Ein neuartiger Silikon-Sensor läßt sich durch Schallwellen in Schwingung versetzen. Die Strukturierung des Metamaterials könnte damit als passive, schallempfindliche Energiequelle in Hörgeräten Millionen von Batterien einsparen.
Sensoren in medizinischen Geräten wie Gehörprothesen brauchen permanent Strom. Die Energie dafür stammt in der Regel aus Batterien, die regelmäßig ersetzt und entsorgt gehören. Abhilfe schaffen könnte ein neuartiger mechanischer Sensor, den Forscher um Marc Serra-Garcia und Geophysikprofessor Johan Robertsson von der ETH Zürich entwickelt haben.
Der Sensor funktioniert rein mechanisch, er braucht daher keine externe Energiequelle. »Er nutzt die Schwingungsenergie aus Schallwellen«, erklärt sagt Johan Robertsson. Spricht man ein bestimmtes Wort oder erklingt ein Ton oder ein Geräusch, versetzen die davon ausgehenden Schallwellen - und nur diese - den Sensor in Schwingung. Die Energie reicht beispielsweise aus, um mit einem winzigen elektrischen Impuls ein ausgeschaltetes elektronisches Gerät anzuschalten.
Der Prototyp ist bereits patentiert und kann zwischen den gesprochenen Wörtern »three« und »four« unterscheiden. Wobei »four« mehr Schallenergie als »drei« freisetzt, die den Sensor in Resonanzschwingungen versetzt. Der Sensor beginnt zu vibrieren und könnte ein Gerät anschalten oder weitere Prozesse auslösen. Bei »three« würde ohne Resonanz nichts passieren.
Neuere Varianten des Sensors sollen bis zu zwölf verschiedene Wörter unterscheiden können, wie Standardmaschinenbefehle wie «on», «off», «up» oder «down». Zudem sind sie viel kleiner als der Prototyp: War dieser noch handtellergross, so sind die neuen etwa so gross wie ein Daumennagel, und die Forschenden streben eine weitere Miniaturisierung an.
Der Sensor ist ein sogenanntes Meta-Material. Nicht das verwendete Material sorgt für seine speziellen Eigenschaften, sondern die Struktur. »Der Sensor besteht nur aus Silikon und enthält weder giftige Schwermetalle noch irgendwelche seltenen Erden wie herkömmliche elektronische Sensoren«, betont Serra-Garcia.
Aufgebaut ist der Sensor aus Dutzenden von gleich oder ähnlich strukturierten Plättchen, die über winzige Stege miteinander verbunden sind. Diese Verbindungsstege wirken wie Federn. Das spezielle Design dieser mikrostrukturierten Plättchen und wie sie miteinander verhängt sind, entwickelten die Forscher mithilfe von Computermodellen und Algorithmen. Diese Federn sind auch entscheidend, ob eine bestimmte Schallquelle den Sensor in Gang setzt oder nicht.
Serra-Garcia sieht darüber hinaus Anwendungen in medizinischen Geräten, etwa in Gehörschnecke-Implantaten. Diese Prothesen für Gehörlose brauchen für die Signalverarbeitung dauerhafte Stromzufuhr aus Batterien, die hinter dem Ohr sitzen, wo kein Platz für grosse Batteriepakete ist. Die die Träger solcher Geräte müssen deshalb die Batterien alle 12 Stunden auswechseln. Auch zur dauernden Messung des Augendrucks könnten solche Sensoren gebraucht werden. »Für einen Sensor mit Batterie ist im Auge zu wenig Platz«, so der Forscher.
Serra-Garcia arbeitet mittlerweile nicht mehr an der ETH, sondern entwickelt zusammen mit seinem Team am öffentlichen Forschungszentrum Amolf in den Niederlanden die mechanischen Sensoren weiter. Ziel ist, bis 2027 ein solider Prototyp an den Start zu bringen. »Haben wir bis dahin keinen Interessenten gefunden, gründen wir vielleicht unseren eigenen Start-up.« (uh)