Leistungselektronikindustrie

Wachstum, Herausforderungen und strategische Veränderungen

8. April 2025, 9:00 Uhr | Engelbert Hopf
© WEKA Fachmedien

Leistungselektronik war bislang eine Domäne weniger Hersteller. Inzwischen drängt China in dieses Marktsegment mit deutlichen Folgen für die weitere Entwicklung des Weltmarktes. In ihrer Marktanalyse geht die Yole-Group weiter von konstanten Wachstum aus, dass sich aber anders verteilen wird.

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Aktuell befindet sich die weltweite Leistungselektronikbranche in einer Umbruchs- oder Übergangsphase, die durch den weltweiten Trend zur Nachhaltigkeit vorangetrieben wird. Zu den wichtigsten Markttreibern gehören die von der Politik vorangetriebenen drei Megathemen: Reduzierung der CO2-Emissionen, die Einführung erneuerbarer Energien und der Trend zur Elektrifizierung in verschiedenen Sektoren. Zu den sichtbarsten Beispielen dieser Entwicklung zählt neben PV- und Windkraftanlagen vor allem die Elektrifizierung von Fahrzeugflotten. Aber die Auswirkungen der Umsetzung der technischen Entwicklung in dieser Branche gehen weit über den Automobilbereich hinaus.

Angetrieben wird der weltweite Markt für Leistungselektronik, der bislang traditionell in erster Linie von industriellen Motorantrieben, elektrifizierten Fahrzeugen und Lösungen für erneuerbare Energien angetrieben wird, inzwischen durch zusätzliches Wachstum aus aufstrebenden Sektoren wie Batteriespeichersysteme (BESS), Gleichstrom-Ladegeräte für Elektrofahrzeuge (EV) und Rechenzentren. Besonders das Thema Rechenzentren ist aufgrund der steigenden Nachfrage nach künstlicher Intelligenz (KI), die robuste und effiziente Energiemanagementlösungen erfordert, besonders relevant.

Aktuelle Marktprognosen der Yole Group zeigen, dass die Leistungselektronikbranche weiter stetig wachsen wird, wobei der Umsatz mit Leistungsgeräten von 23,8 Mrd. US-Dollar im Jahr 2023 auf voraussichtlich 35,7 Mrd. US-Dollar im Jahr 2029 steigen wird. Größtes Segment wird dabei der Automobil- und Mobilitätssektor bleiben und er wird in den kommenden Jahren weiterhin das stärkste Wachstum verzeichnen. Während Silizium die dominierende Technologie bleiben wird, werden SiC-Leistungsmodule und diskrete Leistungsbauelemente sowie diskrete GaN-Leistungsbauelemente eine entscheidende Rolle beim Vorantreiben der Elektrifizierung und der Verbesserung der Effizienz spielen.

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Drei Säulen für den Übergang zu einer CO2-neutralen Gesellschaft = drei Haupttreiber für das Wachstum des Marktes für Leistungsbauelemente (Grafik: Yole Group).
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»Doch trotz ihrer weiterhin positiven Aussichten steht die Leistungselektronikbranche vor erheblichen geopolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen«, so Dr. Milan Rosina, Principal Analyst, Leistungselektronik und Batterie bei der Yole-Gruppe, »die globale Lieferkette bleibt anfällig für politische und wirtschaftliche Instabilität, insbesondere in Europa und den USA.«

Staatliche Anreize haben eine wichtige Rolle bei der Förderung von erneuerbaren Energien und der Einführung von Elektrofahrzeugen gespielt, so die Analysten der Yole Group, aber eine sich verändernde politische Landschaft könnte diese Anreizmechanismen verändern und den Fortschritt möglicherweise verlangsamen.

So haben die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in Europa Bedenken hinsichtlich der Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen in Produktionssektoren wie Autos, Batterien und Windturbinen aufkommen lassen. Infolge des zunehmenden Wettbewerbs durch chinesische Anbieter, die von niedrigeren Herstellungskosten und starker staatlicher Unterstützung profitieren, verändert sich der globale Markt.

So zwingt etwa der Zustrom preisgünstiger Stromversorgungsgeräte, Stromrichter und Endsysteme, wie etwa E-Fahrzeuge und Windturbinen aus China, westliche Entscheidungsträger zunehmend, ihre ursprünglichen Ziele für die Elektrifizierung von Fahrzeugen, die Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge und den Einsatz erneuerbarer Energien zu überdenken.

Festgelegt wurden die öffentlich proklamierten Elektrifizierungsziele schließlich von den politischen Entscheidungsträgern und nicht von den Automobilherstellern selbst. Da viele Autohersteller aktuell mit dem Absatz von Elektrofahrzeugen zu kämpfen haben, könnten diese Ziele revidiert werden.

»Hohe Kosten für Elektroautos und Probleme mit der Infrastruktur dämpfen weiterhin die Nachfrage der Verbraucher, was viele Autohersteller dazu veranlasst, sich wieder auf Hybridfahrzeuge als erschwinglichere und praktischere Alternative zu konzentrieren«, so das vorläufige Fazit von Dr. Rosina, »Hybride sind aufgrund ihres niedrigeren Preises und der Tatsache, dass sie im Vergleich zu vollelektrischen Modellen nicht durch Lade- und Reichweitenbeschränkungen eingeschränkt sind, attraktiver.«

Beherrscht wird die Lieferkette für leistungselektronische Bauelemente nach wie vor von europäischen, US-amerikanischen und japanischen Unternehmen, wie die jüngsten Analysen der Yole Group bestätigen, zu den entscheidenden Playern gehören dabei etwa Infineon Technologies, STMicroelectronics, onsemi, Vishay, Mitsubishi Electric und Fuji Electric.

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Führende Unternehmen der Leistungselektronik (Grafik: Yole Group).
© Yole Group

Doch anders als noch vor einigen Jahren, sind diese westlichen Industrien inzwischen zunehmend von der Lieferung von Geräten und Systemen durch chinesische Hersteller abhängig. Um dieser Herausforderung zu begegnen, diversifizieren die Unternehmen ihre Lieferketten durch Strategien wie etwa »China plus eins«. Konkret bedeutet das, sie sichern sich durch mindestens einen Lieferanten außerhalb Chinas ab, um geopolitische Risiken abzumildern.

So bemühen sich die USA und Europa darum, ihre Abhängigkeit von chinesischer Technologie durch neue handelspolitische Maßnahmen zu verringern, während China mit der Sicherung seiner Dominanz bei der Versorgung mit strategischem Material, der Stärkung der inländischen Produktionskapazitäten und der Bevorzugung inländischer Zulieferer - seiner Strategie »Made in China für China« - kontert. Um Handelsbeschränkungen und Zölle zu umgehen, streben einige chinesische Hersteller Partnerschaften und Übernahmen außerhalb Chinas an, um sich weiterhin den Zugang zu wichtigen Märkten zu erhalten.

Chinesische Hersteller von Stromrichtern und Endsystemen übernehmen neue Technologien oft schneller als ihre westlichen Gegenstücke. Während westliche Firmen wie Infineon Technologies, STMicroelectronics und Renesas in GaN-Firmen investieren, setzen chinesische Unternehmen die GaN-Technologie in Elektrofahrzeugen schneller ein. Ein Paradebeispiel dafür ist Changan Automobile, das vor kurzem ein GaN-basiertes Onboard-Ladegerät eingeführt hat, das in das neu auf den Markt gebrachte Qiyuan E07 EV integriert ist.

Nicht-chinesische Hersteller von Stromversorgungsgeräten versuchen, Zugang zu Chinas riesigem Markt für Endsysteme zu erhalten, aber die wachsende technologische Kompetenz, die erhöhten Produktionskapazitäten und die aggressive Preisgestaltung chinesischer Firmen - unterstützt durch eine starke staatliche Unterstützung - erschweren ihnen den Markteintritt zunehmend.

Westliche Unternehmen setzen daher verschiedene Strategien ein, um in diesen Markt einzudringen. Einige Unternehmen bauen Produktionskapazitäten in China auf oder erweitern sie, während andere ihre Produktionskosten durch die Verlagerung von Betrieben in kostengünstigere Länder wie Vietnam und Malaysia senken. Ein weiterer Ansatz ist die Zusammenarbeit mit chinesischen Unternehmen der Leistungselektronik, wie das etwa STMicroelectronics mit SanAn und XinDong-Semi tut.

Um ihre Position auf dem Markt zu stärken, erweitern viele Unternehmen ihr Geschäft durch Diversifizierung in neue Technologien wie SiC und GaN, neue Bauelemente, etwa in Form von Hochspannungsbauelementen, Bauelementen für nicht standardisierte Spannungen, wie etwa die Spannungsklasse 2,X kV, sowie durch die Ausrichtung auf neue Anwendungsmärkte wie BESS, EV DC-Ladegeräte oder Rechenzentren.

Strategische Manöver wie die genannten, verdeutlichen die Komplexität der globalen Lieferkette und die dynamischen Veränderungen, die sich in der Branche vollziehen.

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Verschiedene Wege zur Erweiterung bestehender Geschäfte in der Leistungselektronik (Grafik: Yole Group).
© Yole Group

Trotz eines insgesamt positiven Wachstumstrends befindet sich die Leistungselektronikbranche in einer Übergangsphase. In den letzten Jahren hat der Ansturm auf die Erweiterung der Fertigungskapazitäten - insbesondere bei SiC-Leistungswafern und -bauelementen - zu Überkapazitäten geführt, so dass viele Unternehmen Schwierigkeiten haben, ihre Investitionen in neue Fertigungsanlagen und die Produktion von Wafern mit größerem Durchmesser unmittelbar zu amortisieren.

Darüber hinaus zwingt der Preisverfall bei Wafern und Geräten aufgrund des zunehmenden Wettbewerbs - insbesondere durch chinesische Hersteller - die Unternehmen dazu, ihre Geschäftsstrategien neu zu bewerten. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, verschieben einige Firmen geplante Erweiterungen und schließen ältere, weniger effiziente Anlagen.

Während der Markt für Stromversorgungsgeräte weiter wächst, bleibt die Unsicherheit darüber bestehen, wo die zukünftigen Produktionskapazitäten aufgebaut werden. Angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Bedingungen werden die Herstellungskosten ein entscheidender Faktor sein. Aufgrund ihrer wettbewerbsfähigen Produktionskosten werden südostasiatischen Länder dabei als starke Anwärter für Investitionen in neue Anlagen angesehen, wie Dr. Rosina erläutert.

In ihren jüngsten Untersuchungen geht die Yole-Gruppe nach den Worten von Dr. Rosina davon aus, dass die Konsolidierung der Lieferkette - die bereits begonnen hat - kurzfristige Kapazitätserweiterungsprojekte verlangsamen wird. Einige Unternehmen könnten die Umstellung auf die Produktion von Wafern mit größerem Durchmesser beschleunigen und gleichzeitig ihre Aktivitäten in Hochkostenregionen aufgeben. Diese Umstrukturierung der Branche wird die nächste Phase der Entwicklung der Leistungselektronik prägen und bestimmen, wo der Schwerpunkt der künftigen Innovation und Produktion liegen wird.

Ohne Frage, die Leistungselektronikindustrie befindet sich aktuell an einem kritischen Punkt. Während die Nachfrage in verschiedenen Sektoren stark bleibt, definieren geopolitische Spannungen, Verschiebungen in der Lieferkette und Marktkorrekturen die Landschaft neu. Da sich der Wettbewerb verschärft, müssen Unternehmen strategische Beschaffung, Kostenoptimierung und technologische Führerschaft anwenden, um widerstandsfähig zu bleiben.

Aus diesem Grund werden die nächsten Jahre entscheidend sein für die Zukunft der Leistungshalbleiterfertigung, die Dynamik der Lieferketten und die weltweiten Elektrifizierungsbemühungen. Ob der Westen seine Führungsposition in der Leistungselektronik halten kann oder ob China den Zugang westlicher Unternehmen zu seinem Endsystemmarkt beschränken wird, bleibt eine offene Frage.

Derweil schreitet die technologische Entwicklung der Leistungselektronik und der Verbindungshalbleiter rasch weiter voran. Um die Auswirkungen der Megatrends, die geopolitischen Herausforderungen und das Transformationspotenzial der Märkte von morgen zu verstehen, ist es wichtig, auf dem Laufenden zu bleiben.


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