Knackpunkt ist die Massenfertigung

Zellfertigung in Deutschland: Zwischen Absicht und Realität

13. Mai 2025, 9:00 Uhr | Engelbert Hopf
Mit dem gemeinsamen Spatenstich zum Bau des zweiten und größten Bauabschnitts der Forschungsfertigung Batteriezelle (»FFB Fab«) im Hansa-BusinessPark in Münster-Amelsbüren. Sie soll das Ziel, Batteriezellen nachhaltig, effizient und im industriellen Maßstab in Deutschland zu entwickeln, einen großen Schritt näherrücken. Ein Ziel, das Bund und Land in Summe mit über 800 Millionen Euro fördern
© Christoph Kniel

Batteriekonfektionierung für E-Mobility ja, Zellfertigung nur in Ausnahmefällen. Mit staatlicher Förderung und umfangreicher Forschung will man den Vorsprung asiatischer Hersteller nicht nur einholen, sondern sie bei der nächsten Generation von E-Mobility-Akkus sogar überflügeln.

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Ob das gelingt, wird die Zukunft zeigen. 

Auf der Shanghai Auto Show gaben einmal mehr asiatische und speziell chinesische Zell- und Batteriehersteller den Ton an, wenn es um neue E-Mobility-Lösungen geht. Speziell CATL und BYD liefern sich bereits seit Jahren einen Wettstreit um die Batterien mit den kürzesten Ladezeiten und der höchsten Reichweite. Ein Wettstreit, der sich auch 2025 fortsetzt.

BYD-Gründer Wang Chuanfu hatte bereits kurz vor der Shanghai Auto Show die Super-e-Platform des Unternehmens vorgestellt, die erstmals Megaladen mit einer Spitzenleistung von 1000 W ermöglicht. Damit wird es nach Angaben von Wang möglich, eine E-Autobatterie innerhalb von fünf Minuten mit einer Reichweite von 470 km aufzuladen. Da durfte CATL natürlich nicht nachstehen. In Shanghai präsentierte das Unternehmen seine nächste Generation von Schnellladebatterien, die sich in fünf Minuten auf eine Reichweite von 520 km aufladen lassen sollen.

China legt vor

BYD legte in Shanghai auch in einer anderen Disziplin die Latte höher. Nach Angaben seines Cheftechnikers Gao Huan wird das Unternehmen im Dezember dieses Jahres mit der Massenproduktion von Natrium-Ionen-Akkus für E-Mobility-Anwendungen beginnen. Die in Shanghai vorgestellte Zelle weist eine Energiedichte von 175 Wh/kg auf. Sie erreicht damit fast das Niveau marktüblicher Lithium-Eisenphosphat-Batterien (LFP). Nach Angaben von Gao trotzen die Zellen auch Kälte bis -40 °C und großer Hitze. Klimatische Bedingungen, die in Chinas durchaus anzutreffen sind. CATL-Gründer Robin Zeng geht davon aus, das Natrium-Ionen-Batterien in Zukunft bis zur Hälfte der heutigen LFP-Batterien ersetzen könnten.

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Dr. Dirk Abendroth, CustomCells: »Mittelfristig könnten die globalen Unsicherheiten zu einer stärkeren Fokussierung auf den europäischen Binnenmarkt führen, was wiederum heimischen Produkten, auch in der Zellfertigung neue Chancen eröffnen würde.«
© CustomCells

Und in Europa, speziell in Deutschland?

Da keimte Ende März durch Berichte in schwedischen Tageszeitungen Hoffnungen auf, dass das Ende für das geplante Northvolt-Werk bei Heide nicht endgültig sein könnte. So wurde von Besuchen von Bosch und Mercedes-Benz in der nordschwedischen Stadt Skellefteå berichtet, die beide Unternehmen aber nicht kommentieren wollten. Angeblich hätte auch Panasonic Interesse gezeigt. Der Vorteil: Man könnte ein komplettes Werk übernehmen, mit entsprechend qualifizierten Mitarbeitern. Das Problem: Man müsste die Produktion im Großserienmaßstab zum Laufen bringen. Das, und nicht nur die mangelnde Finanzierung und der große Kapitalbedarf, waren nach Einschätzung von Branchenkennern der Grund für das Aus von Northvolt. Was ein Kauf von Northvolt für das potenzielle Werk bei Heide bedeuten würde, steht aber wohl in den Sternen.

»Aktueller Stand ist«, so Prof. Karl-Heinz Pettinger, Professor für Elektrische Energiespeicher an der Hochschule Landshut, »dass in Deutschland bislang nahezu ausschließlich importierte Zellen konfektioniert werden«. Von Problemen bei der Prozessstabilisierung im Zusammenhang mit der Zellfertigung, hört er dabei aus vielen Werken, »aber Probleme wie Northvolt scheinen die wenigsten zu haben«. Sein Eindruck ist auch, dass die Automobilhersteller immer größeres Vertrauen in die Lebensdauer der zur Verfügung stehenden Batterien entwickeln, »anders ließen sich die länger werdenden Garantien für Pkw-Batterien nicht erklären.«

In Arnstadt bei Erfurt baut derweil CATL sein seit 2023 laufendes Werk aus, das weitere Hochlaufen des Werks, so das Unternehmen, hänge von der weiteren Marktentwicklung ab. Die Zellen aus Arnstadt finden sich in Fahrzeugen der Premium Platform Electric des VW-Konzerns, konkret etwa im Porsche Macan und im Audi Q6 e-tron. Porsche selbst hat derweil zum 4. März dieses Jahres V4Drive von der Varta-Gruppe übernommen und in V4Smart umbenannt. Die von V4Smart in Ellwangen und später auch auf einer Linie in Nördlingen produzierten Zellen kommen bislang als Boosterzellen in den 911-GTS-Modellen zum Einsatz. Bis Ende dieses Jahres plant das Unternehmen rund 375 Arbeitsplätze an beiden Produktionsstandorten aufzubauen.

Aus Sicht von Dr. Dirk Abendroth, CEO von CustomCells, gibt die Diskussion um Zellenfertigung in Deutschland ein gemischtes Bild ab. »Die Ausgangslage hat sich nicht verbessert, allerdings sehen wir eine steigende Sensibilisierung für das Thema strategische Souveränität in der Zellfertigung – und das gibt Hoffnung«. Er kritisiert das Hin und Her der ganzen Zolldiskussion, »aber mittelfristig könnte das zu einer stärkeren Fokussierung auf den europäischen Binnenmarkt führen, was heimischen Produzenten in der Zellfertigung Chancen eröffnen würde«.

Pettinger Karl Heinz Prof
Prof. Dr. Karl-Heinz Pettinger, Hochschule Landshut: »Sehr positiv fallen die länger werdenden Garantien für Pkw-Batterien auf. Das dürfte gar nicht in erster Linie daran liegen, dass sich die Batterien als solche deutlich verbessert haben, sondern es spiegelt eher das wachsende Vertrauen in die Lebensdauer der Batterien wider.«
© Componeers GmbH

CustomCells selbst produziert in Tübingen und Itzehoe Zellen für High-Performance-Anwendungen im Mobility-Bereich. In seinen Augen ist der Kampf um die Zellenfertigung für die aktuelle E-Mobility in Deutschland entschieden, »bei entschlossenem Handeln gibt es aber unverändert die Chance in der nächsten Technologiegeneration und in anderen Industriesegmenten wieder führend zu werden«.

Genau diesem Zweck dient unter anderem das seit Jahren vorangetriebene Ökosystem BatteryCityMünster, in das in Summe über 800 Millionen Euro Fördergelder vom BMBF und dem Land Nordrhein-Westfalen fließen. Im April erfolgte dort der Baustart der »FFB Fab«. Damit beginnt der zweite Bauabschnitt der Großforschungsanlage in Münster-Amelsbüren. Auf einer Fläche von 20.000 Quadratmetern werden moderne Produktions- und Forschungsareale geschaffen, die bis Ende 2027 eine industrienahe Produktionsforschung und Entwicklung im Gigawatt-Bereich ermöglichen sollen.

Mit der Errichtung der FFB Fab wird die vor Ort verfügbare Anlagenkapazität für die Produktionsforschung an Batterien bis in den großindustriellen Maßstab ausgebaut. Bereits im April 2024 wurde der erste Bauabschnitt, die »FFB PreFab«, eröffnet und in Betrieb genommen. Dort wurde zwischenzeitlich von der Fraunhofer FFB eine Musterlinie für die komplette Batteriezellproduktion im Pilotmaßstab aufgebaut. Zusätzlich stehen sogenannte Innovationsmodule als Erprobungsflächen zur Weiterentwicklung und Umsetzung neuer Batteriekonzepte und Fertigungsverfahren für die Industrie zur Verfügung.

»Während in der ‚FFB PreFab‘ eine komplette Batteriezellproduktion im Pilotmaßstab möglich ist, lassen sich in der ‚FFB Fab‘ diese Prozesse skalieren, indem zum Beispiel der Durchsatz erhöht oder Produktionsschritte automatisiert und unter realen Industriebedingungen optimiert werden«, erläutert Professor Simon Lux, Institutsleiter des Fraunhofer FFB, »in beiden Fabriken können Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Batteriezellproduktion ihre Innovationen praxisnah testen, erproben, weiterentwickeln und so schneller zur Marktreife bringen«.

Unabhängiger von globalen Zulieferern werden

In der Analyse der aktuellen Situation spielt Deutschland nach Einschätzung von Azar Mottale, Bereichsleiterin Mobilität beim ZVEI, »eine gute Rolle, muss sich jedoch in der Lithiumzellenherstellung noch steigern und sollte das Thema Lithiumzellfertigung nicht aufgeben«. Es sei strategisch wichtig, dass Deutschland bei den Zellen unabhängiger von globalen Zulieferern werde. Wie wichtig das sei, belegten einmal mehr die aktuellen weltweiten geopolitischen Unsicherheiten. Ein starkes, deutsches Batterie-Ökosystem, so Mottale, »benötigt jedoch auch kraftvolle staatliche Förderung, ohne die wird es nicht funktionieren«. Ein Hebel hierzu könnten nach ihrer Einschätzung in Zukunft etwa Local-Content-Auflagen für EU-Lithiumzellen sein. Nachdenken solle man auch über große Demonstrationsanlagen sowie Joint Ventures mit asiatischen Partnern.

Asiatische Hersteller konzentrieren sich mit Ausnahme von CATL jedoch bislang zumeist in Richtung Osteuropa, wenn es um die Errichtung von Fabs zur Zellproduktion in Europa geht. Konkret hat sich in den letzten Jahren Ungarn zum Produktionshotspot in Europa entwickelt mit Fertigungsanlagen von BYD, EVE, CATL, Samsung, SK Innovation, Sunwoda. LG seinerseits betreibt ein Zellen-Werk in Polen.


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