Im Zuge der EU-Entscheidung, den Halbleiterfertigungsstandort Europa massiv mit Investitionsgeldern zu unterstützen, werden in den nächsten Jahren nun allein in Deutschland eine ganze Reihe von neuen Fertigungsstätten von Infineon Technologies, TSMC, Vishay Semiconductor, Wolfspeed und Intel entstehen, um nur einmal die zu nennen, deren Standortentscheidungen inzwischen bereits getroffen sind.
»Halbleiter sind heute eine strategische Waffe, um die Autarkie von Europa in Zukunft zu gewährleisten«, meint Grasshoff, »es gibt keine Alternative dazu, dass Europa in Zukunft mindestens 20 Prozent des weltweiten Halbleiterbedarfs erzeugt«. Grasshoff legt aber auch Wert darauf, »dass nicht nur Investitionen in Leading Edge notwendig sind, sondern auch in Strukturbreiten jenseits von 42 nm«. Ein IGBT, erinnert er, hat Strukturbreiten von 120 bis 180 nm.
Eine weitere Kritik Grasshoffs richtet sich dagegen, dass die Politik bislang im Wesentlichen nur Großprojekte im Milliarden-Euro-Bereich unterstützt. »Aber es gibt in der Leistungselektronik und im CMOS-Bereich eben auch viele kleine und mittlere Firmen, die vielleicht Projekte in der Größenordnung von 100 oder 200 Millionen Euro realisieren wollen.«
Grasshoff zeigt aber auch Verständnis für die Vorgehensweise der Politik: »Man konzentriert sich auf Groß- und Prestigeprojekte, weil man Skaleneffekte erzielen will.« Nach den ersten Milliarden, so seine Hoffnung, werde vonseiten der Politik und des ZVEI hoffentlich daran gearbeitet, die Awareness für die Besonderheiten und Spezialitäten der europäischen Mikroelektronikbranche zu schärfen.
»Natürlich freuen wir uns über die Unterstützung der EU und die Freigabe von Fördermitteln«, versichert Gerkensmeyer, »im Prinzip kann das aber nur ein Anfang für längerfristig verbesserte Rahmenbedingungen für die Halbleiterfertigung in Europa sein«. Er beklagt das fehlende Verständnis für die entscheidenden Zusammenhänge in der Mikroelektronik: »Man nimmt gerne werbewirksame Schlagworte wie Nanometerstrukturbreite in den Mund, ohne zu verstehen, was das eigentlich bedeutet, und vergisst oder weiß nicht, dass vielleicht auch andere Parameter wichtig sind.«
Das Verständnis der Politik für diese Zusammenhänge sei noch sehr ausbaufähig, »und der ZVEI kümmert sich da sehr, sehr aufopfernd darum«.
»Natürlich finden wir es gut, dass die EU in Halbleitertechnik investiert«, versichert Dr. Castro, »nur sind wir natürlich auch darüber enttäuscht, dass wir von diesem Programm nicht profitieren, obwohl wir meinen, alle Kriterien zu erfüllen«. Er referenziert damit auf die letztlich von staatlicher Seite nicht genehmigte Übernahme einer Fab im walisischen Newport. Unabhängig davon verweist er auf ein VDA-Papier mit der Aussage, dass die Automobilindustrie nicht nur Intel-Chips, sondern auch Wolfspeed-Chips benötige. V
Vor dem Hintergrund der gescheiterten Akquisition konzentriere man sich nun darauf, an den bestehenden Entwicklungs- und Produktionsstandorten weiter zu wachsen; so bringe man unter anderem jetzt eine GaN-Fertigung nach Hamburg. »Aber die räumlichen Möglichkeiten an diesen Standorten sind letztlich leider begrenzt«, so sein Fazit.