Puls startet 2025 Produktion in Indien

»Sinkende Netzqualitäten lassen die DC-USV- Nachfrage steigen«

3. Februar 2025, 14:30 Uhr | Engelbert Hopf
Bernhard Erdl, Puls Gruppe: »Welchen Einfluss Trump auf die zukünftige Entwicklung des internationalen Stromversorgungsmarktes hat, wird entscheidend davon abhängen, ob es ihm gelingt, über Zölle etablierte Strukturen zu verschieben.«
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Flexibel auf neue Herausforderungen zu reagieren, ist für Bernhard Erdl, Gründer und CEO der Puls Gruppe, ein Kernelement unternehmerischen Erfolgs.

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Mit zwei Übernahmen innerhalb eines Jahres baut er die Puls-Gruppe aus. Außerdem reagiert er mit dem Aufbau einer Fertigung im südindischen Chennai auf mögliche Auswirkungen der Zollpolitik des neuen US-Präsidenten.

Markt&Technik: Wahrscheinlich gab das Geschäftsjahr 2024 auch bei der Puls Gruppe keinen Anlass zur Freude. Konnten Sie die gesteckten Umsatzziele erreichen? Wie hoch ist der Umsatz der Puls-Gruppe aktuell?

Bernhard Erdl: Auch wir konnten uns der wirtschaftlichen Entwicklung nicht entziehen und mussten einen einstelligen Umsatzrückgang gegenüber 2023 hinnehmen. Unser wichtigster Umsatzträger ist nach wie vor die Automatisierungstechnik. Das gilt sowohl für unser Direktgeschäft als auch für die Umsätze mittels Brand Labeling und Distribution. Mit das auffälligste Wachstum im zweistelligen Bereich wies im Vorjahr das Geschäft im Bereich Wireless Charging auf. Hier entwickelt sich das Geschäft der im Oktober 2023 übernommen Wiferion in der gleichnamigen Business Unit sehr gut.

In Europa dürften 2024 kaum Zuwächse zu vermelden gewesen sein. In welchen Weltregionen konnten Sie 2024 zulegen, und wird der chinesische Heimatmarkt für Ihre dortige Produktion in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen?

Unser Hauptstandbein ist nach wie vor Europa, hier erzielten wir auch im Vorjahr die Hälfte unseres Gesamtumsatzes. Wirklich gut entwickelt haben sich zuletzt die Geschäfte in den USA. Wir bewegen uns hier inzwischen bei einem Anteil von 30 Prozent, und der Umsatzanteil dürfte noch weiter steigen. China und Asien steuerten letztes Jahr etwa 20 Prozent zum Gesamtumsatz der Puls-Gruppe bei. Aktuell würde ich sagen verbleiben 30 Prozent der in China produzierten Stromversorgungen im chinesischen Markt. Wir investieren dort weiter kräftig sowohl in den Ausbau der Fertigungskapazitäten als auch in die Stärkung unserer Marktstellung. Angesichts der Tendenz Chinas, sich immer stärker abzukapseln, ist davon auszugehen, dass der Anteil der Stromversorgungen, die in China verbleiben, in Zukunft noch steigen dürfte.

Ende letzten Jahres sind Sie mit dem Kauf des italienischen Hersteller Adelsystem verstärkt in den DC-USV-Markt eingestiegen. Was waren die Gründe für diesen Schritt?

Angesichts einer wachsenden Dezentralisierung der Stromversorgung nicht nur im Bereich der Industrieelektronik ist der Wunsch der Kunden nach Absicherung gegen Spannungs- und Stromausfälle in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Wir erleben weltweit eine Verschlechterung der Versorgungsnetze. Zwar bieten wir bereits seit Jahren entsprechende DC-USV-Komponenten an, doch Adelsystem ist nach unseren Informationen der einzige Anbieter, der 12-, 24- und 48-V-Geräte im Programm führt. Zudem verfügt das Unternehmen über das derzeit umfangreichste DC-USV-Produktangebot am Markt. Im Rahmen einer Nachfolgeregelung haben wir nun die Möglichkeit zur Übernahme genutzt.

Wie entwickelt sich Ihre letzte Akquisition Wiferion? Konnten Sie bei der Übernahme die Synergien vor allem im Vertrieb nutzen?

Es gibt eine Überschneidung der klassischen Puls-Kundschaft und den Wiferion-Kunden, aber die liegt nicht bei 100 Prozent, sondern eher bei 20 bis 30 Prozent. Das liegt vor allem daran, dass es sich bei Wiferion um ein System und kein Einzelprodukt handelt; das unterscheidet es von unserem klassischen Business. Aber die Zuwachsraten sind überzeugend. Wir beschäftigen inzwischen 15 Mitarbeiter im Bereich Sales und Marketing und bauen dieses Team ebenso wie die R&D-Anstrengungen im Bereich dieser Business Unit 2025 weiter aus.

Kommen wir zu Adelsystem zurück: Sie gewinnen durch die Übernahme Umsatz in Nahen Osten dazu. Ist das eine Region, in der nicht nur Puls bisher zu wenig aktiv war? Woran liegt das, und welche Möglichkeiten bietet dieser Markt?

Wir hatten dort bereits teilweise Geschäft, das vor allem mit der Ölindustrie verbunden ist. Puls war ein typisch süddeutsches Unternehmen, das in den Anfangsjahren stark auf den Maschinenbau konzentriert war. Durch unser Amerikageschäft haben wir uns in der Prozessindustrie etabliert. Das Geschäft im Nahen Osten ist vor allem ein Projektgeschäft. Viele dieser Projekte werden in Indien geplant und dann im Nahen Osten umgesetzt. Adelsystem war hier über einen Distributor sehr gut vernetzt. Wir werden versuchen, das zu intensivieren und unsere Präsenz in diesem Zukunftsmarkt weiter ausbauen.

Natürlich ist der Nahe Osten nicht Afrika, aber wurden beide Märkte nicht in der Vergangenheit von den Europäern zu sehr vernachlässigt? Inzwischen hat sich Afrika Schritt für Schritt zum Rohstofflieferanten und Absatzmarkt für China entwickelt. Lässt sich da noch gegensteuern?

Je nachdem, welches europäische Land Sie nehmen, hat der Blick Europas auf Afrika entweder einen kolonialen Touch oder steht im Fokus der Entwicklungshilfe. China verfolgt dagegen einen rein geschäftlichen Ansatz. China ist in Afrika kolonial unbelastet. Das hat zu Beginn seines Afrikaengagements sicher geholfen, heute wird auch China in Afrika kritischer betrachtet. Als Europäer sollte es unser Interesse sein, einen wichtigen Markt vor unserer Haustür nicht einfach einem systemischen und wirtschaftlichen Wettbewerber zu überlassen. Bisher hatte man im Nahen Osten kein Interesse an chinesischen Produkten, das könnte sich in Zukunft ändern und den Wettbewerbsdruck noch weiter steigern.

Kommen wir zum Thema volle Lager: Sind diese Lager auf Kundenseite inzwischen geleert oder auf Minimalniveau? Was hat dazu geführt, dass man sich in der Dauer des Abschmelzens so verschätzt hat?

Wahrscheinlich liegt es einfach daran, dass man sich nicht an Fundamentaldaten orientiert, sondern lieber das Wachstum der Vergangenheit fortschreibt. Und wenn das passiert, dann wird es schnell exponentiell. Das Hauptproblem ist mangelnde Transparenz. Unsere Kunden verschweigen uns den wahren Lagerbestand. Mit genau dieser Transparenz könnte man aber Missstände oder Fehlentwicklungen früher erkennen und gegensteuern. Wir haben inzwischen begonnen, von großen Kunden Lagerreports anzufordern, um hier gegensteuern zu können. Im Kern geht es um einen psychologischen Effekt: Solange ich mich mit meinen Prognosen und meinem Einkaufverhalten nicht von der Mehrheit am Markt unterscheide, habe ich nichts falsch gemacht und kann damit auch nicht zur Verantwortung gezogen werden.

Auf der Bauelementeebene sollen inzwischen wieder alle Komponenten kurzfristig erhältlich sein. Können Sie das bestätigen, und wie lange könnten Sie liefern, wenn Sie heute die Produktion einstellen müssten?

Im Prinzip sind die Bauelemente heute wieder problemlos im gewohnten Zeitrahmen lieferbar. Das Problem ist nur: Früher gab es, sagen wir, einen Chip, heute gibt es diesen Chip in 20 verschiedenen Gehäusetypen und fünf unterschiedlichen Temperaturbereichen. Es ist diese Vielfalt, die die Bevorratung auf Seiten der Distributoren schwierig macht und die letztlich dazu führt, dass ich immer wieder zu hören bekomme, wir wären die einzigen, die gerade dieses spezielle Bauelement haben wollen. Bezogen auf unser Lager würde ich sagen, momentan könnten wir Kunden drei bis vier Monate aus unserem Lager beliefern. Wir haben zu Beginn des Jahres nach vier Jahren Vorbereitung auf SAP umgestellt, und wir wollten uns einen Sicherheitspuffer schaffen, daher das etwas erhöhte Lager.

Seit Montag letzter Woche ist Donald Trump wieder Präsident der USA. In welcher Form, meinen Sie, wird sein Amtsantritt Auswirkungen zum Beispiel auf den internationalen Stromversorgungsmarkt haben?

Entscheidend dürfte in den nächsten Wochen und Monaten sein, wie weit er es schafft, durch die von ihm angedrohten Zölle etablierte Strukturen am Markt zu verschieben. Welche Folgen wird es haben, wenn er Zölle auf Stromversorgungen aus Europa erhebt, aber keine auf solche aus Taiwan? Zölle werden für Reibungsverluste im Geschäft sorgen. Setzt er sie schnell um, wird man sich kaum darauf vorbereiten können. Er wird damit das Decoupling Chinas vorantreiben. Letztlich fürchte ich, wird er Europa zwingen, die amerikanische Politik mitzutragen und sich gegen China zu stellen. Aus diesem Grund denken derzeit viele über Alternativen, etwa in Indien, nach.

In Ihren eigenen Derisking-Plänen spielte Indien in den letzten zwei Jahren eine große Rolle. Sie haben sich inzwischen für eine Produktion in Indien entschieden? Wäre ein Werk in den USA oder im NAFTA-Raum eine Alternative?

Nein, eine Fertigung in den USA oder im NAFTA-Raum wäre für uns keine Alternative. Uns würde dort die notwendige Zulieferindustrie fehlen, ein Ökosystem. Aus diesem Grund haben wir uns inzwischen zusammen mit einem Fertigungsdienstleister für den Aufbau einer Produktion in Chennai entschieden, einem bekannten Elektronik-Hub in Südindien. Wir sind derzeit dabei, dort einen lokalen Standort mit etwa 30 bis 50 Mitarbeitern aufzubauen, die sich um Themen wie Materiallogistik und Qualitätssicherung kümmern. Es wird entscheidend für den Erfolg sein, dass wir das in den eigenen Händen haben. Der Fertigungsdienstleister wird sich ausschließlich um die Produktion kümmern. Zu Beginn werden wir die Piano-Produktlinie in Indien fertigen. Wenn alles nach Plan läuft, beginnen wir dort noch Ende dieses Jahres mit der Produktion.

Sie investieren also im Ausland. Folgt Puls damit dem Trend des Stellenabbaus in Deutschland und Europa und der Verlagerung in andere Regionen der Welt?

Nein, wir entlassen hier ganz sicher keine Mitarbeiter. Es war schließlich in den letzten Jahren schwierig genug, qualifizierte Kräfte an Bord zu holen. Ich muss aber zugeben, dass es uns heute leichter fällt qualifizierte Mitarbeiter zu finden als noch vor einem Jahr.

Kommen wir zur deutschen Politik. Ist aus unternehmerischer Sicht mit spürbaren Veränderungen nach der Bundestagswahl zu rechnen? Wo wären Veränderungen am notwendigsten?

Der Abbau von vollkommen unsinnigen Reportinganforderungen, bei denen sich alle Unternehmen gegenseitig Fragebogen zuschicken, ohne wirklich etwas zu verbessern, würde Ressourcen für sinnvolle Veränderungen freisetzen. Insgesamt sind der Bürokratieabbau, die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, die Verbesserung des Schulsystems und eine an wirtschaftlichen Effizienzkriterien ausgerichtete Energiewende die wichtigsten Themen. Aber ich befürchte, dass auch eine neue Regierung dazu hauptsächlich Pläne und wenig Maßnahmen produzieren wird.

Sie haben Puls vor über 40 Jahren gegründet. Wie wird sich das Unternehmen weiter entwickeln? Werden Sie es über dieses Jahrzehnt hinaus weiterführen?

Die Puls wird ihren Genen, die Umwandlung elektrischer Energie mit hohem Wirkungsgrad und hoher Zuverlässigkeit, treu bleiben. Das Produktspektrum wird sich in diesem Rahmen weiterentwickeln. Ich persönlich fühle mich noch sehr frisch und leistungsfähig. Dessen ungeachtet sind wir dabei, ein größeres Managementteam zu meiner Entlastung aufzubauen, sodass in einigen Jahren das operative Tagesgeschäft mich nicht mehr benötigt und ich mich mehr auf strategische Aufgaben und Architekturen in einem Aufsichtsrat konzentrieren kann.

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