Kabel und Steckverbinder im Einklang

»Kunden wollen keine Katalogware, sondern spezifische Lösungen«

15. Dezember 2025, 10:40 Uhr | Corinna Puhlmann-Hespen
Christian Preiß, Lapp: »Insgesamt geht der Trend eindeutig dahin, bestehende Systeme noch besser, flexibler und wirtschaftlicher zu machen. Oder, wie man bei mir daheim in Bayern sagt: Es ist heute mehr denn je die ‚eierlegende Wollmilchsau‘ gefragt.«
© Lapp

Welche Vorteile entstehen, wenn Steckverbinder und Kabel nicht isoliert betrachtet, sondern als integrierte Systemlösung entwickelt werden? Christian Preiß von Lapp ordnet diesen Ansatz im Interview ein und beschreibt, welche Potenziale sich dadurch eröffnen. 

Diesen Artikel anhören

Markt&Technik: Heute sprechen wir über Ihr Steckverbindergeschäft – auch wenn Lapp vorrangig als Kabelhersteller bekannt ist. Stimmen Sie dieser Wahrnehmung zu?

Christian Preiß: Senior Manager Business Development, Global Product Cluster Connectors von Lapp: Unser Unternehmen verbinden manche in erster Linie mit Kabeln, und das ist verständlich, denn sie gehören zu unserem Kerngeschäft – und die Erfindung der Ölflex, also der ersten industriellen Steuerleitung, bildet den Grundstein unserer heutigen weltweiten Unternehmensgruppe. Aber jede Leitung braucht eine passende Schnittstelle, und genau dort beginnt ein weiterer wichtiger Teil unseres Portfolios. Das Kabel ist wichtig, aber erst der passende Steckverbinder macht die Anwendung vollständig. Oskar Lapp hat damals neben der Ölflex auch den ersten Rechtecksteckverbinder erfunden. Das Steckverbindergeschäft entstand also nicht als Nebenprodukt des Kabels, sondern aus dem praxisnahen technischen Bedarf. Oskar Lapp dachte damals schon Leitung und Steckverbindung gemeinsam. Diese frühe Pionierarbeit führen wir also fort – darum sind Steckverbinder bis heute ein fester Bestandteil unserer Entwicklung.

Ihr Ansatz unterscheidet Sie von vielen Wettbewerbern am Markt.

Ja, weil wir Verbindungstechnologie ganzheitlich denken: nicht als Summe einzelner Komponenten, sondern als durchgängiges System. Wir entwickeln Kabel, Steckverbinder, aktive Netzwerkkomponenten und Remote-I/O-Technik. Damit decken wir weite Teile der Automatisierungspyramide ab. Für viele Anwendungen heißt das: Die entscheidende Schnittstelle entsteht bei uns im Haus.

Ergibt sich daraus ein Wettbewerbsvorteil?

Wir wissen, wie sich ein Kabel unter mechanischer Last verhält, und wie ein Steckverbinder elektrisch und thermisch arbeitet. Dieses Zusammenspiel ist am Markt selten. Wir können komplette Verbindungslösungen betrachten – vom Sensor bis in den Schaltschrank. So entsteht eine Breite, die uns über den klassischen Komponentenhersteller hinaus zum Systemlieferanten macht. Eben weil wir die Kabel- und Steckverbinder-Technologie gleichermaßen beherrschen, verstehen wir Schnittstellen oft besser als andere Hersteller, die meist nur eine Seite kennen. Gleichzeitig arbeiten wir eng mit Maschinenbauern und Motorenherstellern zusammen und entwickeln kundenspezifische Lösungen für deren individuelle Anforderungen. Wenn für unsere Kunden die Steckverbinder und Leitungen aus einem Haus kommen, reduziert dies Fehler, Aufwand und Kosten. Und wir bei Lapp können technische Innovationen direkt in beide Richtungen weitergeben – vom Kabel zum Steckverbinder und umgekehrt.

Können Sie Beispiele nennen, bei denen genau diese Verbindung aus Kabel- und Steckverbinder-Know-how den Unterschied gemacht hat?

Ein Kunde aus dem Hygienebereich hat eine leicht zu reinigende Alternative zur klassischen Schleppkette gesucht, die mit ihren Ecken und Kanten bei der Reinigung oft eine Herausforderung darstellt. Wir haben für diesen Anwendungsfall ein kettenfreies Kabelmanagementsystem aus einer Ölflex-Leitung entwickelt: Ein flaches Kabel mit extrudiertem Stützelement begrenzt die Bewegung so, dass es sich nur in eine Richtung biegt – ähnlich wie eine Schleppkette, aber völlig glatt und ohne Kanten oder Hohlräume. Das System lässt sich dadurch hygienisch reinigen und benötigt weniger Platz im Bauraum. Den passenden Steckverbinder haben wir parallel so konstruiert, dass er diese Bewegung aufnimmt und mechanisch stabil bleibt. Aus dieser Kombination von Kabel- und Steckverbinder-Kompetenz entstand nicht nur eine neue Produktlösung, sondern ein völlig neues Konzept des Kabelmanagements. Das System ist inzwischen patentiert und wird in mehreren Pilotanwendungen getestet.

Ein weiteres Beispiel kommt aus dem Werkzeugmaschinenbau: Ein Hersteller hat eine kompakte Lösung für Leistung, Signal, Daten und Pneumatik gesucht. Aus unserem modularen Epic-Rechteckstecksystem ist als Antwort ein individuell konfigurierbarer Steckverbinder entstanden, der alle geforderten Eigenschaften integriert: weniger Bauraum, weniger Montageaufwand, höhere Systemsicherheit. Solche Lösungen entstehen nur, wenn Kabel- und Steckverbinder-Entwicklung Hand in Hand gehen.

Stecker von Lapp
Motor- und Kabelstecker »EPIC M23P«, ausgelegt für den Dauerbetrieb mit Spannungen bis 1000 V.
© Lapp

Hat dieser Systemansatz auch Auswirkungen auf Beschaffung, Konstruktion und Montage?

Ja, ein aufeinander abgestimmtes Produkt, bestehend aus Kabel und Steckverbinder, senkt Entwicklungszeiten, Montagekosten und erhöht auch die Betriebssicherheit. Mit unseren Konfektionslösungen »Lapp Harnessing Solutions« bieten wir komplette, kundenspezifisch konfektionierte Systeme an, inklusive Leitung, Steckverbinder, EMV-Konzept, Kennzeichnung und Qualitätsprüfung. Der Kunde kann somit ein vormontiertes, getestetes Verbindungssystem von uns beziehen. Das bedeutet für den Kunden Entlastung in der Konstruktion und Beschaffung sowie weniger Fehlerquellen in der Montage.

Sie haben kürzlich ein chinesisches Unternehmen übernommen, das Rundsteckverbinder herstellt. Was war das ausschlaggebende Argument – und warum China?

Wir wollten unsere Kompetenz im Bereich der Sensor-Aktor-Steckverbinder noch weiter ausbauen. Im Fokus standen dabei mit unseren Steckverbindern »EPIC M8« und »EPIC M12« zwei weitverbreitete Standardprodukte. Der asiatische Raum ist hier bei der Kombination aus Effizienz und Qualität in der Fertigung führend, besonders beim Umspritzen. Das umfangreiche Portfolio und die hohe Engineering-Kompetenz im Bereich Rundsteckverbinder ergänzen unser Angebot an Industriesteckverbindern. Durch die Übernahme der Firma Cableforce Electronics sichern wir zusätzliches Know-how, erweitern unsere Forschungs- und Entwicklungskompetenzen, unsere Fertigungskapazitäten sowie unser technisches Vertriebsnetz in China und im asiatisch-pazifischen Raum.

Sind weitere Zukäufe denkbar?

Wir entwickeln so viel wie möglich intern, prüfen aber gezielt Übernahmen, sofern sie uns schneller oder breiter in strategische Märkte bringen. Entscheidend ist, dass die Zukäufe unser Technologie- und Lösungsportfolio sinnvoll ergänzen und unser Know-how global erweitern.

Welche Trends oder Anforderungen prägen das Steckverbindergeschäft derzeit am stärksten?

Der Markt sortiert sich gerade neu. Nach Jahren des Wachstums suchen viele Unternehmen nach neuen Ideen und effizienten Lösungen. Gefragt sind kurze Entwicklungszyklen, modulare Systeme und nachhaltige Produktstrategien. Wir sehen einen klaren Trend zum »Design-In«. Kunden wollen keine Katalogware, sondern spezifische Lösungen, die in das Gesamtsystem passen. Insgesamt geht der Trend eindeutig dahin, bestehende Systeme noch besser, flexibler und wirtschaftlicher zu machen. Oder, wie man bei mir daheim in Bayern sagt: Es ist heute mehr denn je die ‚eierlegende Wollmilchsau‘ gefragt.

Auch das Thema Nachhaltigkeit spielt im Steckverbinder-Bereich eine zunehmend wichtige Rolle. Welche Bedeutung hat diese Thematik für Lapp?

Gerade weil wir Verbindungstechnologie ganzheitlich verstehen, betrachten wir bei den Steckverbindern den Ressourceneinsatz genau. Eine neue Version unseres »EPIC H-Q«-Rechtecksteckverbinders besteht beispielsweise zu 43 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen. Das reduziert den Anteil fossiler Rohstoffe, ohne die technische Leistungsfähigkeit und Qualität zu beeinträchtigen. Gleichzeitig verringern wir durch modulare Systeme die Anzahl der Einzelkomponenten, was Ressourcen spart, die Logistik vereinfacht und Kosten senkt. Das zeigt auch: Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit schließen sich nicht aus – im Gegenteil, sie bedingen sich gegenseitig.

Lapp wird heute in dritter Generation geführt – und die Familienwerte werden weiterhin aktiv gelebt. Wenn wir fünf oder zehn Jahre nach vorn blicken: Welche Rolle werden diese Werte künftig spielen? Und wie wünschen Sie sich, dass Lapp von den Kunden wahrgenommen wird?

Als Familienunternehmen müssen wir keine kurzfristigen Renditeziele erfüllen. Vielmehr investieren wir strategisch in Zukunftstechnologien, etwa Hochvolt-Steckverbinder mit bis zu 1000 Volt Spannungsfestigkeit. Heute sind sie zwar noch Nischenprodukte, morgen können sie aber bereits Standard sein. Ein Beispiel aus dem Leitungsbereich ist die Ölflex-Hybridleitung mit »zeroCM«-Technologie, die Anschluss- und Steuerleitung in einer Lösung vereint. In einigen Jahren könnte diese unverzichtbar sein. Diese Weitsicht unterscheidet uns von anderen Unternehmen. Entscheidungen fallen schneller, Wege sind kürzer, das Miteinander ist nahbar. Das schafft Vertrauen – intern wie extern – und gibt uns die Freiheit, auch unkonventionelle Ideen voranzutreiben. Genau diese Haltung soll in den nächsten Jahren weiterhin unser Geschäft prägen.


Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu U.I. LAPP GmbH

Weitere Artikel zu PD-LAPP Systems GmbH

Weitere Artikel zu Verbindungstechnik sonstige

Weitere Artikel zu Stecker, Steckverbinder