Nach Jahren des Wachstums plötzlich Bremsspuren. Eine sinkende Nachfrage nach E-Autos verbunden mit sich verschlechternden Wirtschaftsaussichten bescherte der Leistungshalbleiterbranche drei Quartale in Folge sinkende Umsätze. Seit dem 3. Quartal 2024 scheint das Wachstum nun zurückzukehren.
Nach dem Ausbruch von Covid-19 im Jahr 2020 hatte die Leistungshalbleiterindustrie einen außergewöhnlich starken Lauf. So stieg der Jahresumsatz des Leistungshalbleitermarktes, der nach der Definition von Omdia Leistungs-ICs, diskrete Bauelemente und Module umfasst, von 45,7 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 auf 72,8 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023. Eine gängige Antwort auf die Frage, wie das Geschäft im Jahr 2024 laufen wird, lautete jedoch in etwa: »schwierig«.
Diese unglaubliche Wachstumsperiode zu Beginn des Jahrzehnts war auf einen perfekten Sturm für die Leistungshalbleiterindustrie zurückzuführen. 2020 war ein unterdrücktes Jahr aufgrund der Pandemie, die zunächst zu Unsicherheit und Unterbrechungen der Lieferkette führte. Die Verlagerung zur Heimarbeit und der Wunsch nach besseren Home-Entertainment-Systemen kurbelten jedoch die Nachfrage an.
Dies war ein kurzfristiger Aufschwung, führte aber zu einer unvermeidlichen Flaute, sobald die Verbraucher keine Produkte mehr hatten, die sie auffrischen mussten; Sektoren, die stärker von diesen Anwendungsbereichen abhängig waren, mussten 2022 Umsatzeinbußen hinnehmen, als sich das Marktgleichgewicht verschob. Leistungshalbleiter sind jedoch viel stärker vom Automobil- und Industriesektor abhängig und hatten daher zusätzliche Entwicklungen, die ihnen halfen, diesem vorherrschenden Trend entgegenzuwirken.
Im Industriesektor förderten höhere Energiepreise Investitionen in grüne Energie, Netzinfrastrukturen und effizientere Produkte für den kommerziellen Betrieb, während im Automobilsektor die Umstellung auf Elektrofahrzeuge an Fahrt aufnahm und einen schnell wachsenden Markt mit äußerst wertvollen Produkten schuf.
All diese Faktoren führten dazu, dass die Leistungshalbleiter entgegen dem allgemeinen Branchentrend in allen Quartalen zwischen Anfang 2020 und dem dritten Quartal 2023 ein Wachstum verzeichneten, mit einer Ausnahme. So stieg der Jahresumsatz im Jahr 2021 um 37,1 Prozent und im Jahr 2022 um 9,9 Prozent. Im Jahr 2023 dann ging dieses Wachstum auf einen jährlichen Umsatzanstieg von 5,9 Prozent zurück. So wuchsen die beiden größten Produkttypen, Leistungs-ICs und diskrete Bauelemente, um 1,8 beziehungsweise 4,7 Prozent, während Module, die 15 Prozent des Marktes ausmachen, um 27,1 Prozent zulegten.
Aufgrund der höheren Leistungsdichte und der verbesserten Integration scheint sich die Branche immer mehr auf Module zu verlagern. Ein Schlüsselfaktor für diese Verlagerung war der Markt für Elektrofahrzeuge, insbesondere für Siliziumkarbid. Im Jahr 2023 wuchs der Markt für Hybrid- und Elektrofahrzeug-Antriebsstränge um 57 Prozent, während der Siliziumkarbidmarkt um 59 Prozent wuchs. Um mit der erwarteten Nachfrage Schritt zu halten, haben die Zulieferer ihre Kapazitäten aggressiv erweitert. Onsemi war einer der Hauptakteure bei dieser Verschiebung und steigerte seinen Umsatz mit Siliziumkarbid von 170 Millionen Dollar auf 800 Millionen Dollar.
Jedoch wies dann das letzte Quartal 2023 ein negatives Umsatzwachstum auf, was darauf hindeutet, dass der Schwung möglicherweise nachlässt. So begann sich der Markt für Elektrofahrzeuge abzuschwächen, da Bedenken hinsichtlich der Infrastruktur aufkamen, die Preise nicht in einem akzeptablen Tempo gesenkt werden konnten und eine Flut von Gebrauchtfahrzeugen auf den Markt kam, nachdem die Leasing- und Finanzierungsangebote nach dem anfänglichen Anstieg um die Jahrzehntwende ausgelaufen waren. In der Folge gingen die Umsätze drei Quartale in Folge zurück, was seit 2005 nicht mehr vorgekommen ist (die Nachwirkungen der Finanzkrise von 2009 waren zwar schärfer, aber kürzer).
Durch die Auswirkungen der nachlassenden Nachfrage nach Elektrofahrzeugen in Verbindung mit den sich verschlechternden globalen Wirtschaftsaussichten, der geopolitischen Unsicherheit und der restriktiven Geldpolitik, die den Zugang zu Kapital erschwert hat, gestaltete sich das Bild für Leistungshalbleiter weit weniger rosig als noch im selben Zeitraum des letzten Jahres. Viele Hersteller hatten überschüssige Lagerbestände und waren gezwungen, den Betrieb ihrer Anlagen zu reduzieren, wo immer dies möglich war, entweder durch Zwangsabschaltungen oder durch verlängerte Wartungszeiten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es sehr wahrscheinlich, dass 2024 das erste Jahr mit einem negativen jährlichen Umsatzwachstum seit 2019 sein wird.
Wie geht es mit der Branche also weiter? Omdia prognostiziert, dass das 3. Quartal 2024 eine Rückkehr zum Wachstum mit sich bringen wird, da die notwendige Branchenkorrektur weitgehend abgeschlossen ist. Auch gehen die Investitionen in Siliziumkarbidanlagen zügig weiter, was darauf hindeutet, dass dieser Sektor weiterhin ein Wachstumssektor bleiben wird. Omdia stimmt zu, dass die Abschwächung des Marktes für Elektrofahrzeuge nur ein kurzfristiger Effekt ist und der langfristige Trend weiterhin positiv ist. Wir gehen davon aus, dass Siliziumkarbid weiterhin Marktanteile gewinnen wird, aber auch, dass OEMs und Tier-Ones einen differenzierteren Ansatz bei der Verwendung von Siliziumkarbid verfolgen werden, indem sie MOSFETs aus Siliziumkarbid mit Si-IGBTs kombinieren, um ein optimales Design für das gesamte Einsatzprofil eines typischen Fahrzeugs zu bieten.
Leistungshalbleiter brauchen jedoch mehr als nur Elektrofahrzeuge. Auch der KI-Boom wird für die Hersteller von Leistungshalbleitern sicher Früchte tragen. Schließlich verbrauchen die Chips, die zum Trainieren von KI-Modellen verwendet werden, immer mehr Strom, was sowohl die finanziellen als auch die ökologischen Kosten für den Betrieb von Rechenzentren erhöht. Dies wird die Betreiber von Rechenzentren dazu zwingen, in leistungsfähigere Stromversorgungen zu investieren, und Galliumnitrid hat in diesem Markt bereits Fuß gefasst. Die Verwendung von Galliumnitrid ermöglicht eine effizientere Stromumwandlung, was die Betriebskosten senkt, und das bei einer geringeren Stellfläche, was die Menge an Rechenkapazität erhöht, die in einem bestimmten Serverschrank untergebracht werden kann.
Die Tatsache, dass Rechenzentren mit eigenen Kernkraftwerken ernsthaft diskutiert werden, zeigt, wohin die Reise geht, und könnte darauf hindeuten, dass das Leistungsniveau einen Punkt erreichen könnte, an dem Siliziumkarbid das bevorzugte Material ist. Infineons Entscheidung, einen 400-V-SiC-MOSFET für Rechenzentren auf den Markt zu bringen, steht im Einklang mit dieser Vision. Jedoch erstrecken sich die Herausforderungen in Bezug auf den hohen Stromverbrauch auch auf die Architektur auf Leiterplattenebene, wo eine effektive und effiziente Stromführung von entscheidender Bedeutung sein wird und Halbleiter mit breiter Bandlücke auch hier hervorragend aufgestellt sind.
Außerhalb des Rechenzentrums hofft man, dass die KI die Verbraucher dazu anregen wird, ihre Technologie in einer ganzen Reihe von Bereichen zu erneuern. Zunächst scheinen Smartphones und PCs die offensichtliche Wahl für Upgrades zu sein, aber die Aussicht auf die Integration von KI in Geräte in allen Bereichen unseres Lebens wie etwa Fernsehgeräte, intelligente Lautsprecher und sogar große Haushaltsgeräte zeichnet sich immer deutlicher ab. Diese »Edge-Inference« wird ein verbessertes Energiemanagement erfordern, aber die größere Auswirkung wird wahrscheinlich nur darin bestehen, dass die Verbraucher ermutigt werden, neue Geräte zu kaufen, bevor sie es sonst vielleicht getan hätten, was dem gesamten Markt einen allgemeinen Schub geben wird. Während die Investitionen in die Rechenzentren bereits jetzt getätigt werden, hängt diese sekundäre Auswirkung auf die Verbrauchertechnologie davon ab, dass die KI auf eine Weise auf den Markt gebracht wird, die sowohl praktisch als auch wertvoll für den Benutzer ist. Es ist klar, dass das Potenzial vorhanden ist, aber es bleibt bisher eine Hypothese.
Auch wenn sich das Jahr 2024 bisher als Herausforderung erwiesen hat, gibt es für die Leistungshalbleiterindustrie doch auch zahlreiche neue Chancen. So bedeutet die Kombination aus neuen Technologien und Anwendungen, dass es viel Spielraum für Innovationen gibt, und dies bietet die Möglichkeit, den Status quo zu verändern. Zu den Gewinnern der neuen Ära der Leistungshalbleiter werden darum diejenigen zählen, die die neuen Wachstumsmärkte als Erste erkennen, Produkte dafür entwickeln, die in diese neuen Anwendungsbereiche passen, und damit ihre Wachstumschancen für die Zukunft offensiv nutzen.