Seit Mitte August ist die Mornsun Power GmbH in der Insolvenz. Geschäftsführer Rolf Aschhoff sah keine Alternative zu dem Schritt.
Der chinesische Mehrheitsanteilseigner Mornsun Guangzhou Science & Technology war nicht nur nicht bereit, seine Anteile an die deutschen Minderheitsaktionäre zu verkaufen, sondern hat seine deutschen Partner am Schluss schlicht geghostet.
Wie konnte es dazu kommen? Im Oktober 2017 eröffnete das 1998 von George Yin gegründete Unternehmen seine Deutschlandniederlassung. Als Minderheitsanteilseigner fungierten dabei einer der bisherigen Distributionspartner in Deutschland, die SE Spezial-Electronic, und Rolf Aschhoff, Vice President Marketing & Sales bei SE Spezial-Electronic und Geschäftsführer der neu gegründeten Firma. Die Geschäfte entwickelten sich gut, zuletzt arbeiteten zehn Mitarbeiter im Vertrieb der deutschen Mornsun Power; für 2023 nennt Aschhoff einen Umsatz von 6 Millionen Euro. Rund 80 Prozent des Umsatzes erzielt das Unternehmen dabei über Distributionspartner wie die für Mornsun paneuropäisch agierende Avnet-Abacus.
Alles ändert sich, als zum 1. Mai dieses Jahres der Mehrheitseigentümer, die chinesische Mornsun Guangzhou, auf der Sanktionsliste des US Außenministeriums auftaucht. Innerhalb kürzester Zeit streichen führende globale Distributoren wie etwa DigiKey das Unternehmen aus ihrem Sortiment. Mornsun wird zum No-Go für Elektronikhersteller, die ihre Produkte in die USA exportieren wollen. Anders als Anfang Mai erwartet schließt sich die Europäische Union jedoch den Sanktionen gegen das chinesische Unternehmen nicht an.
Nach Darstellung von Aschhoff war das chinesische Mutterunternehmen zum Zeitpunkt der Sanktionen ein rund 350 Millionen Dollar schweres Unternehmen, das etwa 80 Prozent seines Umsatzes auf dem Heimatmarkt erzielte. Anstatt die Vorwürfe der USA, die zu den Sanktionen geführt hatten, zu entkräften, entschied sich Mornsun für eine andere Vorgehensweise. Das Unternehmen taucht ab. Die Website der Mornsun Power GmbH wird vom Mehrheitsanteilseigner entfernt. Die letzte Kommunikation findet Ende Juli 2024 statt.
Anfang Juli hatte sich Tiger Li, Director of Overseas Sales bei Mornsun Guangzhou Science & Technology, in einer E-Mail noch folgendermaßen geäußert: »In den letzten Monaten sahen wir uns mit beispiellosen Herausforderungen konfrontiert, die den Betrieb der GmbH stark beeinträchtigt haben. Die schwierigen Umstände haben es unmöglich gemacht, den Betrieb aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus ist der Mehrheitsgesellschafter aufgrund von Widerständen derzeit nicht in der Lage, zusätzliche Mittel oder andere Formen der Unterstützung zur Aufrechterhaltung des Betriebs der Tochtergesellschaft bereitzustellen.«
Danach, so Aschhoff, war das Management der Mehrheitsgesellschafterin weder telefonisch noch schriftlich, per E-Mail oder WeChat erreichbar. Mornsun versuchte, sich den Maßnahmen der Sanktionsliste zu entziehen.
Die Kündigung des Bankkontos vor dem Hintergrund der US-Sanktionen durch die Hausbank und das Ausbleiben von Warenlieferungen führten dann letztlich zur Zahlungsunfähigkeit der Mornsun Power GmbH. Wie SE Spezial-Electronic Ende August mitteilt, hatte sie mit einem Geschäftsanteil von weniger als 20 Prozent keinen Einfluss auf die geschäftlichen Belange von Mornsun Power.
Gleichwohl waren beide Minderheitsanteilseigner, Aschoff als auch SE Spezial-Electronic, an einer Lösung zum Wohle des Unternehmens, der Mitarbeiter und der Kunden interessiert. Ihre Idee zielte darauf ab, die Struktur des Unternehmens und die Kundenkontakte zu erhalten und mit einem neuen Stromversorgungspartner weiterzuarbeiten. Ihre Hoffnungen richteten sich dabei unter anderem auf Gespräche auf der anstehenden electronica im November in München. Wie beide versichern, war die Mehrheitsgesellschafterin aber nicht von einer Lösung in dieser Richtung zu überzeugen.
Stand heute ist, dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter die Geschicke der GmbH führt, dass auf dem Konto des Unternehmens nach Auskunft von Aschhoff ein erheblicher Betrag liegt, dass zahlungswillige Kunden auch hohe Summen nicht mehr an die deutsche Mornsun-Niederlassung überweisen können. Wie Aschhoff weiter erläutert, gibt es zudem für die nächsten Jahre über die Distribution registrierte Mornsun-Projekte im EMEA-Raum, die sich im mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Bereich bewegen.
Auch wenn sich der Mehrheitseigentümer inzwischen quasi in Luft aufgelöst hat, unterzeichnete er noch am 23. April dieses Jahres eine Patronatserklärung für die Mornsun Power GmbH, in der er sich unter anderem dazu verpflichtet, »die Tochtergesellschaft in einer Weise mit Liquidität auszustatten, dass sie stets in der Lage ist, alle ihre Verbindlichkeiten gegenüber Dritten fristgemäß zu erfüllen«. Aktuell behalten sich die Minderheitsgesellschafter vor, eine Schadenersatzklage gegen Mornsun Guangzhou Science & Technology zu prüfen.
Und der chinesische Mehrheitseigentümer? Der setzt sein Geschäft in China unter dem Namen ATAZ Power neu auf. Die Tatsache, dass vor Mitte Mai keine Historie im Internet zu finden ist, wird mit einem massiven Datenverlust erklärt. Wer einen Blick auf die Datenblätter von ATAZ wirft, wird feststellen, dass sie mit Mornsun identisch sind oder, wie Aschhoff anmerkt, »sie wurden eins zu eins kopiert und bei der Typenbezeichnung nur der erste Buchstabe ausgetauscht«. Verwundert zeigt man sich in Stromversorgungskreisen darüber, dass die UL innerhalb kürzester Zeit ein ganzes Portfolio eines ursprünglich sanktionierten Unternehmens neu zertifiziert haben soll. Nach Branchenangaben dauert das sonst Monate.