Angesichts wachsender Lager und Problemen der Endkunden im Abverkauf ihrer Produkte, weil dort immer noch wichtige Bauelemente fehlen, halten sich Stromversorgungskunden mit ihren Folgeaufträgen zurück. Das, warnen Stromversorgungs-Distributoren, könnte in einem Jahr zu Allokationsproblemen führen.
Was tun asiatische Stromversorgungshersteller, wenn die Folgeaufträge ausbleiben und ihre Fertigungsauslastung auf 70 Prozent oder weniger fällt? Entlassungen sind riskant, da klar ist, dass die Nachfrage im nächsten Jahr wieder steigen wird. Im schlimmsten Fall ziehe der Markt wieder an, wenn das Personal abgebaut ist, und in dem Moment werde Manpower benötigt, die dann nicht da, befürchtet Frank Stocker, Field Application Engineer Power Supplies bei Schukat electronic, im Rahmen des Forums Stromversorgungs-Distribution der Markt&Technik.
Genau aus diesem Grund warnt Jörg Traum, Geschäftsführer der Emtron, dass im 4. Quartal 2024 wieder eine Allokation drohen könnte. Seine Warnung gilt dabei speziell jenen Kunden, die angesichts der aktuell höheren Verfügbarkeit von langfristigerer Planung wieder auf kurzfristige Planung umstellen. »Das hat natürlich Konsequenzen für unsere Fertigungspartner«, so Traum, »die fahren ihre Fertigung zurück, die Lager werden abgebaut, und dann läuft wieder diese Welle, denn die Bedarfe steigen ja nächstes Jahr wieder«. Das Problem sei, so Traum, »wenn die Produktion erst mal runtergefahren ist, bekommt man sie auch nicht wieder so schnell hoch«.
Wo liegt das Problem, warum laufen die Lager voll? »Wir alle haben unseren Kunden in der Ausnahmesituation der Pandemie längere Planungshorizonte empfohlen, um für Planungssicherheit sorgen zu können«, so Stocker, nun treffen diese Bestellungen ein und sorgen bei den Kunden für sich füllende Lager. »Wir bekommen immer wieder von Kunden zu hören, dass genau noch ein entscheidendes Bauteil fehlt und sie deshalb ihr Endprodukt nicht fertigstellen können«, so Jochen Krause, Product Line Manager Power Supplies bei der Hy-Line Group. »Sie sagen, zwischen dem, was sie ausliefern können, und dem, was sich am Lager anhäuft, wird das Gap zu groß, deshalb müssten sie jetzt stornieren.« Die Logik dabei: Wenn ich jetzt das, was weit hinten liegt, storniere, bekomme ich die Verbindlichkeiten aus den Büchern raus.
Im Prinzip nachvollziehbar, »doch die Ware wurde ja bestellt, bezahlt, produziert, und jetzt ist sie da«, so Traum. »Wenn jemand mit einem Stornierungswunsch auf uns zukommt, unterliegt das einer Einzelfallprüfung.« Ein Vorgehen, das auch bei den anderen Forumsteilnehmern an der Tagesordnung ist. Keiner hat ein Interesse daran, dass die Kunden ihre Cash-Flow-Probleme auf die Distribution abwälzen. »Die Lösung heißt dann Weiterreichung von Lagerzinsen«, so Traum, »schließlich müssen wir uns zum Teil nach externen Lagerlösungen umsehen, und da zahlt der Kunden dann den Palettenplatz«. Krause unterstreicht noch einmal, dass er das für ein vorübergehendes Problem hält: »Ich glaube nicht, dass wir das Backlog, das sich bei uns aufbaut, nicht abverkauft bekommen, die entscheidende Frage ist aber: Wie lange zieht sich das?«
Die Distributoren sind sich einig, dass es weiter bei langfristigen Planungshorizonten bleiben sollte; Traum fasst zusammen: »Da sind wir weiterhin auf eine enge Zusammenarbeit mit unseren Kunden angewiesen, auch um klar zu machen, was passiert, wenn man aus dieser langfristigen Planung aussteigen will.« Niemand habe etwas gegen Planung, so die versammelten Distributionsexperten, »ich kann ja für 24 Monate planen, ich muss ja nicht gleich auch die Bestellung auslösen!«
Und weiter: »Wenn ich feststelle, es gibt 12 Monate Lieferzeit, und bestelle dann für 24 Monate im Voraus, ist das ja auch keine langfristige Planung, sondern eher eine Ad-hoc-Lösung.« Man müsse sich zusammensetzen und sehen, was die wirklichen Bedarfe der Kunden für die nächsten 12 Monate seien, so die Diskussionsteilnehmer, »und dann entscheiden, wie wir das am besten gemeinsam angehen«.
»Es wäre ja einfach, wenn die Kunden sich nur aus einer Quelle bedienen würden«, so Stocker. »Dann könnten wir hochrechnen, wie viel Ware sie von uns bekommen und wie viel sie aktuell wirklich benötigen. Das Problem ist aber, dass die Kunden sich aus allen möglichen Quellen bedient haben, in der Hoffnung, sie würden die Ware dort früher bekommen.« Stocker geht angesichts der aktuellen Situation davon aus, »dass wir mindestens noch bis zum 1. Quartal 2024, wohl eher noch bis zum 2. Quartal 2024 warten werden müssen, bis wir wieder ein Anziehen beim Auftragseingang sehen werden. Trifft das dann auf reduzierte Fertigungskapazitäten in Asien, dürfte sich Traums Warnung von einer eventuellen Allokation im 4. Quartal 2024 bestätigen.
Es geht also darum, eine Phase zu überwinden, in der im deutschsprachigen Bereich Ware angeliefert wird, die langfristig bestellt war, die aber aktuell nicht verbaut werden kann. War diese Entwicklung absehbar? Gab es Kipppunkte, die frühzeitig vor einer solchen Situation gewarnt hätten? »Es ist die Frage: Macht man solche Kipppunkte an der Book-to-Bill fest oder an der Umsatzentwicklung?«, stellt Stocker zur Diskussion; seine Meinung: »Wir haben noch gute Umsätze, aber man merkt, dass sie rückläufig sind, weil die Folgeaufträge ausbleiben. So gesehen war der Kipppunkt wohl schon im 3. oder 4. Quartal letzten Jahres.«
Traum würde es an der Book-to-Bill festmachen, »dann sehen wir den Kipppunkt seit drei, vier Monaten«. Und Andreas Hanausek, als Product Manager und Field Application Engineer bei Codico tätig, sagt, «ich würde das am Ende des 1. Quartals 2023 festmachen«.