Wer die Geschichte von International Rectifier kennt und damit sowohl die seines Vaters als auch die von Dr. Alex Lidow, CEO und Co-Gründer von Efficient Power Conversion, kurz EPC, wundert sich nicht, dass er Importzölle für stupide hält und sich um seine Mitarbeiter mit Arbeitsvisum sorgt.
Auch wenn EPC selbst vorerst keine bidirektionalen GaN-Schalter über 600 V entwickeln wird, hält er das sich dadurch öffnende Marktsegment für fantastisch.
Markt&Technik: Dr. Lidow, vor dem Hintergrund der nun bereits seit Monaten andauernden Diskussionen um Zölle zwischen den USA und fast allen anderen Handelspartnern, wie stehen Sie zu diesen Zollplänen und wie betrifft es EPC?
Dr. Alex Lidow: Es ist aus meinem Blickwinkel schlicht stupid. Es gab zuvor keine Zölle und jetzt erschweren sie das internationale Geschäft. Letztlich, das ist meine feste Überzeugung, werden die Verbraucher überall auf der Welt den Preis für diese Entwicklung zahlen. Wir lassen unsere GaN-Leistungshalbleiter ja in Taiwan fertigen. Da China Taiwan als Teil seines Staatsgebietes betrachtet, werden dabei beim Export nach China bislang keine Zölle erhoben. Da die USA sehr stark von Halbleiterexporten aus Taiwan abhängig sind, halte ich es für falsch, hier Zölle für den Export in die USA zu erheben. Das Problem ist nur, dass Rationalität derzeit nicht so gefragt ist, und so sind wir nun bei 20 Prozent, die sich vielleicht durch weitere Verhandlungen noch reduzieren lassen.
In den letzten Monaten wirkte es so, als würde sich das Ganze in erster Linie um die »KI-Prozessoren« von Nvidia drehen. Sind auch Leistungshalbleiter für die USA so interessant, dass man darauf Schutzzölle erheben sollte?
Nvidia lässt seine Halbleiter bislang ja in Taiwan fertigen. Zölle auf Nvidia-Chips zu erheben, wäre wirklich dumm. Unter dieser Zolldiskussion leidet das Geschäft nun schon seit Monaten. Unser China-Geschäft leidet darunter, da unsere Endkunden dort bereits seit Monaten Probleme mit den US-Zöllen haben. Aktuell ist die nach wie vor weltweit herrschende Unsicherheit das größte Problem am Markt. Vor vielen Jahren hat mir mal ein Professor erklärt, dass Länder, die Rohstoffe liefern, weltweit von Instabilität profitieren, da dann die Rohstoffpreise steigen. Länder, die von Produktion und Handel abhängig seien, bräuchten dagegen Stabilität.
Aus Sicht der Europäer mutet die Faszination für humanoide Roboter in den USA etwas seltsam an. Können Sie diese Faszination für uns etwas erläutern?
Auch wenn der Markt allgemein leidet, der Bereich Robotik und humanoide Roboter läuft gut, sie sind auf dem Vormarsch. Für uns ist das gut, denn aufgrund unserer Technologie sind wir in diesem Bereich in einer sehr starken Marktposition. In jedem dieser Roboter sind Halbleiter von Hunderten von Dollar von uns integriert. Gleichzeitig läuft in diesem Jahr auch das Raumfahrtsegment wieder gut an. Dieser Markt hat allerdings auch seinen ganz eigenen Rhythmus, der nichts mit anderen Bereichen zu tun hat.
Kommen wir noch mal auf die humanoiden Roboter zurück. Worin liegt die Faszination unter anderem für die Investoren in den USA? Geht es darum, den Bedarf an ungelernten Mitarbeitern, etwa Migranten, zu reduzieren?
Das hat aus meiner Sicht nichts mit Faszination, sondern mit Notwendigkeiten zu tun. In Japan sind solche Roboter bereits heute eine Notwendigkeit für ältere Menschen. Aus meiner Sicht gibt es drei sinnvolle Einsatzsegmente für humanoide Roboter. So ist für ältere Menschen ein Haushaltsroboter sehr wertvoll. Sie können Wäsche waschen, Geschirr spülen, staubsaugen und aufräumen. Angeboten werden diese Roboter für 25.000 Dollar. Ich habe sie bereits im Einsatz gesehen. Sie sind nicht perfekt, aber sie funktionieren schon ziemlich gut.
Die zweite Möglichkeit sind Lagerroboter. Zweibeinige Roboter sind dort sinnvoll, weil der Boden dort oft uneben ist und sie sich wie Menschen durch enge Bereiche und um Ecken bewegen können. Sie sollten etwa 75 Kilogramm wiegen, mindestens 6 Stunden mit einer Akkuladung laufen und müssen bis zu 35 Kilogramm heben können. Ihre Positionierung muss nicht extrem genau sein, aber sie müssen Dinge erkennen und sortieren können. Und schließlich wären da noch humanoide Roboter für die Automobilindustrie. Menschen übernehmen dort Arbeiten, die genaue Positionierung erfordern. Soll ein humanoider Roboter das übernehmen, muss er das auch können. Es geht also vor allem um Hand-Auge-Koordination. Heutige stationäre Industrieroboter können das nicht leisten. Aktuell arbeiten darum Hersteller wie Tesla, Hyundai, BMW und Toyota an humanoiden Robotern, die an ihren Montagelinien zum Einsatz kommen sollen.
Kommen wir zurück zum Thema Leistungshalbleiter. Je nach Applikation stehen Silizium, SiC oder GaN im direkten Wettbewerb oder die Anwendung ist ohne den entsprechenden Leistungshalbleiter gar nicht realisierbar. Wie sehen Sie hier die aktuelle Marktsituation?
Es geht nicht darum, dass GaN irgendwann SiC ersetzt. Es geht darum, dass in bestimmten Applikationen Silizium durch SiC ersetzt wird und in anderen durch GaN. SiC und GaN haben unterschiedliche Spannungsbereiche. Beide ersetzen Silizium, aber sie ersetzen sich nicht gegenseitig! Zwischen 100 und 200 V kann heute GaN schon günstiger als Silizium sein. Wir erleben es täglich, dass wir da preislich gut mithalten oder sogar günstiger sein können. Silizium wird nicht mehr viel günstiger werden, es ist technisch schon ziemlich ausgereizt. GaN wird dagegen immer kleiner. Gerade erst haben wir die Chipgröße um den Faktor 2 reduziert. Bei GaN erreichen wir von Jahr zu Jahr Verbesserungen um Faktoren, bei Silizium sprechen wir inzwischen von Verbesserungen im einstelligen Prozentbereich.
Aktuell produziert EPC auf 6- und 8-Zoll-Wafern. Denken Sie, dass der Umstieg auf 300-mm-Wafer in einigen Jahren eine zwingende Konsequenz sein wird?
Ja, wir produzieren auf 6- und 8-Zoll-Wafern. Aktuell ist eine Fertigung auf 300-mm-Wafern teurer als auf 200 mm, das wird wahrscheinlich auch noch einige Jahre so bleiben. Ich denke, ein Umstieg auf 300 mm wird erst dann Sinn machen, wenn es weltweit viele 300-mm-Multifunktions-Fabs mit freien Kapazitäten gibt. Ob das bereits 2030 oder erst später der Fall sein wird, kann ich nicht sagen.
TSMC hat angekündigt, bis Juli 2027 aus der Fertigung von GaN-Wafern auszusteigen. War TSMC nicht bisher die größte Foundry für GaN?
Ja, aber TSMC war nach meiner Einschätzung nicht sehr angetan von GaN. Sie haben GaN immer noch auf 150-mm-Linien gefertigt, und das ist für TSMC eine sehr alte Technologie. Das dürfte mit zu der Entscheidung beigetragen haben, sich aus der GaN-Fertigung zu verabschieden. Darüber hinaus ist TSMC sehr gut mit der Herstellung von Nvidia-Chips beschäftigt. Deshalb glaube ich, dass sich ihre Begeisterung für GaN wirklich in Grenzen hielt. TSMC hat in der Vergangenheit einen Teil seines GaN-Geschäfts an Vanguard ausgegliedert. Das ist unsere Foundry und dort produzieren wir auf 200-mm-Wafern und werden für Vanguard zu einem immer wichtigeren Kunden.
Sie hatten im letzten Jahr mögliche Pläne für ein 200-mm-Werk in Europa erwähnt. Ist das unter der aktuellen geopolitischen Lage noch aktuell?
Theoretisch besteht diese Möglichkeit weiter, aber unter den aktuellen Umständen würde ich sagen, die Wahrscheinlichkeit ist geringer als noch vor einem Jahr. Heute ist es wesentlich wahrscheinlicher, dass unser nächstes, drittes Werk in den USA entsteht. Das ist ganz klar den derzeitigen Handelsbedingungen geschuldet. Ich denke, wir haben da gar keine andere Möglichkeit. Es gibt aber noch einen ganz anderen Grund, in den USA zu investieren, der nichts mit Trump und seinen Zoll-Deals zu tun hat. Taiwan ist in Gefahr, die Bedrohung durch China wächst und es gibt nach meiner Einschätzung kein Zurück mehr. Wir müssen auf diese Entwicklung vorbereitet sein. Und hier bietet ein Werk in den USA aus meiner Sicht mehr Sicherheit als in Europa. In den USA gibt es einfach im Hinblick auf die Halbleiterbranche mehr Infrastruktur und schlicht auch bessere Bedingungen.
Unabhängig von Ihren eigenen Europa-Plänen: Haben amerikanische Halbleiterhersteller überhaupt noch ein Interesse, Werke in Europa zu errichten?
Ich denke, das Problem für amerikanische Unternehmen, die Wafer-Fabriken in Europa errichten, sind nicht die Zölle, sondern eher die Gesamtkosten für den Betrieb. Es ist viel günstiger, in Taiwan zu arbeiten, gefolgt von den USA. Ich beziehe China nicht mit ein, weil die Kosten für ein US-Unternehmen in China durch die Schwierigkeiten beim Schutz des geistigen Eigentums, die Anforderungen an chinesische Partner und die sich ändernden Regeln für die Rückführung von Gewinnen verzerrt sind. Zölle in Höhe von derzeit 15 Prozent zwischen den USA und der Europäischen Union werden die Gleichung nicht wesentlich verändern und können in Zukunft wieder geändert werden.
Kommen wir noch einmal auf TSMC zurück. Als das Unternehmen sein erstes Werk in den USA gebaut hat, musste es fast alle benötigten Mitarbeiter aus Taiwan holen, weil sie in den USA nicht die entsprechenden Leute finden konnten.
Ja, aber inzwischen sind die meisten wieder zurück, nur noch etwa 10 Prozent der Mitarbeiter kommen aus Taiwan, der Rest rekrutiert sich aus lokalen Kräften und damit natürlich zu einem hohen Teil aus Immigranten. Und das ist seit Monaten ein großes Problem. Etwa ein Drittel der Mitarbeiter bei EPC sind promovierte Fachkräfte, die in irgendeiner Weise auf ein Arbeitsvisum angewiesen sind. Sei es jetzt ein H-1B oder der Aufenthalt mit einer Green Card. Unsere Anwälte empfehlen uns, sie nicht mehr ins Ausland reisen zu lassen, weil die Gefahr besteht, dass sie nicht mehr wieder einreisen dürfen. Das beeinträchtigt nicht nur massiv unsere Produktivität, es schränkt auch unsere Möglichkeit ein, überhaupt neue Mitarbeiter gewinnen zu können. Ich würde darum sagen, Einwanderung ist ein mindestens genauso großes Problem wie das Thema Zölle, vielleicht sogar langfristig das größere. Die USA leben nicht nur in diesem Technologiebereich von Einwanderung, und das wird gerade kaputtgemacht.
Kommen wir wieder zu einem technischen Thema. Wie bewerten Sie das aktuelle Trendthema bidirektionale GaN-Schalter mit Spannungen um die 600/650 V? Ein bahnbrechender Schritt?
Ich denke, das könnte wirklich eine bahnbrechende Technologie werden. Gerade bei höheren Spannungen, etwa 600 V, ist das wirklich eine außergewöhnliche Technologie. Bei Spannungen bis 40 V gibt es ja schon länger bidirektionale GaN-Leistungshalbleiter. Wir selbst haben bereits seit zwei Jahren entsprechende 100-V-GaN-Bausteine in unserem Portfolio. In den unteren Spannungsbereichen war das bisher gut beherrschbar. Aber bei höheren Spannungen wie 600 V ergeben sich riesige Chancen, etwa für AC-Geräte, Motorsteuerungen, also praktisch alles, was mit Wechselstrom arbeitet. Aber auch wenn ich einen bidirektionalen GaN-Leistungshalbleiter mit 600 V für ein tolles Produkt halte, werden wir in absehbarer Zeit keinen solchen entwickeln. Unser Motto lautet weiterhin: Niederspannungs-GaN für Hochspannungsanwendungen. Wir verfolgen einfach einen anderen Ansatz: Wir setzen seit Jahren auf Multilevel-Topologien. Da es dort mittlerweile ein ganzes Ökosystem gibt, lassen sich Multilevel-Schaltungen günstiger realisieren als klassische Zweistufen-Topologien.
Abschließend noch eine Frage zu strukturellen Investitionsunterschieden zwischen SiC und GaN: Erwarten Sie nach der Insolvenz von Wolfspeed weitere Insolvenzen im SiC-Sektor? Droht dieses Risiko auch im GaN-Bereich oder ist es dort aufgrund des geringeren Investitionsbedarfs deutlich geringer?
China hat den Markt mit SiC-Substraten und -Produkten zu extrem niedrigen Preisen überschwemmt. Darüber hinaus hat die Verlangsamung des Marktes für Elektrofahrzeuge die Nachfrage verringert. SiC ist ein Spiel, das am besten von jemandem mit sehr tiefen Taschen und Zugang zu günstigem Kapital gespielt wird. Kleine Akteure haben kaum eine Chance. Bei GaN ist das anders, weil die Kapitalkosten aufgrund der Nutzung bestehender Siliziumfabriken niedrig sind. Das dürfte noch einige Jahre so weitergehen. Sobald die Unternehmen anfangen, Umsätze in der Größenordnung von 500 Millionen US-Dollar im Jahr zu erzielen, wird es Sinn machen, speziell angefertigte Produktionsstätten zu bauen. An diesem Punkt erwarte ich dann eine Marktkonsolidierung.