Im Vergleich zum Vorjahr, so die Diskussionsteilnehmer, hat sich die Versorgungssituation deutlich aufgehellt, in gewissen Punkten sogar entspannt. »Small-Signal-MOSFETs für den Consumer- und Handybereich sind heute fast sofort lieferbar«, berichtet Dr. Castro; »bei Leistungs-MOSFETs sehen wir dagegen immer noch Lieferzeiten von 26 Wochen und darüber«.
»Bei Low-Power-MOSFETs ist es immer davon abhängig, ob gerade irgendwo ein großes Automobilwerk seine Produktion drosselt«, berichtet Kasteleiner, »dann stehen die auf einmal in großem Maße zur Verfügung und werden gerne auch an den Distributor geschickt, der schon lange drauf wartet, und ich verteile sie dann an Kunden, die diese Produkte vor ein, eineinhalb Jahren bestellt haben«.
Ganz anders sieht es nach seiner Darstellung bei IGBT-Modulen aus: »Dort müssen wir den Bedarf mit 50 bis 60 Wochen Vorlauf planen, das ist die Herausforderung, vor der ich gerade stehe.« Bei den MOSFETs sei es im Allgemeinen ein bisschen gehäuseabhängig, was verfügbar sei und was nicht, »aber da bewegen sich die Lieferzeiten für uns aktuell zwischen 30 und 40 Wochen«.
Aus Sicht von Grasshoff gibt es im Bereich IGBT-Module derzeit große Unterschiede: »Da gibt es Module, die sind mit 20 bis 30 Wochen Lieferzeit erhältlich, andere dagegen bedürfen eines Bestellvorlaufs von 50 Wochen und mehr.« Nach seiner Erfahrung gibt es für alles, was sich im Leistungsbereich von 5 bis etwa 40 kW bewegt, einen deutlich höheren Bedarf als für Produkte, die in Applikationen mit größerer Leistung zum Einsatz kommen.
»Alles, was mit Energietransformation zu tun hat, seien es nun Erneuerbare, Speicher oder Ladesäulen, aber auch Klimageräte und Kompressoren, läuft gut«, so der Semikron-Danfoss-Manager, »das merkt man dann auch an den dafür benötigten Komponenten«. Weniger gut laufe dagegen alles, was mit Infrastruktur zu tun habe: »Wenn weniger Hochhäuser gebaut werden, sinkt auch der Bedarf an Fahrstühlen und der dafür benötigten Leistungselektronik.«
Große Hoffnungen, dass sich die Situation vor allem im Bereich IGBT-Module zeitnah entspannt, sollte man sich nach Einschätzung der Diskussionsteilnehmer lieber nicht machen. »Allein die Lieferzeiten für das Fertigungs-Equipment liegt derzeit bei 18 Monaten und mehr«, so Grasshoff. »Dann kommen noch die Hochfahr- und Ramp-up-Phase hinzu, das dürften dann locker zweieinhalb bis drei Jahre sein, bevor so ein Werk zusätzliche Fertigungskapazität liefert.« Vor diesem Hintergrund sollte man wohl nicht vor 2024/25 mit einer Entspannung der Situation rechnen.
Von einer Ausnahmesituation geprägt ist der Markt für SiC-Bauelemente. Nach wie vor steht weltweit offenbar nicht genügend Fertigungskapazität zur Verfügung, um den Marktbedarf zu decken. »Ich habe im Halbleiterbereich noch nie einen so umkämpften Markt gesehen, wo sich die Vorstände von Automobilherstellern die Klinke in die Hand geben, um an ihre Bedarfe zu kommen«, so Gerkensmeyer.
Wolfspeed befinde sich in einem globalen Wettlauf mit seinen Wettbewerbern um den Ausbau der Fertigungskapazitäten. Das gelte für die SiC-Kristalle wie auch für die SiC-Bauelemente. Aber die Bedarfsentwicklung sei nachhaltig, versichert Gerkensmeyer, »sonst würden wir und unsere Wettbewerber ja nicht in diesem Stil investieren«. Für die Automobil-Branche entscheidet die Verfügbarkeit von SiC letztlich über Erfolg oder Nichterfolg ihrer E-Mobility-Anstrengungen.
»Es macht halt wenig Sinn, wenn ich fünf attraktive E-Autos in Show-Rooms stehen habe, die Produktion aber nicht hochfahren kann, weil mir entscheidende Komponenten fehlen«, so Gerkensmeyer. Die Kunst für Wolfspeed und die SiC-Branche, so sein Fazit zur aktuellen Situation, »wird in den nächsten Jahren darin bestehen, auf verantwortungsvolle Weise keine falschen Erwartungen zu wecken«.
Der Bedarf werde gestillt werden können, aber eben nicht über Nacht.
»Die OEMs haben Design-ins gemacht und wollen jetzt Stückzahlen machen«, beschreibt Grasshoff das Kommunikationsproblem zwischen der Halbleiter-, speziell der SiC-Branche, und der Automobilwelt. »Die ganze Supply-Chain kommt nicht hinterher, weil die Vorlaufzeiten für so ein Hochfahren eben bei zwei bis drei Jahren liegen.« Eine Presse in einem Automobilwerk lasse sich relativ schnell duplizieren, »eine Halbleiterfabrik nicht. Diese Lernkurve müssen wir alle noch durchlaufen, dass hier eine vernünftige Vorplanung mit entsprechenden Vorlaufzeiten notwendig ist«.