Das Auto soll künftig als Diagnose-Tool fungieren. Über Sensoren und Kameras soll es Vitaldaten, Symptome und Risikofaktoren für Krankheiten wie Schlaganfälle überwachen. Das Smart Car der TU Braunschweig zeigt auf der Medica, wie das Fahrzeug der Zukunft wichtiger Bestandteil der Prävention wird.
Etwa 43 Minuten verbringen Menschen durchschnittlich pro Tag in einem Fahrzeug. Für Professor Thomas Deserno vom Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik (PLRI) liegt es da nahe, dass medizinische Untersuchungen Teil der tägliche Mobilität werden, das Stichwort heißt »Automotive Health« und zielt auf die präventive 24/7 Überwachung menschlicher Vitaldaten und Biomarker. »Die Integration einer kontinuierlichen Gesundheitsüberwachung birgt großes Potenzial, Krankheiten früher zu erkennen.« Die Verknüpfung von Gesundheitsdiensten mit dem Auto soll so beispielsweise Diabetes, kritische Herzfrequenzen, sich anbahnende Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Erschöpfung während der Fahrt erkennen. »Wir präsentieren unser Smart Car als ein Produkt für die Gesundheitsvorsorge», so Prof. Deserno. Die Medica hat in Halle 12 extra eine kleine Sonderfläche »Automotive Health« eingerichtet.
Doch wie genau funktioniert das Monitoring im Auto? Das Smart Car des PLRI ist mit integrierten Sensoren für EKG, Herz- und Atemfrequenz ausgestattet, die passiv und kontinuierlich die Gesundheit während der Fahrt überwachen, ohne den Fahrenden zu beeinträchtigen. So sind im Lenkrad Sensorsysteme integriert, die über die Hände ein EKG aufzeichnen. Im Sicherheitsgurt werden die Herztöne erfasst. Eine Innenraumkamera nimmt das Gesicht des Fahrenden ins Visier, um Herzschlagrate und Atemfrequenz zu berechnen. Ein Temperatursensor im Autositz misst zusätzlich die Körpertemperatur. Alle wichtigen Vitalparameter können so erfasst werden. Die aufgenommenen Daten werden über eine Sensordatenfusion mit Hilfe eines neuronalen Netzes zusammengeführt und analysiert.
Vorhofflimmern kündigt Schlaganfall an
Messungen über einen längeren Zeitraum erlauben ein individuelles Profil der Fahrenden. Kleine, aber kontinuierliche Änderungen in diesem persönlichen Gesundheitsprofil, wie zum Beispiel häufigere oder längere Herzschlagunregelmäßigkeiten (Vorhofflimmern), können so frühzeitig erkannt werden. Gut ein Drittel aller Schlaganfälle werden durch Vorhofflimmern ausgelöst und könnten mit dem smarten Auto möglicherweise vermieden werden. Der Vorteil der Messungen im Auto: Die Werte werden zu unterschiedlichen Tageszeiten erhoben, die aber meist auch eine gewisse Regelmäßigkeit aufweisen. Da ist zum Beispiel die Fahrt zur Arbeit und zurück oder auch Einkaufsfahrten.
Geplant ist, am Abend der Fahrt eine Auswertung der Daten per E-Mail zu erhalten und auf mögliche Auffälligkeiten hinzuweisen, die einen Arztbesuch erforderlich machen. Die Autofahrer:innen sollen während der Fahrt nicht durch ein Notfallsystem gestört oder abgelenkt werden.
»Uns geht es darum, tendenzielle Veränderungen und Auffälligkeiten frühzeitig zu erkennen und damit präventiv zu wirken«, so Professor Deserno. Ziel des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts »Car as Diagnostic Space« (CarDS) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Fahrzeugtechnik der TU Braunschweig ist es daher auch herauszufinden, wie viel Prozent der Fahrzeit für eine zuverlässige Herzfrequenzanalyse geeignet sind. Dadurch können die Forschenden feststellen, ob es möglich ist, die Fahrzeit für eine genaue Herzfrequenzanalyse zu nutzen. (uh)
Quellen: Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik / TU Braunschweig