Schukat electronic, Annette Landschoof

Zwischen Konsolidierung und Allokationsgefahr

24. März 2024, 14:30 Uhr | Engelbert Hopf
Annette Landschoof, Schukat electronic: »Aller Voraussicht nach, wird 2024 zu einem Jahr der Konsolidierung, doch wenn nicht alle Beteiligten aufpassen, kann es zu einem Bullwhip-Effekt und zu einer Allokation 2025 kommen!«
© Pemko/Schukat

Für Annette Landschoof, Produktmanager passive, elektromechanische Bauteile, Komponenten und Geräte bei Schukat electronic, gibt es durchaus noch Produkte mit langen Lieferzeiten. Trotz der sich abzeichnenden Konsolidierung 2024 warnt sie vor einem möglichen Bullwhip-Effekt Ende des Jahres.  

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Markt&Technik: Frau Landschoof, die ersten zwei Monate des Jahres 2024 liegen hinter uns. Entsprechen Sie Ihren Erwartungen? Hat sich die Stimmung am Markt gegenüber 2023 geändert? Wie würden Sie die aktuelle Stimmung am Markt für passive Bauelemente in Deutschland beschreiben?

Landschoof: Der Start liegt innerhalb unserer Erwartungen für das erste Quartal. Es gibt leichte Anzeichen einer Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr. So fragen Kunden inzwischen immer wieder auch Volumen an, und die Gespräche bezüglich Lieferterminverschiebungen oder Stornierungen haben abgenommen. Die Aussichten auf eine Erholung im 3. Quartal sind etwas getrübt, und es wird immer mehr von einer Erholung nicht vor dem 4. Quartal 2024 ausgegangen. Aktuell ist es so, dass wieder neue Bestellungen getätigt werden, auch wenn diese aktuell nur für kurze Zeiträume und mit weniger Rahmen vergeben werden.

Wenn Sie auf das Jahr 2023 zurückblicken, was hat es in Ihren Augen am meisten gekennzeichnet? Entsprach es Ihren Erwartungen? Was hat Sie am meisten enttäuscht? Wann kippte der Markt Ihrer Ansicht nach vom Verkäufer- wieder zum Käufermarkt?

Aus unserer Sicht gab es die ersten Anzeichen für das Kippen des Marktes bereits im dritten Quartal 2022, danach hat es sich im Jahr 2023 nicht mehr gefestigt. So war das letzte Jahr wieder sehr von Eskalationsgesprächen geprägt, diesmal ging es auch um Bestände aber nicht um zu liefernde Bauteile sondern um Rücktritte von Vereinbarungen. Im Rückblick war das erste Halbjahr noch „gut“, da wir die überfälligen Rückstände aus dem Vorjahr abbauen konnten, danach kippte die Stimmung, befeuert durch äußere Faktoren dann immer mehr. Wirklich enttäuscht hat mich die Tatsache, dass es trotz aller Warnungen, Empfehlungen und der engen Zusammenarbeit zwischen Kunden und Distributoren in den Monaten zuvor doch wieder ganz massiv auf den gesamten Markt zu Hamsterkäufen gekommen ist.

Als Distributor bieten Sie ein reiches Spektrum an passiven Bauelementen verschiedenster Hersteller an. Gibt es aus Ihrer Sicht Produktgruppen, oder Hersteller, die aktuell etwa immer noch durch höhere Lieferzeiten auffallen?

Es gibt immer noch Produktgruppen die hohe Lieferzeiten aufweisen, etwa einzelne Relais-Typen, sowie einzelne Kondensatoren und Widerstände.

Durch die Attacken der Huthi-Milizen auf die zivile Schifffahrt im Golf von Aden, meiden Frachter zunehmend die Passage durch den Suezkanal. Das bedeutet eine verlängerte Fahrstrecke. Auf dem Hin- und Rückweg nach Asien kann sich das bis zu sechs Wochen aufaddieren. Haben sich Ihre Kunden bereits darauf eingestellt?

Bislang sind die Auswirkung für den Bereich passive Bauelemente bei uns gering. Ich sehe auch aufgrund der aktuellen Marktsituation keine Auswirkungen, da wir und unsere Parnter aktuell gute Lagerbestände vorhalten.

Wenn Sie die aktuellen Prognosen zum wirtschaftlichen Wachstum in Deutschland 2024 betrachten, mit welcher Geschäftsentwicklung rechnet Schukat im Bereich passiver Bauelemente in diesem Jahr? Erwarten Sie 2025 eine Verbesserung?

Ich bin davon überzeugt, dass 2024 ein Jahr der Konsolidierung wird. Ich befürchte aber auch, dass, wenn nicht alle Marktbeteiligten aufpassen, wir in ein schlimmes zweites Halbjahr und ein noch schlimmeres Jahr 2025 hinein geraten könnten. Wir sprechen von der Gefahr einer Allokation. Alle wollen ihre Kosten senken und sollte Markt dann wieder anziehen können die Bedarfe wohl nicht mehr vollumfänglich kurzfristig  bedient werden.

Wenn Sie die verschiedenen Absatzmärkte betrachten, gab oder gibt es aus Ihrer Sicht Anwendungsbereiche, die sich 2023 noch positiv entwickelt haben? Sehen Sie solche Hoffnungsträger auch 2024?

Im letzten Jahr war der Bereich Drive Systems noch am gesündesten unterwegs erst zum 4. Quartal wurde es dann auch dort zunehmend schwieriger.

Vor dem Hintergrund der weltweit gesunkenen Nachfrage nach passiven Bauelementen, über welche Auslastung der Produktion sprechen die Hersteller Ihnen gegenüber? Um wie viel liegt die im Schnitt unter 2022/23? Wie schnell sind die Hersteller Ihrer Erfahrung nach in der Lage, die Produktion wieder einer sprunghaft steigenden Nachfrage anzupassen?

Uns gegenüber haben die Hersteller eine deutliche Reduzierung im mittleren zweistelligen Prozentbereich genannt. Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass sich das Hochfahren einer Fab durchaus über einen Zeitraum von einigen Monaten ziehen kann. In diesem Zusammenhang sind mehrere Faktoren zu berücksichtigen, wie Rohstoffe, Vormaterialien und Personal, das gegebenenfalls wieder eingearbeitet werden muss. Und bis es die Maschinen beherrscht, vergeht Zeit.

Spricht man mit Einkäufern aus dem Bereich der Industrieelektronik, dann freuen die sich über die Rückkehr des Marktes. Preise werden wieder verhandelt. Erodieren die höheren Preise aus der Pandemiezeit inzwischen? Wie lange schätzen Sie, wird dieses Zeitfenster möglicher reduzierter Preise geöffnet sein?

Man wird nicht mehr ganz auf das Niveau der Preise von vor der Pandemie kommen aufgrund von Inflation, gestiegener Lohn- und Materialkosten. Es ist sehr schwer abzuschätzen, wie lange das Zeitfenster offen sein wird, letztlich hängt das von Angebot und Nachfrage ab.

Wann rechnen Sie mit dem Einsetzen eines Bullwhip-Effekts, wenn die Bestellzahlen schlagartig wieder steigen, weil die Läger abgeschmolzen sind? Bereits in der zweiten Jahreshälfte 2024, oder erst im 1. Quartal 2025?

In der Branche herrscht die Hoffnung vor, dass es im zweiten Halbjahr wieder zu steigenden Bedarfen kommen wird. Aber, wenn nicht alle Beteiligten nicht aufpassen, kann es zum Bullwhip-Effekt und zu einer Allocation im Jahr 2025 kommen. Ich gehe allerdings davon aus, dass diese Allokation nur für einen begrenzten Zeitraum auftritt, und sich nicht wie zuletzt über einen Zeitraum von mehr als 12 Monaten hinziehen wird.

Noch eine technische Frage: Seit zwei Jahren sind Bauelemente der Baugröße 008004 am Markt erhältlich. Führen Sie entsprechende Hersteller im Programm? Spielen diese Produkte in Europa eine Rolle, oder ist das in Ihrer Einschätzung ein rein asiatischer Markt? 

Schukat hat solche Bauteile bislang mit wenigen Serien im Programm. Wir sehen aktuell noch nicht die große Nachfrage für diese kleinen Bauteile. Unsere Umsatzzahlen zeigen aber, dass sich der Bereich langsam entwickelt.


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