So hat die in Hamburg ansässige SkySails Power gerade ein auf Flugdrachen basierendes System nach Taiwan verkauft. Stephan Wrage, CEO von SkySails, sieht dies als einen wichtigen Schritt an, um in Asien zu zeigen, diese neue Technik der Energieerzeugung in der Praxis funktioniert.
Während SkySails Drachen aus Stoff verwendet, hat die in Eberswalde in Brandenburg ansässige Enerkite einen starren Flügel entwickelt. Derzeit arbeitet Enerkite an zehn konkreten Pilotvorhaben, darunter mit der Tegel Projekt GmbH, e.disnatur und der Volkswagen Group Charging. Eine erste Anlage wurde an den mittelständischen Präzisionsfertiger Seipp & Kehl verkauft. Mit drei weiteren namhaften, deutschen Industrieunternehmen steht EnerKíte in fortgeschrittenen Verhandlungen für mehrere Anlagen.
Ebenfalls im Kreis der Hersteller neuartiger Windkraftwerke ist X-Wind Powerplants, die Uwe Ahrens gegründet hat. X-Wind arbeitet auch mit Drachen, setzt aber auf ein dynamisches Prinzip, um den Strom zu generieren. Vollautomatisiert über eine drohnenähnliche Softwarersteuerung ernten die Drachen Höhenwinde in einer variierbaren Betriebshöhe zwischen 300 und 500 m, weil dort ein laminarer Wind mit einer Geschwindigkeit von 7 m/s und mehr ganzjährig fast die gesamte Zeit verfügbar ist. Jeder Drachen ist mit Seilen an einer Powerunit am Boden verbunden, die im Unterbau einer Lokomotive ähnelt. Diese Powerunits werden also wie Kite-Surfer am Meeresstrand durch Lemniskatenflüge gezogen – nur dass sie auf Werksschienen im Kreis oder im Oval fahren, der einen Durchmesser bzw. das eine Breite von mindestens 800 m aufweist. Sie erzielen dabei Geschwindigkeiten zwischen 10 und 25 km/h, so dass sie keine Gefahr für die Vogelwelt, Natur und Mensch darstellen. Der in den Triebdrehgestellen angebrachte Generator schickt den durch Zugkraft erzeugten Strom über eine Stromschiene an einen Trafo, von dem aus er ins Netz eingespeist wird, oder an einen Direktabnehmer wie einem Elektrolyseur oder ein Datencenter. Eine X-Wind-Anlage mit einer Umfangslänge von 10 km kann mit 50 Drachen bzw. Powerunits gleichzeitig betrieben werden, die eine Leistung von bis zu 400 MW erreichen. Mit einem grundlastfähigen Kapazitätsfaktor von 75 bis 85 Prozent erzielt X-Wind dabei eine Energieausbeute von ca. 2,6 TWh pro Jahr, also ein Viertel der Energie, die ein größeres Kernkraftwerk generiert.
Das Interessante sei laut X-Wind, dass kein einziges Element der Gesamtanlage neu erfunden werden musste. Bei allen Untereinheiten handelt es sich um erprobte Techniken, die zur Verfügung stehen. »Die Herausforderung bestand nur darin, die Untereinheiten intelligent zu etwas Neuem zu kombinieren«, sagt Ertu Taner, CEO von X-Wind. Das sei inzwischen gelungen: »Wir können mit unserer Technologie und unseren Anlagen schon bald in signifikantem Maße zur Energiewende in Europa und darüber hinaus beitragen.« Das will er mit Uwe Ahrens schon demnächst in der Praxis unter Beweis stellen: Erste Projekte in Österreich und Norwegen sind zusammen mit dort ansässigen Energieversorgern in Planung und gehen nun in die Genehmigungsphase.
Die im München beheimatete KiteKraft setzt auf ein anderes Prinzip: Das Unternehmen hat eine Drohne mit 2,5 m Spannweite entwickelt, die aussieht wie ein Doppeldecker mit Seitenflügeln, was dem Fluggerät eine hohe Steifigkeit verleiht. Die Drohne startet mit über Elektromotoren angetriebenen Propellern, die in der Höhenwindzone in Generatorbetrieb umschalten. Der so erzeugte Strom wird über ein selbst entwickeltes Kabel zur Bodenstation geleitet. CTO Florian Bauer hält es für sinnvoller ist, den Strom in der Drohne zu erzeugen als in der Bodenstation, weil das unterm Strich viel Komplexität aus dem System nimmt.
Enerkite und SkySails erzeugen den Strom dagegen, indem sie ihre Drachen in Höhen zwischen 100 und 1000 m Höhe in einer Flugbahn, die in einer liegenden Acht ähnelt von den starken Höhenwinden angetrieben auf und ab fliegen lassen. Sie sind mit einem Seil mit der Bodenstation verbunden. Zieht der Wind sie hoch, treibt das abrollende Seil in der Bodenstation einen Generator an, der Strom produziert. Haben sie ihre maximale Höhe erreicht, schaltet der Generator auf Motorbetrieb um und holt die Drachen ein. Dann beginnt das Spiel von neuem.
Der Ansatz von SAWES Energy Technology ähnelt also eher dem von KiteKraft – die Elektrizität wird im Fluggerät erzeugt, das in diesem Fall aber keine kleine Drohne ist, sondern ein ausgewachsenes Luftschiff. Es ist mit Helium gefüllt und wird auf eine Höhe von 1500 m gebracht.
Das System zielt darauf ab, die schnellen und konstanten Winde in 1.500 Metern Höhe über dem Boden zu nutzen. Daher wird ihre Effizienz als viel höher eingeschätzt als die herkömmlicher Windturbinen, die in der Regel nur in 200 Metern Höhe über dem Boden Windenergie nutzen. Laut AWES wehe der Wind in 1.500 m Höhe etwa dreimal so schnell weht wie am Boden. Deshalb könne dort 27-mal mehr Energie erzeugt werden. Die Effizienz sei also deutlich höher als die von Windrädern, die in 200 m Höhe über dem Boden Windenergie nutzen.
In dem neusten »S1500«-System arbeiten zwölf Mikrogeneratoren in der Mitte seines Kanals, die gleichzeitig betrieben werden können. Die Mikrogeneratoren bestehen aus Kohlefaser, und das Gesamtgewicht eines Systems beträgt laut einem Bericht der South China Morning Post weniger 1 t. Es erreichen eine Leistung von 1 MW, was einer herkömmlichen 100 m hohen Windkraftanlage entspricht. Der Strom wird über ein Kabel zur Bodenstation geleitet.
SAWES hat sein System in Zusammenarbeit mit der Tsinghua-Universität und dem Institut für Luft- und Raumfahrtforschung der Chinesischen Akademie der Wissenschaften entwickelt. Eine erste Anlage, die »S500«, hatte SAWES bereits im Oktober 2024 getestet. Sie hatte in einer Höhe von 500 Metern über dem Boden eine Leistung von über 50 kW erreicht. Das Unternehmen hatte daraufhin bekannt gegeben, zwei Rekorde gebrochen zu haben: den ersten für die maximale Flugzeit eines solchen Systems und den zweiten für die erzeugte Leistung.
Anfang Januar 2025 teste das Unternehmen dann das leistungsstärkere »S1000«-System, das auf einer Höhe von 1000 m eine Leistung von Leistung von 100 kW generierte.