Mit integrierten Leistungselektroniksystemen lässt sich die Anzahl der elektronischen Komponenten in Elektrofahrzeugen erheblich reduzieren. Damit öffnen Integrated Power Electronics Controller (IPEC) den Weg für Veränderungen in der Fahrzeugarchitektur.
Hersteller von Elektrofahrzeugen stehen vor einer großen Herausforderung: Sie müssen die Batterieleistung erhöhen, um den Verbrauchern die Sorge vor einer geringen Reichweite zu nehmen. Der Fahrzeugraum ist jedoch begrenzt. Und je größer die Batterie, desto weniger Platz bleibt für die sie unterstützenden Hochspannungskomponenten.
Ähnlich wie die Elektroniksysteme für benzinbetriebene Fahrzeuge immer weiter integriert wurden, um Platz zu sparen und die Komplexität zu verringern, geschieht dies nun bei der Leistungselektronik – durch eine höhere Leistungsdichte, Redundanz, die Kontrolle der Wärmeentwicklung sowie ein hohes Maß an Sicherheit.
Hierbei kommt die integrierte Leistungselektronik ins Spiel: Ein sogenannter Integrated Power Electronics Controller (IPEC) fasst mehrere Funktionen, die zur Reduzierung des Gewichts und der Masse des Fahrzeugs beitragen, in einem einzigen System zusammen. IPECs lassen sich über Zonen-Controller in die Fahrzeugarchitektur integrieren. Auf diese Weise erhält das Fahrzeug eine neue Ebene für die Ladesteuerung und die Kommunikation mit dem Netz.
Wenn benzinbetriebene Fahrzeuge mit neuen Funktionen ausgestattet wurden, war dafür jeweils eine eigene elektronische Steuereinheit (Electronic Control Unit, ECU) erforderlich. Jede dieser separaten Boxen beanspruchte Platz im Fahrzeugchassis. Zusätzliche Komplexität und Kosten entstanden dadurch, dass jede Box ihre jeweils eigene Software sowie Anschlüsse und eigenes Gehäuse benötigte.
So war es auch bei den frühen EV-Architekturen, bei denen die Komponenten der Leistungselektronik ebenfalls in einzelnen Gehäusen untergebracht waren. Sie mussten zudem so nah wie möglich an der Batterie platziert werden, um die Länge der Kabel für die Verbindung mit der Batterie zu reduzieren. Dieser Ansatz bringt jedoch Nachteile wie höhere Kosten und höheres Gewicht mit sich; zudem müssen die einzelnen Komponenten gegen elektromagnetische Störungen abgeschirmt werden, die durch Hochspannungskomponenten entstehen können.
Als integriertes System könnte ein IPEC den Einbauraum um mehr als 30 Prozent reduzieren. Denn mit IPECs lassen sich die Elektronik und die aktiven Kühlmechanismen gemeinsam nutzen, die Stromverteilung vereinfachen und die Verbindungen mit Stromschienen und flexiblen Steckern optimieren. Der IPEC könnte direkt auf dem Akku platziert oder sogar darin integriert werden, um von dessen Vorteilen hinsichtlich Gehäuse und Kühlsystem zu profitieren. Angesichts dieser Vorteile bei Entwicklung und Einsatz eignen sich IPECs als Grundlage für Innovationen in künftigen EV-Architekturen, wenn die Branche von 400-Volt- auf 800-Volt-Batterien und höher umsteigt.
Ein IPEC deckt Funktionen ab, bei denen es buchstäblich um Leben und Tod geht. So muss es dafür sorgen, dass die Systeme redundant sind, um beispielsweise ein Versagen der Servolenkung oder des Bremssystems zu verhindern, wenn ein Gleichspannungswandler ausfällt. Dies ist besonders wichtig für autonome Fahrszenarien der Stufe 3 und höher, bei denen der Fahrer nicht die volle Aufmerksamkeit auf die Straße richten muss.
Aufgrund der zum Teil überlebenswichtigen Funktionen werden IPECs nach strengsten Software-Entwicklungsstandards konstruiert. In der Automobilindustrie ist dafür der Standard ASPICE vorgeschrieben, eine branchenspezifische Anpassung des ISO-Standards SPICE (Software Process Improvement Capability Determination).
Anhand der ASPICE-Bewertungen wird beurteilt, wie gut die Ingenieure die Kundenanforderungen in Produktionscode umsetzen – einschließlich der Entwicklung und Herstellung der Hardware. Entscheidend sind dabei gründliche thermische und mechanische Analysen mithilfe von softwarebasierten Simulationen. Die Hersteller müssen außerdem spezielle Qualitätsstandards erfüllen, um sicherzustellen, dass die Leiterplatten auch unter extremen Bedingungen funktionieren.
Der IPEC kann sowohl die Kommunikation zwischen Elektrofahrzeug und Ladestationen als auch das Steuern des Ladevorgangs sowie das anschließende Bezahlen an der Ladestation übernehmen. Es muss so konzipiert sein, dass Software-Upgrades »over the air« möglich sind, und es sollte über effektive Cyber-Sicherheitskontrollen verfügen.
Ein gut konzipierter IPEC kann vier Steuergeräte, drei aktive Kühlkreise und mehrere Gehäuse überflüssig machen und so die Anzahl der elektronischen Komponenten um bis zu 30 Prozent reduzieren. Noch wichtiger ist aber, dass IPECs als Grundlage für transformative architektonische Veränderungen und Innovationen in der Elektrofahrzeug-Technologie dienen können. So hat Aptiv bereits eine ausgezeichnete Leistungsdichte für Onboard-Ladegeräte und Gleichspannungswandler auf Basis der Siliziumkarbid-Technologie der nächsten Generation für 800-V-Architekturen erreicht.
So wie die OEMs für Verbrenner eine Lieferkette entwickelt haben, die Softwareentwickler, Hardwarehersteller und Systemintegratoren einbezieht, müssen die Hersteller von Elektrofahrzeugen ein Ökosystem aus Batterieherstellern, Anbietern von elektrischen Systemen sowie Integratoren aufbauen. Damit ließe sich die zugrundeliegende Infrastruktur mit den mechanischen Komponenten der Fahrzeuge sowie mit externen Ressourcen wie Ladestationen und 5G-Netzwerken verbinden.
Integrierte Leistungselektroniksysteme können OEMs dabei unterstützen, die Effizienz bei der Produktion von Elektrofahrzeugen zu steigern. Damit machen sie den Weg für künftige Innovationen in der E-Mobilitätstechnologie frei.
Brian McKay
ist Global Product Segment Director für Integrated Power Electronics & Battery Management Systems bei Aptiv. Sein Team verantwortet das Design und die Industrialisierung von integrierten Netz-zu-Batterie-Systemlösungen, bei der Stromverteilung, Stromkreisschutz, Onboard-Ladung, Gleichstrom-zu-Gleichstrom-Wandlung sowie die Systemhardware für das Batteriemanagement und dessen Steuerung integriert sind.
Lewei Qian
ist Global Director of Power Electronics bei Aptiv. Im Laufe seiner Karriere hat er diverse Technologien zur Elektrifizierung von Fahrzeugen entwickelt – für den Off-Highway- sowie für den E-Automobilbereich. Er verfügt über umfassende Erfahrungen in F&E, Technologieentwicklung, Produkteinführung, Strategie, Programmmanagement, Kundenbetreuung und Lieferkettenmanagement.