Grüne Elektronik

Kondensatoren mit umweltfreundlicher Folie

21. Januar 2024, 8:30 Uhr | Von Kathrin Veigel
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Für die ModCap-DC-Link-Kondensatoren nutzt TDK eine biozirkuläre Polypropylenfolie - ein Schritt hin zu nachhaltigen Folienkondensatoren, wie Dr. Marisa Rico, Koordinatorin des materialwissenschaftlichen Labors, und Victor Alcaide, Leiter Produktmarketing für Leistungskondensatoren, erklären.

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Wann und wie haben Sie herausgefunden, dass sich Polypropylenfolie auch aus biobasierten Quellen herstellen lässt?

Dr. Marisa Rico: Bei TDK konzentrieren wir uns darauf, dass die Fertigung von Kondensatoren die Umwelt so wenig wie möglich belastet. Daher untersuchen wir ständig unterschiedliche Ansätze im Zusammenhang mit der Kreislaufwirtschaft, um den Lebenszyklus unserer Komponenten zu verlängern, den Materialbedarf zu reduzieren und den Abfall am Ende des Lebenszyklus umweltschonend zu behandeln.

Unser Team für Grundlagenforschung und Entwicklung arbeitet aktiv mit Zulieferern zusammen, um neue nachhaltige Materialien zu entwickeln, ohne dabei Kompromisse bei den Materialeigenschaften einzugehen. Biobasierte Folien sind als Verpackungsmaterialien, insbesondere für den Lebensmittelsektor, schon heute weit verbreitet. Die Borealis Group hat ein solches Polypropylen-Rohmaterial entwickelt und schlug vor, es an unseren Kondensatoren zu testen.

Dr. Marisa Rico von TDK
Dr. Marisa Rico von TDK
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Gewöhnlich stammt Polypropylen aus fossilen Grundstoffen. Was ist die Herkunft dieser biobasierten Folie?

Dr. Marisa Rico: Je nach Herkunft – nachwachsende Rohstoffe aus der Landwirtschaft oder aus Abfällen und Reststoffen – kann man zwischen Polypropylen der ersten und der zweiten Generation unterscheiden. Rohstoffe der ersten Generation (bio) stammen aus Nutzpflanzen, die für Nahrungs- und Futtermittel angebaut werden. Rohstoffe der zweiten Generation (biozirkulär) hingegen kommen ausschließlich von Abfällen und Reststoffen: aus der Gewinnung von Pflanzenöl, aus der Papier- und Zellstoffindustrie oder beispielsweise aus gebrauchtem Speiseöl. Der Markt setzt auf biozirkuläres Polypropylen der zweiten Generation, um grundlegende moralische Fragen zu vermeiden, wie etwa Konflikte mit dem Nahrungsmittelanbau. Denn das könnte dazu führen, dass die Lebensmittelpreise steigen.

Das von TDK verwendete biobasierte Propylen ist ISSC-zertifiziert. Was bedeutet das?

Victor Alcaide: ISCC steht für International Sustainability and Carbon Certification und ist ein Zertifizierungssystem für die Nachhaltigkeit aller land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnisse und Märkte. Es entspricht der EU-Richtlinie für erneuerbare Energien und der Kraftstoffqualitätsrichtlinie der Europäischen Kommission.

Victor Alcaide von TDK
Victor Alcaide von TDK
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Damit TDK das ISCC-Logo verwenden und damit werben kann, dass unsere hier produzierten Folienkondensatoren zu 100 Prozent aus biozirkulären Folien bestehen, ist eine entsprechende Zertifizierung für unser Werk in Málaga zwingend erforderlich. Damit können wir gegenüber unseren Kunden nachweisen, dass wir Folien der zweiten Generation einsetzen. Unser Werk wird jährlich auditiert, um zu dokumentieren, dass die Folie in unseren Bauelementen tatsächlich biozirkulär ist.

Hat diese neue Polypropylenfolie wirklich die gleichen physikalischen Eigenschaften wie die herkömmliche Folie?

Dr. Marisa Rico: Biozirkuläres Rohmaterial kann auf die gleiche Weise verarbeitet werden wie konventionelles. Obwohl es aus unterschiedlichen Rohstoffen stammt, hat das biozirkuläre Material dieselben physikalischen und elektrischen Eigenschaften wie das aus fossilem Ausgangsmaterial. Selbst die Lieferanten der Rohstoffe und Folien machen keinerlei Unterschied. Das hängt auch damit zusammen, wie die ISCC-Zertifizierung funktioniert.

Die ISCC-Zertifizierung für das Werk in Málaga ist zwingend erforderlich, damit TDK damit werben kann, dass die dort produzierten MolCaps zu 100 Prozent aus biozirkulären Folie hergestellt werden
Die ISCC-Zertifizierung für das Werk in Málaga ist zwingend erforderlich, damit TDK damit werben kann, dass die dort produzierten MolCaps zu 100 Prozent aus biozirkulären Folie hergestellt werden.
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Die erste Produktfamilie mit diesem biobasierten Propylen ist ModCap. Warum haben Sie sich dafür entschieden und in welchen Anwendungen werden diese Kondensatoren eingesetzt?

Victor Alcaide: Die ModCap-Serie ist unser innovativstes Produkt bei PEC HP (Power Electronic Capacitor High Power). Hierbei handelt es sich um eine Lösung, die einerseits modular aufgebaut ist und somit die Markteinführungszeit der Kundendesigns verkürzt und die zusätzlich die Kosten reduziert. Zum anderen bietet sie sehr hohe Energiedichten in der MF-Version (Mittelfrequenz) und sehr hohe Leistungsdichten in der HF-Version (Hochfrequenz).

Unsere ModCap-Serie ist die modernste Lösung für DC-Link-Anwendungen in Invertern auf Basis der neuen Generation von Siliziumkarbid-Halbleitern. ModCap-Kondensatoren können sehr hohe Schaltfrequenzen bewältigen und sind gleichzeitig ein nachhaltiges Produkt, das den Kundenwünschen in Bezug auf umweltfreundliche Materialien gerecht wird.

Eine biobasierte Folie ist großartig, aber was ist mit dem Polyurethan-Harz und dem Gehäuse? Sind diese ebenfalls biobasiert?

Victor Alcaide: Vollständig biozirkuläre Folien sind nur ein erster Schritt. Unser Team für Grundlagenforschung und Entwicklung arbeitet aktiv mit Zulieferern zusammen, um neue nachhaltige Materialien zu entwickeln, ohne die Materialeigenschaften zu verschlechtern. Dazu gehören Polyurethanharz, interne Isolatoren und das Gehäuse. Allerdings stellt Polyurethan aufgrund der Anforderungen, die an Kondensatoren gestellt werden, eine besondere Herausforderung dar.

Wie sieht es mit den Kosten aus? Ist bio-basiertes Polypropylen genauso teuer wie herkömmliches und was ist Ihr strategischer Ansatz?

Victor Alcaide:Tatsache ist, dass biozirkuläre Folie derzeit etwa 20 bis 30 Prozent teurer ist als konventionelle. Aber ich bin überzeugt, dass wir das Richtige tun, um die Wettbewerbsfähigkeit der ModCap-Serie von TDK zu unterstützen. Außerdem belegt die biozirkuläre Folie in unseren ModCaps, dass TDK ein innovatives Unternehmen ist, das nachhaltig und proaktiv agiert.

Wann werden diese ModCaps mit biobasierter Folie für Kunden verfügbar sein? Und wann erwarten Sie, dass das Polyurethan-Harz und das Gehäuse biobasiert sind?

Victor Alcaide: Die biobasierte Folie geht seit Mitte 2023 für alle unsere ModCap-Serien, MF- und HF-Versionen, in die Serienfertigung. Dies ist die neue Standardlösung ohne Mehrkosten für unsere Kunden. Außerdem können wir die biobasierte Folie auch in kundenspezifischen Kondensatoren nutzen, wenn die Kunden daran interessiert und bereit sind, einen kleinen Aufpreis dafür zu zahlen. Die Zulassung weiterer biobasierter Materialien erwarten wir bis 2024.

ModCap ist der Einstiegspunkt für biobasierte Folienkondensatoren bei TDK. Eignet sich diese Technologie auch für andere Arten von Folienkondensatoren, zum Beispiel DC- und EMI-Filter-Kondensatoren?

Victor Alcaide: Biozirkuläre Folien sind auch für andere Folienkondensatortechnologien uneingeschränkt tauglich. Für kundenspezifische Kondensatoren aus dem Bereich PEC HP werden sie auf Anfrage erhältlich sein. Für die anderen Technologien wird es von der Marktakzeptanz der ModCaps abhängen.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Rico und Herr Alcaide!


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