Batterieproduktion in Europa

Feststoffbatterien ab 2030 in Vorserien möglich

6. Februar 2025, 18:00 Uhr | Engelbert Hopf
Professor Dr. Karl-Heinz Pettinger, Hochschule Landshut und Keynote-Speaker der diesjährigen Battery&Power World (rechts, im Gespräch mit Engelbert Hopf, Chefreporter der Markt&Technik): „Ein Bedarf an Natrium-Ionen-Batterien existiert eindeutig in stationären und netzstabilisierenden Anwendungen. Da das Element Lithium im Weltvorkommen limitiert ist, sollte es primär für mobile und portable Anwendungen zum Einsatz kommen.“
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Obwohl sich klassische Investoren in Deutschland beim Bau neuer Fabriken für die Batteriefertigung noch zurückhalten, sieht Prof. Dr. Karl-Heinz Pettinger durchaus Chancen, dass sich Deutschlands Produktionsanteil an der Weltproduktion in Zukunft auf Kosten der USA erhöhen wird.

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Markt&Technik: Neben der klassischen 18650 entwickelt sich die 21700 zunehmend zum Rückgrat der portablen Elektroniklösungen. Mit der 4695 zeichnet sich nun eine Batteriegröße mit dem sechsfachen Volumen ab. Wann wird dieses Zellformat einen bedeutenden Marktanteil erreichen?

Prof. Dr. Karl-Heinz Pettinger: Für portable Anwendungen ist die 46er-Serie mit Zellbezeichnungen von 4670 bis 4612 aufgrund ihrer Durchmesser nur bedingt geeignet. Der Markt für diese voluminöseren Rundzellen liegt in Mobilität und stationären Anwendungen. Aufgrund des schlechten Verhältnisses von Oberfläche zu Volumen werden diese Zellgeometrien bedingt durch die schlechtere Wärmeabfuhr nicht im Hochleistungsbereich eingesetzt werden, zum Beispiel für Applikationen, die Schnellladen und Hochstrom-Entladen verlangen. Aktuell liegt die typische Zeitkonstante für das Laden/Entladen dieser Zellen bei einer Stunde bis fünf Stunden.

Kommen wir zu Europas Aufholjagd in puncto Batterieproduktion: Für die Errichtung von Lithium-Ionen-Batteriefertigungsstätten sind je nach Output zwischen einer und zehn Milliarden Dollar notwendig. Wer ist bereit, in diesem Umfang zu investieren?

Man könnte die Frage auch umkehren und sie so stellen, wer ganz sicher nicht bereit sein wird, in dieser Richtung zu investieren, und das sind die deutschen Privat- und Kapitalinvestoren – Thema Risikoangst. ‚Das Kapital ist hierzulande wie ein scheues Reh‘. Dagegen ist durchaus Bereitschaft zu erkennen, bei sehr großen, international agierenden Investmenthäusern oder Banken, mit denen man als Privatmann normalerweise nicht in Berührung kommt, beispielsweise die Vatikan-Bank, oder Finanzmagnaten, die Geld in großem Stil einsammeln.

Im Jahr 2020 gab es 22 Projekte zur Batteriefertigung in Europa. Wie viele davon sind heute noch aktuell? Welche stehen wahrscheinlich noch auf der Kippe?

Wie viele davon aktuell wirklich gefährdet sind, kann ich nicht sagen. Was ich auf jeden Fall sagen kann: Gefährdet sind alle Projekte, die keine klare, erfolgversprechende technologische Linie realisieren können oder ihre eigene ‚Blockbuster-Technologie‘ noch nicht identifiziert haben. Leider werden zudem sehr viele Altlasten und Management-Eitelkeiten so lange herumgeschleppt, bis ‚jemand den Stecker zieht‘. Es ist irritierend, dass funktionierende Technologie nicht lizenziert wird, sondern jedes Konsortium die volle Wertschöpfungskette in Anspruch nehmen will.

Dazu kommt, dass sich die Weltversorgung mit Zellen durch den ehemaligen Partner, jetzt unberechenbaren Gegner, USA und sein spontanes Handeln drastisch verschieben wird. Wir wissen heute nicht, was nächste Woche passiert. Diese Strategie ist pures Gift für Langzeitinvestitionen, wie sie die Batterietechnologie erfordert. Die zieht sich vom Rohstoff-Import bis zum Produkt-Export durch.

Im Jahr 2020 ging der VDE noch davon aus, dass Deutschland seinen weltweiten Produktionsanteil im Bereich der Lithium-Ionen-Batteriefertigung bis 2030 von 12 auf 26 Prozent mehr als verdoppeln könnte. Ist das aus heutiger Sicht pures Wunschdenken?

Nein, ich halte das durchaus immer noch für möglich. Grund ist, dass ich glaube, dass die USA durch ihre aktuelle Politik noch weiter Anteile an der weltweiten Gesamtweltproduktion verlieren werden. Um es ganz klar zu sagen: Die Gesamt-Zellproduktion steigt weltweit weiter kontinuierlich, die regionalen Anteile verschieben sich jedoch zugunsten Europas weg von den USA.

Beim Thema Energie geht es immer auch um das Thema der entstehenden CO2-Emissionen. Im Fall einer Tonne Lithium Carbonat Equivalent (LCE) sind es 35,1 Tonnen. Wie ist dieser Wert im Vergleich zu anderen Energiegewinnungs- und -speichervarianten zu bewerten?

In dieser Form ist die Frage nicht zulässig. Es macht einfach keinen Sinn, nach dem CO2-Footprint oder GLW-Potenzial eines einzelnen Rohstoffes zu fragen und auf die Auswirkung auf die gesamte Effizienz der Technologie projizieren zu wollen.

Ein Blick auf die Rohstoffverfügbarkeit zeigt nur im Bereich Graphit eine starke Lieferabhängigkeit von China. Wird die Abhängigkeit überbewertet?

Leider nein. Ein deutliches Indiz hierfür ist, dass jetzt angesichts dieser Übermacht der jahrzehntelang verlässliche Partner SGL-Carbon in Meitingen aus dem Batteriegeschäft ausgestiegen ist.

Kommen wir noch einmal auf die Batteriefertigungskapazitäten in Europa zurück. Laut dem Batterie-Atlas der EU stellt Deutschland mit 494 GWh das absolute Schwergewicht in Europa dar, vor Großbritannien und Norwegen. Sind diese Zahlen heute noch realistisch?

Auf welches Jahr beziehen sich die 494 Gigawattstunden Produktionskapazität? In diesen Atlanten sind üblicherweise jahresabhängige Hochlaufkurven angegeben. Ich persönlich würde nur die Angaben für die nächsten beiden Jahre als realistisch annehmen. Das heißt: Ausgehend von 2025 ist die Perspektive maximal für das Jahr 2027 realistisch. Warum zwei Jahre? Weil die Planungen und Investitionen für diesen überschaubaren Zeitraum wirklich gesetzt sind. Ein Zeitraum von drei Jahren im Voraus mag für Planungen zulässig sein, die können sich aber auch schnell zerstreuen.

Für die Zukunft verbinden sich große Hoffnungen mit Feststoffbatterien. Halten Sie das für realistisch, vor allem die Erwartung, dass Feststoffbatterien bereits 2030 in Autos zum Einsatz kommen könnten?

In meinen Augen ist die Jahreszahl 2030 angesichts der Integrationsgeschwindigkeit der OEMs für die Serie unrealistisch. In der Vorserie halte ich das dagegen durchaus für möglich. Dafür gelten vereinfachte Zulassungsbestimmungen.

In den letzten Jahren wurde viel über Natrium-Ionen-Batterien berichtet. Angesichts der Energiedichten dieser Zellen ist das erstaunlich, erreichen sie bislang doch kaum die Werte von Lithium-Eisen-Phosphat. War der Hype um Natrium-Ionen-Batterien vor allem den Preissteigerungen bei Lithium-Ionen-Zellen geschuldet, oder erkennen Sie langfristig einen wirklichen Bedarf für Natrium-Ionen-Batterien?

Ich würde sagen, ein Bedarf an diesen Zellen existiert eindeutig in stationären und netzstabilisierenden Anwendungen. Da das Element Lithium im Weltvorkommen limitiert ist, sollte es primär für mobile und portable Anwendungen eingesetzt werden.

Angesichts der Aktivitäten der neuen Trump-Administration: Halten Sie die Prognosen der letzten Jahre in Sachen Batteriemarkt noch für realistisch, oder werden Instrumente wie Schutzzölle dafür sorgen, dass die Pläne zum Aufbau von Fertigungskapazitäten in Europa und außerhalb Chinas ganz neu überdacht werden müssen?

Aktuell sind die Aktivitäten der US-Regierung jeweils mit tagesaktuellen Überraschungen gesegnet. Die Gesamtauswirkungen dieses Feuerwerks von Maßnahmen können vom externen Betrachter in dieser Geschwindigkeit nicht eingeordnet werden. Es ist davon auszugehen, dass die USA sehr viel Vertrauen als verlässlicher Handelspartner durch diese Aktionen verlieren werden. Aus der jetzigen Verunsicherung werden sich Strukturen neu ordnen. Eines ist aber auch klar: Solange Verunsicherung herrscht, bleiben Investitionen aus.

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