Heterogene Integration

Chiplets – Chance für die europäische Industrie

2. Dezember 2019, 10:42 Uhr | Heinz Arnold
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Andy Heinig, Gruppenleiter Systemintegration am Institutsteil Entwicklung Adaptiver Systeme EAS des Fraunhofer IIS: »Die technischen Fragen sind im Wesentlichen gelöst. Jetzt stehen wir vor den typischen Standardisierungsproblemen. Sie müssen aber gelöst werden, denn ohne einen Standard für die Schnittstellen kann die heterogene Integration über Chiplets nicht funktionieren.«
© Fraunhofer IKIS/EAS

Speziell auf die Anforderungen der europäischen Industrie zugeschnitten will das Fraunhofer IIS/EAS Chiplets standardisieren. Das bietet die Chancen.

Denn so könnten sich Systemhersteller hierzulande von großen asiatischen und US-Chipherstellern unabhängig zu machen und sich zu differenzieren, wie Andy Heinig, Gruppenleiter Systemintegration Fraunhofer IIS/EAS, im Gespräch mit Markt&Technik erklärt.

Markt&Technik: Warum sind Chiplets gerade für die europäische Industrie so interessant?

Andy Heinig: Die monolithische Integration auf Basis von Moore‘s Law mit Designkosten von mehreren 100 Mio. Dollar pro IC lohnt sich erst dann, wenn die ICs in riesigen Stückzahlen Einsatz finden. Das ist im Wesentlichen nur noch in der Mobilkommunikation der Fall. Für kleinere Stückzahlen, wie sie in der Industrie üblich sind, ist dieser Ansatz nicht mehr sinnvoll. Chiplets bieten die Möglichkeit, einerseits sehr hochperformante Funktionseinheiten, etwa KI-Beschleuniger, ADCs, DACs, FPGAs, zu realisieren, und zwar auf dem für die jeweilige Funktion günstigsten Prozessknoten.

Es handelt sich also um IP, das in Silizium gegossen wird?

Auch für IPs wäre es wünschenswert gewesen, wenn sich Standards für Schnittstellen herausgebildet hätten. Der Druck war aber offenbar nicht hoch genug, alle haben sich schlussendlich um die Standardisierung gedrückt.
Das ist einer der wesentlichen Unterschiede zwischen IPs und Chiplets: Bei Chiplets geht ohne Standards für die Schnittstellen gar nichts. Außerdem ist alles, was ins Silizium gebracht wird, teuer, denn die Chiplets müssen auch produziert, die entsprechenden Masken gefertigt und das Resultat verifiziert werden. Trotzdem würde das Ganze viel billiger kommen als die monolithische Integration – unter der Voraussetzung, dass sich alle Beteiligten auf die Standardisierung der Schnittstellen einigen können.

Derzeit gibt es zwei Initiativen, die sich um die entsprechende Standardisierung kümmern, die Common Heterogeneous Integration and IP Reuse Strategies (CHIPS) sowie die Open Domain Specific Accelarator (ODSA) Working Group. Beteiligt sich Ihr Fraunhofer-Institut an diesen Initiativen?

Hinter der US-Initiative CHIPS steht die DARPA. Dieser Initiative geht es vor allem darum, zu ergründen, was mit Chiplets grundsätzlich machbar ist, egal wie viel es kostet. Da können auch einmal 30 oder mehr Chiplets auf ein Substrat bzw. Silizium-Interposer gesetzt werden. So etwas kann man dort machen, wo es nur auf die höchst erreichbare Performance ankommt. Wirtschaftlich sinnvoll wird so etwas nie. Deshalb ist diese Initiative für die europäische Industrie nicht so interessant. Wir sehen in der ODSA den für uns vielversprechenderen Ansatz und versuchen, uns dort einzubringen.

Gibt es Unterschiede zwischen dem, was Sie vorantreiben wollen, und dem Ansatz von ODSA?

Wir beschäftigen uns innerhalb des Fraunhofer IIS im Institutsteil Entwicklung Adaptiver Systeme EAS seit zehn Jahren mit dem Thema Chiplets und haben uns vor allem auf die unteren Layer konzentriert. ODSA kommt genau aus der anderen Richtung: Die Unternehmen, die dort tätig sind, arbeiten vor allem an Beschleuniger-Karten für Server, weshalb sie sich vorwiegend für die oberen Schnittstellen-Layer interessieren, insbesondere für die Anbindung der Speicher. Da spielen sogar Security-Erwägungen eine wesentliche Rolle.

Was für die Anforderungen der europäischen Industrie viel zu weit ginge?

Ja, wir setzen für die europäische Industrie vor allem auf die Low-Level-Protokolle und wollen sie in ODSA einbringen. Wir gehen auch davon aus, dass nicht immer der ganze Protocol-Stack bis zu den obersten Ebenen verwendet werden sollte. Der Aufwand ließe sich doch sicherlich reduzieren. Es gibt hier also noch viel zu klären. Was aber sehr positiv ist und warum es sich lohnt, bei ODSA mitzumachen: Das Chiplets-Thema hat damit deutlich an Fahrt aufgenommen und ist in das Bewusstsein vieler Anwender, auch hierzulande, vorgedrungen. Innerhalb von ODSA geht es kontinuierlich voran und wir wollen von dem Schwung profitieren.

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