Leistungshalbleiter-Markt

»Das Marktwachstum geht deutlich zurück«

20. Oktober 2022, 14:30 Uhr | Engelbert Hopf
Richard Eden, Omdia: »Wir gehen davon aus, dass sich unter dem Eindruck der veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen das Wachstum des Leistungshalbleitermarktes 2023 auf 4 Prozent abschwächt.«
© IHS Markit Technology

Nachholeffekte sorgten 2021 für ein Marktwachstum des Leistungshalbleitermarktes um fast 29 Prozent. Nach 9 Prozent in diesem Jahr rechnet Marktforscher Richard Eden, Senior Principal Analyst für Leistungshalbleiter bei Omdia, mit einer weiteren Abschwächung des Marktwachstums 2023 auf 4 Prozent.

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Markt&Technik: Nach wie vor ist die Nachfrage nach Leistungshalbleitern hoch. Wie beurteilt Omdia die aktuelle Marktsituation nach dem Ende des 3. Quartals? Erwarten Sie bis Ende 2022 noch wesentliche Veränderungen?

Richard Eden: Omdia geht davon aus, dass sich das Wachstum des Leistungshalbleitermarktes im laufenden Geschäftsjahr im Vergleich zum Jahr 2021 verlangsamen wird. Konkret bedeutet das: Der Umsatz mit Leistungshalbleitern wächst zwar immer noch, aber er tut das deutlich langsamer als noch vor einem Jahr.

Können Sie eine Prognose für den Gesamtumsatz der Leistungshalbleiterindustrie im Jahr 2022 geben? Wie hoch wird das Wachstum gegenüber 2021 Ihrer Einschätzung nach noch ausfallen?

In unserem kürzlich veröffentlichten Omdia Power Discrete and Module Market Tracker gehen wir davon aus, dass der Gesamtumsatz mit diskreten Leistungshalbleitern und Leistungsmodulen, also ohne Leistungs-ICs, im Jahr 2021 knapp über 27,0 Milliarden US-Dollar lag. Für dieses Jahr gehen unsere Marktforscher von einem zu erwartenden Gesamtumsatz von knapp über 29,5 Milliarden US-Dollar aus. Das würde einem Anstieg von etwa 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entsprechen. Vergleicht man das mit dem Anstieg des Gesamtumsatzes im Jahr 2021 gegenüber dem Jahr 2020, dann betrug dieser fast 29 Prozent.

Wie schätzen Sie die Umsatzerwartungen der Leistungshalbleiterindustrie für 2023 ein? Rechnen Sie als Analyst mit einem rezessionsbedingten weltweiten Rückgang des Leistungshalbleitermarktes?

Wir gehen bislang davon aus, dass der Umsatz mit Leistungshalbleitern im Jahr 2023 immer noch wachsen wird, allerdings langsamer als in diesem Jahr. Aus diesem Grund erwarten wir auf heutiger Basis für 2023 ein Gesamtumsatzvolumen von knapp 31 Milliarden US-Dollar. Dies würde einem Anstieg gegenüber 2022 von etwa 4 Prozent entsprechen. Wir gehen in diesem Zusammenhang davon aus, dass die prognostizierte Verlangsamung sehr wahrscheinlich auf die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zurückzuführen ist.

In welchem Produktsegment sehen Sie aktuell die größten Probleme in Bezug auf Lieferzeiten und Liefertreue im Leistungshalbleiterbereich: MOSFETs, IGBTs, Dioden?

Als Omdia verfolgen wir die Lieferzeiten der Bauelemente nicht routinemäßig, sodass ich dazu nichts sagen kann.

Wie sehen Sie die Preisentwicklung im Bereich der Leistungshalbleiter? Mir werden von Herstellern und Distributoren Werte zwischen 5 und 15 Prozent für 2022 genannt. Konnten Sie ähnliche Werte ermitteln?

Auch hier gilt, wir verfolgen als Marktforschungsinstitut die Entwicklung der Durchschnittspreise in der Branche nicht routinemäßig in Echtzeit, darum kann ich auch dazu leider nichts sagen.

In den letzten Monaten hat sich die Position des Euro gegenüber dem Dollar verschlechtert. Inzwischen hat der Euro historische Tiefststände erreicht. Bedeutet das, dass die Preise für Leistungshalbleiter aus den USA und Asien für europäische/deutsche Anwender in diesem Jahr weiter steigen werden?

Fakt ist, der Wert der Euro-Währung ist gegenüber den Währungen praktisch aller wichtigen Halbleiterproduktionsgebiete mit Ausnahme Japans gesunken. Es ist davon auszugehen, dass die Preise für Halbleiter aus den meisten asiatischen Ländern mit Ausnahme Japans steigen werden. Der Grund dafür: Im Jahr 2022 hat der japanische Yen gegenüber dem US-Dollar sogar noch schneller an Wert verloren als der Euro.

Weltweit werden derzeit etwa 42 Halbleiterfabriken gebaut. Ein großer Teil davon ist für Leistungshalbleiter bestimmt. Wann rechnen Sie damit, dass die Kapazität dieser neuen Fabriken dem Markt tatsächlich zur Verfügung stehen wird? 2023, 2024 oder erst 2025 und später?

Meiner Erfahrung nach wird die Entscheidung, neue Halbleiterfabriken zu bauen, dann getroffen, wenn die Lieferengpässe am größten sind. Aber die Zeit für den Bau und die Inbetriebnahme dieser neuen Fabriken kann länger dauern als die Zeit, in der die zusätzlichen Kapazitäten benötigt werden. Im Rückblick waren die Versorgungsengpässe wahrscheinlich Ende 2020 am größten, als sich der Markt von der Coronavirus-Pandemie erholte. Ich gehe deshalb davon aus, dass die meisten dieser neuen Fabriken erst im Jahr 2023 zusätzliche Produktionskapazitäten bereitstellen werden können.

Wolfspeed hat kürzlich angekündigt, dass das Unternehmen bis 2030 insgesamt 5 Milliarden US-Dollar in den Produktionsausbau stecken wird. Haben Sie aktuelle Informationen über die aktuelle Größe des SiC-Marktes im Jahr 2022? Welches Umsatzwachstum erwartet Omdia im SiC-Geschäft in den nächsten Jahren?

Omdia schätzt, dass der Markt für diskrete SiC-Bauelemente, also SiC-Gleichrichter und SiC-Leistungstransistoren, im Jahr 2021 bei einem Wert von knapp über 1,0 Milliarde US-Dollar lag. Wir gehen davon aus, dass der Wert dieses Marktes im Jahr 2022 bei fast 1,1 Milliarden US-Dollar liegen wird. Unsere Prognosen deuten aber darauf hin, dass die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate, CAGR, steigen wird, und der SiC-Markt darum in Zukunft immer schneller wachsen wird als der allgemeine Markt für diskrete Leistungshalbleiter.

Welche Bedeutung hat der Automobil- und Fahrzeugsektor für SiC heute und welche Bedeutung wird er voraussichtlich 2025/2030 haben?

Wir beobachten bei Omdia den Markt für Hybrid- und Elektrofahrzeug-Antriebssysteme, kurz: HEv, getrennt vom übrigen Automobilelektronikmarkt. Im Jahr 2021 machten alle diskreten Leistungshalbleiter für die Automobilindustrie fast 32 Prozent des Gesamtmarktes aus und sind damit die größte Kategorie des Sektors. Wir gehen davon aus, dass das rasante Wachstum von Hybrid- und Elektrofahrzeug-Antriebssystemen bis 2026 dazu führen wird, dass alle diskreten Leistungshalbleiter für die Automobilbranche einen Anteil von 34 Prozent am Gesamtmarkt erreichen werden. Gleichzeitig erwarten wir, dass alle Kategorien des Industriesektors zusammen die Automobilbranche überholt haben werden und einen Anteil von 36 Prozent des Gesamtmarkts erreichen werden. Ich weise aber darauf hin, dass diese Schätzungen keine Leistungsmodule oder Leistungs-ICs beinhalten.

Mit Halfbridges dringen die ersten GaN-Hersteller nun auch in industrielle Anwendungen bis 600 W vor. Wie sieht Omdia die aktuelle Entwicklung im GaN-Bereich? Welches Umsatzvolumen erwarten Sie für das Jahr 2023?

Im Rahmen des Omdia Power Discrete and Module Market Tracker beobachten wir nur die Entwicklung im Bereich GaN-Leistungstransistoren, nicht die der GaN-ICs. Basierend auf dieser Unterscheidung schätzen wir, dass der Markt für GaN-Leistungstransistoren im Jahr 2021 einen Wert von über 60 Millionen US-Dollar hatte, und prognostizieren, dass er bis 2026 auf ein Umsatzvolumen von fast 110 Millionen Dollar ansteigen wird. In unserem letzten Bericht, der GaN-ICs separat einbezieht, schätzten wir deren Wert im Jahr 2021 etwas geringer ein als den von GaN-Leistungstransistoren, aber sie würden schneller wachsen und im Jahr 2026 mehr als 400 Millionen Dollar erreichen. Aus unserer Sicht als Marktforscher ist es sehr schwierig, den GaN-Leistungshalbleitermarkt genau zu prognostizieren, da nur sehr wenige Anbieter verlässliche Daten zur Umsatzentwicklung veröffentlichen.
 


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