Das Advanced Packaging und insbesondere den Umgang mit Chiplets zu beherrschen, wird künftig ein entscheidendes Kriterium für den Erfolg großer Halbleiterhersteller. Doch auch für Mittelständler hierzulande dürfte das Thema interessant werden.
Allerdings ist es neu und erklärungsbedürftig. Deshalb arbeitet das Fraunhofer IIS/EAS zusammen mit Halbleiterfirmen daran, Chiplets für die Unternehmen attraktiv zu machen.
Mit einem jährlichen Wachstum von 10 Prozent wird der Advanced-Packaging-Markt von 44,3 Mrd. Dollar 2021 bis 2028 auf 78 Mrd. Dollar wachsen. Diese Zahlen von Yole Intelligence alleine zeigen schon, welche Bedeutung dem Advanced Packaging zukommt.
Die führenden IC-Hersteller wie Intel, TSMC und Samsung investieren derzeit Milliardenbeträge in neue Fabs, die für Advanced Packaging ausgelegt sind, insbesondere für die Verarbeitung von Chiplets. Denn zu Zeiten, in denen Moore’s Law ein wenig die Puste ausgeht, kommt es nicht mehr nur darauf an, die Nase im Rennen um die neusten Prozessknoten (More Moore) vorne zu haben. Sicherlich ist es für die weltweit führenden IC-Hersteller, seien es IDMs oder Foundries, wichtig, in der Lage zu sein, demnächst Strukturgrößen von unter 5 nm fertigen zu können – aber das ist eben noch längst nicht alles.
Denn so viele verschiedene Funktionseinheiten finden sich heute auf komplexen SoCs, dass es günstiger wird, die verschiedenen Blöcke nicht mit Gewalt in einen monolithischen Chip zu quetschen, sondern das Design aufzubrechen und verschiedene Funktionseinheiten in jeweils den Prozesstechniken zu fertigen, die für sie am geeignetsten sind. Dann werden beispielsweise analoge Blöcke mit größeren Strukturen produziert als die rein logischen Einheiten. Der gesamte Chip besteht also aus mehreren kleineren Chips, sogenannten Chiplets. All diese Chiplets werden dann mithilfe des Advanced Packaging und Prozessen, die mehr an das Front-End als an das Back-End erinnern, in einem Gehäuse auf kleinsten Raum dreidimensional integriert. Das ist der Grund, warum die führenden Halbleiterhersteller Milliarden in neue Fabs stecken, die speziell auf die dafür erforderlichen Produktionsprozesse ausgelegt sind.
Immer mehr kristallisiert sich heraus, dass es Unternehmen, die im Advanced Packaging nicht mithalten können, im Wettbewerb künftig sehr schwer haben werden. Pat Gelsinger, CEO von Intel, sieht sie sogar als entscheidend für den künftigen Erfolg von Intel an, wie er über die vergangenen Jahre mehrfach betont hat.
Prozessoren und FPGAs mitilfe von Chiplets aufzubauen ist für die führenden Hersteller schon nichts Neues mehr. Beispielsweise kommen in der Ponte-Vecchio-GPU von Intel 47 Chiplets zum Einsatz, die in fünf verschiedenen Prozesstechniken gefertigt werden. Ergebnis ist ein Chip mit 100 Mrd. Transistoren – die unmöglich monolithisch zu integrieren wären. Für AMD gilt Ähnliches.
Inzwischen wollen mehr als 100 Unternehmen – darunter neben Intel auch AMD, Arm, Google, Meta, Microsoft, Nvidia, Qualcomm, Samsung und TSMC – den Universal-Chiplet-Interconnect-Express-Standard (UCIe) entwickeln, um die ursprüngliche Chiplet-Idee umzusetzen: Die Chiplets, die unterschiedliche Unternehmen designen und die unterschiedliche Hersteller fertigen, lassen sich dann auf Basis der Standards einfach wie Legosteine zu größeren Einheiten zusammensetzen.
Das wäre dann sogar für die deutsche Automobilindustrie und für Mittelständler interessant. Wie sich Chiplets konkret in den Mittelstand bringen ließen, daran arbeitet das Fraunhofer IIS/EAS zusammen mit Samsung und Cadence sowie mit Achronix. Ziel ist es, Chiplet-Demonstratoren zu entwickeln. »Wir wollen zeigen, dass Chiplets sich auch für kleine und mittlere Stückzahlen eignen, und wir wollen zeigen, dass die Interoperabilität in der Realität tatsächlich funktioniert, um die potenziellen Anwender zu überzeugen«, sagte Andy Heinig, Chiplet-Experte am Fraunhofer IIS/EAS, im Gespräch mit Markt&Technik. Laut Heinig gibt es bereits viele Anfragen von deutschen Unternehmen, beispielsweise von Automobilherstellern und Messtechnikfirmen, die komplexe Chips auf Basis von Chiplets entwickeln wollen, etwa für ADAS. »Im Rahmen der Kooperationen mit Achronix sowie Samsung und Cadence wollen wir die letzten Hürden aus dem Weg räumen, damit diese Unternehmen freie Bahn in Richtung Chiplets bekommen«, so Heinig.
Warum Advanced Packaging für die führenden IC-Hersteller mittlerweile bereits zu einer Überlebensfrage geworden ist und was sie auf diesem Gebiet gerade tun, lesen sie im Artikel »Wer Advanced Packaging nicht kann, geht unter« ab Seite 26 im E-Paper dieser Ausgabe.