Traco über Ersatz von Mornsun-Wandlern

»Schnelle Lösungen werden nicht immer möglich sein«

8. Juli 2024, 9:30 Uhr | Engelbert Hopf
Sebastian Fischer, Traco Power: »Aktuell gelten die Sanktionen nur für Mornsun-Wandler, die in die USA eingeführt werden. Ob die EU sich anschließt und die Wandler im Bereich der westlichen Industrienationen dann quasi nicht mehr einsetzbar sind, wird die Zukunft zeigen.«
© Traco Power

Sebastian Fischer, Co-CEO und Chief Customer Officer der Traco Power, erläutert, wie sein Unternehmen Anwendern helfen will, die von der US-Sanktionsentscheidung gegen den Mitbewerber Mornsun betroffen sind, und wie Traco alles versucht, um Sanktionsvorschriften einzuhalten.

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Markt&Technik: Herr Fischer, vor zwei Wochen tauchte der chinesische Stromversorgungshersteller Mornsun erstmals auf der Sanktionsliste des US-Außenministeriums auf. Der Grund: Seine Wandler wurden in Waffentechnik gefunden, die Russland für seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine verwendet. Was ist seither am Stromversorgungsmarkt passiert?

Sebastian Fischer: Seit dem Bekanntwerden der Sanktionen wird in der Branche heiß diskutiert. Stromversorgungswandler sind zwar nur eine Komponente von vielen auf der Leiterplatte, aber sie haben entscheidende Relevanz, ohne sie geht gar nichts! Wenn es hier zu Problemen kommt, kann das erhebliche Auswirkungen auf die Lieferfähigkeit des Endgeräts haben, in das die Stromversorgung eingebaut ist. Es geht nun also vor allem darum: Wie finde ich lieferfähige Alternative zu meinem bisher verwendeten Wandler?

Wie stark sind Ihrer Einschätzung nach europäische Unternehmen davon betroffen, dass Mornsun-Produkte seit dem 1. Mai fast nicht mehr über die Distribution erhältlich sind? Worauf müssen Kunden nun besonders achten?

Nach unserem Verständnis betreffen die Sanktionen aktuell ausschließlich den US-Markt. Es kann natürlich sein, dass sich die EU zeitnah dieser Sanktion anschließt. Ob und wann das geschieht, ist für uns derzeit nicht absehbar. Auch wenn die Sanktionen vorerst nur für den US-Markt gelten, würde ich doch von einem scharfen Schwert sprechen, denn es betrifft ja auch den Zahlungsverkehr. Wenn ich Produkte eines sanktionierten Herstellers kaufe oder mit ihnen handle, muss ich den Zahlungsverkehr dazu typischerweise über internationale Banken abwickeln, und die Banken sind bei Sanktionen hoch sensibilisiert, sie wollen wegen solcher Geschäfte nicht selbst ins Fadenkreuz von US-Behörden geraten.

Sie gehen offenbar proaktiv mit der Tatsache um, dass Mornsun auf der US-Sanktionsliste gelandet ist. Keine moralischen Bedenken, die missliche Lage eines Wettbewerbers in der Form auszunutzen?

Moral ist für uns als Unternehmen mit 80-jähriger Geschichte immer ein Kriterium! Ich würde darum sagen, wir gehen das Problem im besten Sinne mit schweizerischer Zurückhaltung an. Die Information über die Sanktion kam nicht über uns, sondern über die Presse und Websites an die Öffentlichkeit. Seither werden wir mit Fragen bombardiert. Und das dürfte erst der Anfang sein, noch breitet sich die Information ja aus, die Unternehmen müssen prüfen, ob sie von den Auswirkungen dieser Sanktionsmaßnahme betroffen sind, und sich dann gegebenenfalls um eine Lösung des Problems kümmern.

Mornsun war nach Aussagen aus der Branche in den letzten Jahren durchaus für einen robusten Umgang mit dem Wettbewerb bekannt. Könnte Ihre aktive Reaktion auf die jetzige Situation darum als Retourkutsche aufgefasst werden?

Es geht hier ja nicht um Animositäten, wir pflegen als Traco Power ein konstruktives und offenes Verhältnis zu allen Marktteilnehmern. Wir sind Profis, und wenn wir nicht auf Fragen vonseiten der Kunden reagieren, dann ist damit ja auch niemandem geholfen!

Zur konkreten Problemlösung – wie können Sie aktuell Kunden, die von den Sanktionsauswirkungen betroffen sind, unterstützen? Können Sie innerhalb von 48 Stunden ein Alternativ-Produkt zu einem Mornsun-Wandler liefern?

So einfach wird das häufig nicht sein, es geht ja nicht nur darum, ein von den mechanischen Abmessungen, den Ein- und Ausgangsspannungen sowie der gewünschten Ausgangsleistung her passendes Produkt zu finden, sondern um ein ganzes Paket an weiteren technischen Parametern, die für die konkrete Applikation ebenfalls relevant sein können. Und die Alternative muss aktuell verfügbar sein.

Mornsun war für sehr wettbewerbsfähige Angebote bekannt, die Kunden dürften sich darauf einstellen müssen, dass die Alternative kostspieliger sein dürfte.

Ich denke, der Preis dürfte in der aktuellen Situation bei den Kunden in den Hintergrund treten. Viel wichtiger dürfte jetzt ein schneller Design-in-Support sein, der dem Kunden die Sicherheit vermittelt, die passende Lösung für sein Problem gefunden zu haben. Klar ist aber auch: Hohe Verfügbarkeit, das dürfte allen nach den Erfahrungen der Pandemiezeit klar sein, hat eben auch ihren Preis, schließlich stehen da auch die entsprechenden Logistikvereinbarungen im Hintergrund.

Gehen Sie davon aus, dass die wohl jetzt in vielen Fällen erzwungene »Neuorientierung« der Kunden nachhaltig sein wird?

Wir stellen ja nur eine Lösungsmöglichkeit dar, es gibt zahlreiche Alternativen. Unsere Kunden sind informierte Marktteilnehmer. Jeder, der in diesem Markt und dieser Branche tätig ist, muss sich gegenüber dem Kunden immer wieder beweisen. Vor diesem Hintergrund hoffen wir, für Kunden, die wir nun neu gewinnen können, auch in Zukunft dann der richtige Partner zu sein.

Bekanntlich werden die Überreste von Raketen, Drohnen und anderen militärischen Geräten, die Russland für seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine nutzt, intensiv von ukrainischen Teams untersucht. Was tun Sie, um Ihrerseits Verstöße gegen Sanktionen zu vermeiden?

Unser erster Schritt war zu Beginn dieses Krieges und der Bekanntgabe der Sanktionen ab dem 28. Februar 2022, alle unsere Geschäfte mit Russland unverzüglich zu stoppen. Für uns ein Schritt, der umsatztechnisch durchaus zu bemerken war, Russlands Anteil am Gesamtumsatz war im hohen einstelligen Prozentbereich. Zudem haben wir auch die Möglichkeit unterbunden, Drittgeschäfte über Ausweichrouten mit unseren Produkten zu tätigen. Und wir stellen Industrie-Wandler her, keine Dual-Use- oder gar Militärtechnik-Produkte! Aber die aktuelle Entwicklung zeigt eben auch, wie schnell das gehen kann, dass man auf einer Sanktionsliste landen kann, wenn man nicht eine entsprechende Embargo-Policy verfolgt. Wir analysieren unsere Geschäftspartner und stehen im regelmäßigen Austausch. Kriminelle Handlungen, wenn beispielsweise Fälschungen mit unserem Logo nach Russland kämen, können aber natürlich auch wir nicht unterbinden.

Spätestens durch die Ereignisse während der Covid-19-Pandemie ist das Konzept Second Source fast allgegenwärtig. Wie lange dauert es im Allgemeinen, Ihre Produkte in einem solchen Prozess freizugeben – Tage, Wochen, Monate?

Eine schnelle Lösung wird es wohl in den seltensten Fällen geben. Ein schlichter Datenblattvergleich ist einfach zu risikobehaftet! Entscheidend ist letztlich: Funktionieren die Alternativ-Produkte in der Applikation? Natürlich freuen wir uns über schnelle Entscheidungen unserer Kunden, aber in machen Fällen, etwa wenn es um Medizintechnik geht, sind oftmals noch externe Prüfungen notwendig. Wenn ich alle notwendigen Schritte im Haus durchführen kann, kann ich den Zeitraum sicherlich verkürzen.

Häufig werden ja nicht nur Standardwandler, sondern kundenspezifisch modifizierte Produkte eingesetzt. Könnten Sie auch hier helfen? Sind Kunden wegen solcher Fragen bereits an Sie herangetreten?

Nein, bezüglich kundenspezifisch modifizierter Produkte hatten wir bislang noch keine Anfragen. Die Frage ist natürlich: Worüber sprechen wir? Einfach einen Steckverbinder auszutauschen, der an einem Wandler angebracht ist, dürfte einfacher sein als andere Modifizierungen. Aber speziell wenn es um solche kundenspezifischen Modifikationen geht, werden im Allgemeinen erst einmal A-, B- und C-Muster angefertigt, bevor das Produkt dann in die Serienproduktion geht. Das mag in der aktuellen Situation mit dem Feedback des Kunden alles etwas schneller gehen, aber im Bereich kundenspezifisch modifizierter Wandler, denke ich, sprechen wir eher über Monate als über Wochen.

Mit der abschließenden Freigabe ist es ja noch nicht getan, es müssen auch die entsprechenden Fertigungskapazitäten zur Verfügung stehen, um kurzfristig auftretenden Bedarfsspitzen abdecken zu können. Wäre das für Traco Power kein Problem?

Da die Bedarfsentwicklung in der Branche in den letzten Monaten eher zurückhaltend war, sich gleichzeitig aber die Lieferzeiten für viele benötigte Bauteile reduziert haben, wird es, Stand heute, kein Problem sein, zusätzliche Produktionskapazitäten zur Verfügung zu stellen, wir fertigen derzeit sicherlich nicht am Limit! Wenn es um Standardprodukte geht, verfügen wir zudem über große Lagerbestände, die es uns erlauben, auch kräftige, kurzfristige Auftragssteigerungen über unser Lager zu puffern.

Offensichtlich hat Mornsun das Risiko seines Russlandgeschäfts falsch eingeschätzt. Traco Power bezieht auch Wandler aus Fertigungen in Taiwan. Unter dem Gesichtspunkt Risk-Management, wie sicher sind mittelfristig diese Fertigungsstandorte unter geopolitischen Gesichtspunkten?

Jedes Unternehmen sollte das Thema Taiwan als Teil seines Risk-Managements auf dem Schirm haben! Wir setzen ganz klar auf Derisking, nicht auf Decoupling. Wir haben uns als Unternehmen auf die verschiedensten Szenarien, auch auf den Worst Case, vorbereitet, aber ich befürchte, im Worst Case wird die Versorgung mit Komponenten und Subsystemen aus Taiwan zu unseren geringsten Sorgen zählen.

Abschließend, welche Lehren lassen sich aus diesem bislang einmaligen Fall ziehen?

Compliance-Management ist eine notwendige Aufgabe! Da sie aufwendig und kostenintensiv ist, fällt das größeren Unternehmen mit Sicherheit leichter als dem berühmten Mittelständler. Um den notwendigen Aufwand zu reduzieren, sollte man deshalb auch über eine Lieferantenreduzierung sowie über den Einsatz von Modulen anstelle des Aufbaus diskreter Lösungen nachdenken, auch das reduziert den Aufwand. Eine entsprechende Optimierung der Lieferkette steigert sicher die Verfügbarkeit.

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