Mit der Mehrheitsübernahme von Leco, einem Spezialisten für kundenspezifische Stromversorgungen, bereitet Recom den Einstieg auf dem Automatisierungsmarkt vor. Das Ziel von Karsten Bier, CEO der Recom-Gruppe, sind Stromversorgungen, die sich optisch und technisch vom Mainstream unterscheiden.
Markt&Technik: Sie haben vor Kurzem Leco in Österreich übernommen. Sie sprachen bei der Bekanntgabe davon, dass es schon zuvor eine enge Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Leco gegeben hat. Wie sah diese Zusammenarbeit aus?
Karsten Bier: Wir haben vor der Übernahme etwa eineinhalb Jahre an der Entwicklung von Lösungen im Automatisierungs-Umfeld gearbeitet. Leco hat sie nach unseren Vorstellungen entwickelt und dabei ihr spezifisches Know-how eingebracht. Warum haben wir Leco damit beauftragt? Weil sie ein Spezialist für den Automatisierungsmarkt sind und es unser strategisches Ziel war, nach dem Bahntechniksegment auch in den Automatisierungsmarkt mit einer kompletten, vom Schaltschrank bis zum Sensor reichenden Produktpalette einzusteigen.
Nun ist Leco ist ein vergleichsweise junges Unternehmen, das 2006 gegründet wurde. Warum wurde es verkauft? Stand ein Generationsübergang an?
Harald Weinmeier und Ulrich Poetzelberger, die beiden Gründer, sind Mitte 50, und in dieser Branche sind langfristige Arrangements gewünscht. Da wollen die Kunden nicht nur wissen, ob es den Lieferanten auch noch in zehn Jahren geben wird, und sondern auch, wie es um die Zukunft der Geschäftsführung bestellt ist. Vor diesem Hintergrund haben sich die beiden Gründer im ersten Schritt für einen Verkauf von 70 Prozent ihres Unternehmens entschieden.
Sie haben gesagt, dass es sich für Sie um eine strategische Entscheidung handelt, die Recom nun den breiten Einstieg auf einem neuen Markt ermöglicht. Wie wird die Strategie jetzt weiter umgesetzt?
Harald Weinmeier hat bei Siemens DIN-Rail-Stromversorgungen entwickelt, bevor er sich 2006 für die Selbstständigkeit entschied. Das bedeutet, er hat den Markt für Hutschienen-Netzteile nicht nur über Jahre begleitet, er hat ihn auch produkttechnisch geprägt. Technisch geht es jetzt darum, das vorhandene Know-how bei Recom zu bündeln, zu standardisieren und die Technologie zu skalieren. Neben den klassischen Hutschienennetzgeräten werden zum Produktspektrum auch DC-USVs und elektronische Sicherungen gehören. Aber wir werden zukünftig auch beim Thema »Power to the Machine« mitspielen können, weil zu unserem Portfolio auch IP67-geschützte Stromversorgungen für dezentrale Lösungen gehören werden. Jetzt geht es darum, dieses Know-how zu skalieren und das daraus hervorgehende Produktspektrum über das globale Recom-Vertriebsnetz auszuspielen.
Der Markt für DIN-Schienennetzteile ist von bekannten Namen wie etwa Delta, Puls, Mean Well oder Phoenix Contact dominiert. Welche Rolle kann hier Recom in Zukunft einnehmen?
Wir wollen uns weltweit als zusätzliche Alternative für OEMs etablieren. Wenn Sie heute das Hutschienen-Netzteil eines OEM öffnen, dann werden Sie darunter häufig ein Produkt der oben genannten Hersteller finden. Wer hier eine Alternative möchte, den wollen wir bedienen. Wobei der Unterschied unserer Geräte sowohl technisch auffällt; so sind wir etwa in der Lage, 3AC-Stromversorgungen mit Power-Faktor mit einem einstufigen Konzept zu realisieren. Der genannte Wettbewerb arbeitet da zweistufig. Damit benötigen wir weniger Bauelemente als der Wettbewerb, wir generieren weniger Abwärme und wir können letztlich eine höhere MTBF bieten. Wir sind aber auch in der Lage, ein 1-kW-Gerät mit einem Wirkungsgrad von mehr als 96 Prozent über den gesamten Teillastbereich anzubieten, welches in der Spitze 96,9 Prozent erreicht. Auch das Handling unserer Geräte unterscheidet sich: Anschlussdrähte werden mittels Push-in-Bedienung, ohne Zuhilfenahme von Werkzeug, einfach in die Geräte eingesteckt. Und auch optisch können wir uns problemlos differenzieren. Wir bieten dem Kunden eine speziell strukturierte Front, die ihn im Schaltschrank sofort von den anderen Geräten abhebt und eine werkzeuglose Montage und Demontage ermöglicht.
Leco war bisher in erster Linie ein Entwicklungsunternehmen mit ausgelagerter Fertigung. Werden die Geräte dann in Zukunft in den Recom-Fertigungsstätten hergestellt?
Ja, bisher wurden die Geräte in Ungarn und Serbien produziert. Wir haben somit ein noch breiteres, globales Fertigungsnetzwerk, um für alle Anforderungen die optimale Lösung garantieren zu können.
Das letzte Quartal des Geschäftsjahres 2024 hat begonnen. Wie gut war die Jahresplanung bei Recom?
Man muss ehrlich sein, die Hoffnungen, die wir zu Beginn dieses Geschäftsjahres hatten, haben sich bislang nicht erfüllt, und ich gehe nicht davon aus, dass sich daran in den verbleibenden drei Monaten noch etwas groß ändern wird. Wir sind der Ansicht, dass der Tiefpunkt des Auftragsrückgangs vor zwei, drei Monaten erreicht wurde. Seitdem sehen wir eine leichte Verbesserung. Aber natürlich hat das nichts mit unseren üblichen jährlichen Steigerungsraten von bis zu 20 Prozent zu tun!
Immer wieder werden die vollen Läger der Kunden als Grund für die flaue Auftragsentwicklung angeführt. War schlicht nicht erkennbar, in welchem Maße sich die Kunden während der Corona-Pandemie mit Ware eingedeckt haben?
Es war nicht unbedingt in erster Linie die Corona-Pandemie, die die Probleme verursacht hat. In meinen Augen sind vor allem die aufgebauten Überkapazitäten in China für das Problem verantwortlich. Das war schlicht ein Hype, da gingen viele unserer Produkte rein, und irgendwann, und das hängt eben nicht ursächlich mit der Corona-Pandemie zusammen, hat man dann festgestellt, dass der Bedarf für die aufgebauten Kapazitäten überhaupt nicht da ist! Aber keiner wollte das Aufspringen auf diesen offenbar dahinrasenden Zug verpassen und hat noch zusätzlich gepusht. Covid und die Allokation haben dem Ganzen dann den Rest gegeben.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation – wie schätzen Sie die Marktentwicklung im nächsten Jahr ein? Gibt es Faktoren, die Sie positiv beeinflussen könnten?
Was uns fehlt, ist ein positiver Ausblick in die Zukunft. Man könnte auch von fehlenden positiven Visionen sprechen. Diese muss die Politik wieder entwickeln, dann aber auch für die dringend nötige Stimulanz dieser positiven Stimmung sorgen! Zudem müssen die wirtschaftspolitischen Konzepte der Regierungen nicht nur praktisch durchführbar sein, sondern auch konsequent verfolgt werden. Es geht also um die Entwicklung neuer Konzepte, ihre Umsetzung und letztlich dann auch um deren stringente Verfolgung. Ein Projekt wie die Mondlandung wäre kaum innerhalb weniger Jahre realisiert worden, hätte Präsident John F. Kennedy sie nicht zur nationalen Aufgabe erklärt und einen ambitionierten Zeitplan vorgegeben.
Welche Erwartungen haben Sie aktuell an die electronica? Könnte das ein wichtiger Treffpunkt für den Aufschwung werden? Eine dermaßen hohe Vernetzungsdichte gibt es in der Branche abgesehen von der SPS wohl kaum.
Für uns werden beide Messen im November von entscheidender Bedeutung sein, denn sie stehen für uns für den Abschluss unserer Transmission des Projekts vom Schaltschrank zum Sensor. Das wird dort deutlich werden, dort werden wir die ersten Produkte unseres Hutschienen-Portfolios der Öffentlichkeit vorstellen. Darüber hinaus denke ich, dass auf der electronica wieder dieser Spirit, dieses positive Gefühl, an Innovationen zu arbeiten, die uns alle weiterbringen, für alle wieder erfahrbar werden wird. Es ist die größte Zusammenkunft unserer Branche, ein Melting-Pot an Ideen, Konzepten und vielleicht auch Visionen. Da kommen die Menschen zusammen, die mit ihrer Arbeit und mit ihren Entscheidungen Innovation vorantreiben. Ich freue mich darauf!
Endlosthema Mornsun Power – wie haben sich die Kunden nach Ihrer Beobachtung inzwischen am Markt orientiert? Wie reagieren sie auf die Nachfolgeorganisation?
Für die Kunden ist dieses Thema durch, so unsere Beobachtung. Da wurde einfach zu viel verbrannte Erde hinterlassen. Man hat es versäumt, Klarheit zu schaffen, man hat seine Kunden ohne Support zurückgelassen. Ich finde es mehr als dreist, nun unter offenbar verschiedenen neuen Namen wie etwa ATAZ und Labels wie zum Beispiel CLAF wieder auf die Suche nach Distributoren und Kunden zu gehen. Wo doch absehbar ist, dass sich der Apparat des US-Außenministeriums, der Mornsun zum 1. Mai auf seine Sanktionsliste gesetzt hat, von diesen Taschenspielertricks kaum täuschen lassen wird. Das, was da in den letzten Monaten passiert ist und versucht wurde, ist einfach zu offensichtlich. Wir haben den Eindruck, dass die Bereitschaft der Kunden, dieses heiße Eisen noch mal anzufassen, sehr gering ist.
Wahlen in den USA, Eskalation in Nahost, im »Chipwar« werden die Schrauben auch immer fester gezogen. Welche Möglichkeiten des Risk-Managements hat ein mittelständisches europäisches Unternehmen in diesem Rahmen noch?
Ich kann nur zu maximaler Flexibilität raten! Es bleibt einem nichts anderes übrig, als sein Risk-Management den aktuellen geopolitischen Anforderungen anzupassen. In unserem Fall war es ein Zeitraum von fünf bis zehn Jahren, der notwendig war, um eine internationale Struktur aufzubauen, die es uns heute wie bereits erwähnt erlaubt, etwa Non-China- und Non-Taiwan-Lösungen für unsere Kunden anzubieten. Das kommt uns heute in Verhandlungen mit Tier-Ones weltweit absolut zugute. Aber das setzt eben langfristiges und nachhaltiges Investieren und letztlich einen langen Atem voraus.