Kühlkonzepte in der Praxis

Thermische Intelligenz für die Elektromobilität

29. August 2025, 11:00 Uhr | Autor: Christian Schweder, Redaktion: Irina Hübner
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Kühlung ist heute weit mehr als die Klimaanlage im Innenraumoder der Kühlmittelkreislauf beim Motor. Warum thermisches Management mit der Elektromobilität zur Schlüsseltechnologie wird und was smarte Systeme leisten müssen.

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Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Auf dem Weg in den Urlaub rollt ein voll beladener Kombi bei über 35 Grad Außentemperatur durch ein langes Baustellenstück auf der Autobahn. Kaum Fahrtwind, voll aufgedrehte Klimaanlage und dann kündigt sich auch noch ein Stau über das Navigationssystem an. Als wäre das nicht genug, ertönt plötzlich ein Warnsignal im Auto, das Kombiinstrument meldet: »Getriebesteuergerät überhitzt, reduzierte Leistung«. Der Fahrer ist überrascht – denn es handelt sich um einen modernen Plug-in-Hybrid, der erst zwei Jahre alt ist. Kurz darauf schaltet das Fahrzeug in den Notlauf. Der Wagen schafft es noch auf den Pannenstreifen, die Urlaubsfahrt endet vorerst mit einem Anruf beim Abschleppdienst.

Was auf den ersten Blick wie ein Einzelfall wirkt, entwickelt sich zu einem wachsenden Phänomen in der Automobilindustrie. Denn die Ursache für solche Vorfälle liegt nicht in einem Defekt, sondern in der schlichten Tatsache, dass die thermische Belastung heutiger Fahrzeuge enorm gestiegen ist. Gerade bei komplexen, elektrifizierten Antrieben wirken viele Wärmeeinträge gleichzeitig auf das System ein – Motor, Wechselrichter, Batterie, Klimakompressor, Steuergeräte. Wird die entstandene Wärme nicht zuverlässig abgeführt wird, droht ein Systemversagen wie im beschriebenen Beispiel.

Doch warum ist das Thema Kühlung heute so brisant? Und welche Lösungen setzen sich in der Praxis durch?

Relevant ist das Thema durch das Zeitalter der Elektromobilität geworden. Die Temperaturkontrolle wird immer mehr zur zentralen technischen Herausforderung: Elektrische Antriebe und Leistungselektronik erreichen hohe Wirkungsgrade, erzeugen aber dennoch signifikante Verlustwärme – teils punktuell, teils flächig verteilt. Hochvoltkomponenten wie Inverter, Onboard-Charger oder Trennstellenmodule müssen auch bei voller Last zuverlässig arbeiten. Siliziumkarbid-Halbleiter (SiC) erlauben kompaktere Bauformen und höhere Frequenzen, produzieren dafür aber auf kleiner Fläche große Wärmemengen. Gleichzeitig steigt mit dem Wunsch nach kürzeren Ladezeiten und leistungsfähiger Bordelektronik der thermische Anspruch an alle Systeme.

Gekühlt wird also nicht mehr nur aus Komfortgründen, sondern aus Gründen der Systemzuverlässigkeit, Lebensdauer und Sicherheit. Und diese Gründe sind berechtigt: Eine gute Kühlung schützt vor thermischer Degradation von Batteriezellen, verhindert Leistungsabfall bei Steuergeräten und reduziert die Anforderungen an die Leistungsreserven. Zudem ermöglicht sie effizientere Betriebsstrategien: Wer weniger Energie in die Kühlung stecken muss, wird mit einer höheren Reichweite belohnt. Wer Temperaturverläufe vorausschauend regelt, verlängert die Lebensdauer von Modulen und Komponenten.

Moderne Thermomanagementlösungen als intelligente Baugruppen

Wie solche Kühlsysteme heute funktionieren, zeigt ein Blick in die aktuelle Entwicklungspraxis. Moderne Thermomanagementlösungen sind keine passiven Systeme mehr, sondern aktive, intelligente Baugruppen. Sie kombinieren Hardware – wie Lüfter, Pumpen, Kühlplatten – mit softwaregesteuerten Regelalgorithmen, die auf Echtzeitdaten reagieren. Sensorik, Kommunikation über CAN oder Ethernet und vorausschauende Strategien auf Basis von Betriebsdaten erlauben eine adaptive Steuerung, die weit über die einfache Temperaturregelung hinausgeht.

Ein Überblick über das Delta-Electronics-Portfolio für das thermische Management im Fahrzeug.
Ein Überblick über das Delta-Electronics-Portfolio für das thermische Management im Fahrzeug.
© Delta Electronics

Delta Electronics ist ein Anbieter, der diesen Wandel aktiv mitgestaltet. Als Anbieter von Energiemanagement- und IoT-basierten, nachhaltigen Produkten, bietet Delta Kühllösungen für nahezu alle Fahrzeugbereiche im E-Mobilitätssektor an – vom Antriebsstrang über die Innenraumklimatisierung bis zu den Steuergeräten im digitalen Cockpit.

Im Bereich der Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen (Heating, Ventilation and Air Conditioning, kurz HVAC), wie etwa bei kompakten, platzsparenden Lüftern für Sitze, Ladegeräte oder Luftqualitätssysteme, kommen hocheffiziente BLDC-Gebläsemotoren mit Spannungen von 12 bis 48 Volt und Leistungen bis 500 Watt zum Einsatz. Diese sind in der Lage, Front-HVAC-Einheiten, Armlehnen-Booster oder Heckmodule in Pkw und Nutzfahrzeugen zuverlässig zu versorgen und das unter besonderer Berücksichtigung von NVH (Noise, Vibration, and Harshness)-Kriterien, welche die Qualität des Fahrkomforts beschreiben, wie beispielsweise Geräusch, Vibration und Rauheit an einem Fahrzeug Dabei liegt der Fokus auf hoher Effizienz, geringer Geräuschentwicklung und vibrationsarmem Betrieb – zentrale Anforderungen, gerade im akustisch sensiblen Innenraum.

Auch für die Kühlung von Leistungselektronik bietet Delta Lösungen mit kompaktem Design, integriertem Antrieb und intelligenten Steueroptionen: Die elektrischen Kühlpumpen und Hochleistungslüfter des Unternehmens sind auf Dauerbetrieb ausgelegt und lassen sich flexibel in bestehende Fahrzeugsysteme integrieren, beispielsweise in Batteriegehäuse, an Inverterkühlkörpern oder für die Regelung von Wärmeflüssen zwischen unterschiedlichen Kühlkreisen. Der Einsatz von Phasenwechselmaterialien, Mikrokanalstrukturen und kontaktloser Sensorik sorgt für eine gleichmäßige und schnelle Wärmeableitung – auch bei wechselnden Lastbedingungen.

Ein weiteres Anwendungsfeld ist die Kühlung von Sensoren und Steuergeräten in Fahrerassistenzsystemen. Hierbei sind punktuelle, thermisch aktive Hotspots zu managen, beispielsweise an Kamera- und Radarsteuerungen. Delta bietet spezielle Lüfterlösungen mit hohem Luftdurchsatz bei minimalem Bauraum, die sich auch in modulare Zonenkühlkonzepte integrieren lassen.

Ein besonderes Augenmerk liegt auch auf dem Schnellladen von Elektrofahrzeugen. Hochvoltbatterien moderner E-Fahrzeuge müssen innerhalb kürzester Zeit große Energiemengen aufnehmen. Kühlplatten mit Phasenwechselmaterialien, direkt ansteuerbare Lüftermodule sowie aktiv geregelte Kühlkreisläufe sorgen dafür, dass die Temperaturen innerhalb der Zellen gleichmäßig bleiben und keine thermischen Hotspots entstehen. Der Wirkungsgrad solcher Systeme entscheidet über Ladegeschwindigkeit und Batterielebensdauer. Delta hat hierfür Lösungen entwickelt, die sowohl Aluminium- als auch Polymerträger verwenden und sich flexibel in bestehende Plattformen einfügen lassen.

Thermomanagement in digitalen Fahrzeugarchitekturen

Die Zukunft des Thermomanagements liegt nicht mehr allein in Miniaturisierung oder Effizienzsteigerung begründet, sondern vor allem in der intelligenten Systemintegration. Fahrzeuge entwickeln sich zunehmend zu softwaredefinierten Plattformen mit zentralisierten Rechenarchitekturen, bei denen Steuerungslogik, Datenverarbeitung und Funktionsvernetzung auf wenige leistungsfähige Knotenpunkte konzentriert sind. Damit verschieben sich auch die thermischen Hotspots: Rechenleistung wird gebündelt, Hitze entsteht nicht mehr verteilt, sondern punktuell, insbesondere in den zentralen Steuergeräten der neuen zonalen Fahrzeugarchitekturen. In diesen ersetzt jeweils ein leistungsfähiger Zonencontroller die Vielzahl klassischer ECUs (Electronic Control Units) pro Fahrzeugbereich, was die Kühlanforderungen neu definiert.

Kühlsysteme müssen nicht nur thermisch leistungsfähig sein, sondern sich auch nahtlos in die elektronische Infrastruktur einfügen – vernetzbar, regelbar, überwachbar. Delta Electronics reagiert auf diese Entwicklungen mit hochdichten Miniaturlüftern, die direkt in elektronische Baugruppen integriert werden können und sich sowohl physisch als auch softwareseitig flexibel einbinden lassen. Gleichzeitig eröffnen Cloud-Anbindungen und der Einsatz künstlicher Intelligenz neue Möglichkeiten: Adaptive Thermomanagementsysteme, die sich selbst optimieren und dynamisch auf wechselnde Umgebungs- und Lastbedingungen reagieren, sind bereits in konkreter Umsetzung und markieren den Übergang von reiner Kühlung zu vernetztem Temperaturmanagement als integraler Systemfunktion.

Mit kühlem Kopf in die Zukunft

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich das thermische Management vom unsichtbaren Nebenaggregat zur sichtbaren Schlüsseltechnologie der Fahrzeugentwicklung gewandelt hat. Es verbindet Mechanik, Elektronik und Software auf Systemebene und beeinflusst damit nicht nur Effizienz und Sicherheit, sondern auch Komfort und Nachhaltigkeit.

Zurück zum eingangs geschilderten Szenario: Hätte das Fahrzeug über ein intelligenteres Kühlsystem verfügt, hätte die Steuerung die thermische Lastverteilung erkennen, den Betrieb dynamisch anpassen und möglicherweise über gezielte Luftströmungen oder thermische Puffer den Notlauf verhindern können. Was wie ein kleiner technischer Fehler wirkt, ist in Wahrheit ein Systemproblem, das mit dem Wandel zur Elektromobilität und vernetzten Architekturen an Bedeutung gewinnt.

Kühlung ist ein hochkomplexes Zusammenspiel aus Physik, Elektronik und Software – ein Schlüsselelement für Zuverlässigkeit, Effizienz und Komfort. Sie wird in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen und komplexer werden: mit zonalen Kühlkonzepten, datengetriebener Steuerung, KI-basierter Optimierung und vollständig vernetzten Plattformen.

Unternehmen wie Delta Electronics zeigen dabei, wie sich aus klassischer Kühltechnik ein intelligentes, systemfähiges Thermomanagement entwickelt – bereit für die nächste Generation der Mobilität.

 

 

Christian Schweder, Delta Electronics.
Christian Schweder, Delta Electronics.
© Delta Electronics

Der Autor

Christian Schweder
ist Sales Manager in der Delta Electronics Fans and Thermal Management Business Unit von Delta Electronics EMEA.


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