Von der Versorgungsknappheit zum Überangebot und Kampfpreisen – am Batterie- und Akku-Markt geht es für Thilo Hack, Vorstand von Ansmann, derzeit vor allem um eine Normalisierung im Angebotssektor. Technisch gewinnt das Thema Software auch im Batterie- und Akku-Bereich schnell an Bedeutung.
Markt&Technik: Halbzeit: Wie würden Sie das erste Halbjahr 2024 aus Sicht von Ansmann einordnen? Erwartungen erfüllt? Erwartungen enttäuscht?
Thilo Hack: Wenn wir unsere beiden Geschäftsbereiche – Industrie und Konsumer vergleichen, dann verlief das erste Halbjahr 2024 sehr unterschiedlich. Im Konsumerbereich waren die ersten sechs Monate sehr positiv. Der Abverkauf über Handelsketten wie Baumärkte, die großen Elektronikmärkte sowie den Einzelhandel liefen sehr gut, wir haben hier sogar viele Neukunden dazugewonnen. Im Bereich Industrie hat die Nachfrage bei allem, was mit Gebäudeeinrichtungen, Mobilität oder Gartentools zu tun hat, deutlich nachgelassen. Die Kunden verschieben ihre Abruftermine nach hinten, da aktuell am Lager befindliche Ware zuerst abverkauft werden muss, um die „Lieferkette zu säubern“. Das zeigen etwa die aktuellen Preiskämpfe im E-Bike-Markt.
Fazit: Das zusätzliche Geld, das während der Corona-Pandemie für größere Anschaffungen im Bereich E-Bike, Garten-Tools oder auch Mobilität zur Verfügung stand, fließt jetzt wieder in den Urlaub.
Wie wird nach Ihrer Einschätzung die zweite Halbzeit 2024 ablaufen? Werden wir eine Erholung sehen, wird sich die Marktdynamik beschleunigen?
Aus aktueller Sicht werden wir 2024 keine spürbare Markterholung mehr erfahren. Wenn wir den E-Bike- und Scooter-Markt betrachten, werden wird Nachfragen wie im Zeitraum zwischen 2020 und 2022 nicht mehr erleben. Wenn es gelingt die Vertriebskanäle zu säubern, wird das Ziel für 2025 erst einmal eine Stabilisierung des Marktes in diesem Bereich sein. Was wirklich gut läuft, ist aktuell der Medizinmarkt. Da steht eine konstante, starke Bedarfsnachfrage dahinter. Dieser Markt wird auch zusätzlich von der stabilen Nachfrage aus den USA und den nordeuropäischen Ländern getrieben. Da stehen hohe Budgets zu Verfügung, da wird nach wie vor investiert!
Jahrzehntelang war der deutsche Batterie- und Akkumarkt ein Wachstumsmarkt, das größte Problem schien lange Zeit der Fachkräftemangel. Was hat sich verändert, hat die Branche Fehler gemacht?
Ich würde sagen, da kommen verschiedene, zum Teil hausgemachte Faktoren zusammen. Einige Batterieunternehmen, haben offenbar noch immer Probleme mit der Fertigung von 21700-Zellen. Auch im Bereich Hörgeräte erfolgt zudem derzeit ein schneller Schwenk hin zu wiederaufladbaren Geräten, mit entsprechenden Konsequenzen für die Hersteller von Hörgerätebatterien. Momentan erleben wir einige sehr schnelle Marktveränderungen, die von verschiedenen Playern offenbar unterschätzt wurden. Das Thema Fachkräftemangel ist nicht mehr so präsent, wie in der Vergangenheit, was damit zu tun hat, dass vieles im Batterie- und Akku-Bereich inzwischen Software lastiger geworden ist. Eine Entwicklung, mit der sich auch der ein, oder andere bislang zu wenig auseinandergesetzt hat.
Hat die Einführung der neuen EU-Batterieverordnung mit zur aktuellen Situation beigetragen, oder ist das nur ein Symptom für die Verunsicherung der Branche, kein Auslöser?
Die Einführung der neuen EU-Batterievordnung war lange bekannt. Letztlich muss auf alle Akkus, Stand heute, ein CE-Zeichen. Der Batteriepass wird im ersten Schritt ab 2 kW benötigt, das bedeutet, dass er mittelfristig für den Großteil unserer Geschäfte nicht von Relevanz sein wird. Das Problem aus meiner Sicht: Das Ganze ist inhaltlich noch teilweise schlecht definiert, das lässt viel Interpretationsspielraum. Auf der anderen Seite, es führt kein Weg an der EU-Batterieverordnung und letztlich auch dem Batteriepass vorbei. Wir müssen in diesem Bereich endlich deutlich strukturierter werden. Es ist wichtig den State-of-Health eines Akkus zu kennen, und ihn nicht einfach zyklusmäßig einfach auszutauschen. Das ist nicht ansatzweise nachhaltig!
In letzter Zeit häufen sich die Insolvenzen bei E-Scooter- und E-Bike-Herstellern. Wie wichtig war dieses Marktsegment für Ansmann? Wie reagieren Sie auf diese Marktentwicklung?
Wir wurden durch die Insolvenz eines OEM´s im E-Scooter-Bereich tangiert. Im Privatbereich schwächelt dieser Markt seit dem Ende der Corona-Pandemie. Jeder der ein E-Bike wollte hat inzwischen eines, laut Marktstudien nennt inzwischen jeder vierte Deutsche ein E-Bike sein eigen. Im Bereich Leih-Scooter sind die Verleiher heikle Themen wie Helme und Schutzkleidung nie angegangen. Auch das Thema Ladestationen wurde nie gelöst. Aktuell haben wir keine Kunden mehr in diesem Bereich. Als Ansmann sehen wir die Zukunft für mobile Lösungen aktuell im Bereich Delivery-Services. Da ist das Thema Laden gelöst und es gibt auch kein Vandalismusproblem!
Welche Projekte stehen aktuell bei Ansmann im Fokus? Unter welchem Thema steht das Jahr 2024 für Sie in Asamstadt?
Wir arbeiten derzeit intensiv an der weiteren Automatisierung unserer Fertigung. Das andere große Thema bei uns ist derzeit der Aufbau einer Zelldatenbank. Wir vermessen derzeit alle Zellen, die für uns von Interesse sind und bauen eine Zelldatenbank auf, die es uns erlaubt, den Kunden für jede mögliche Applikation die am besten dazu passende Zelle zu empfehlen. Das mag auf den ersten Blick einfach klingen, ist aber aufgrund der zahlreichen dazu zu erfassenden Parameter ein durchaus aufwändiges Unterfangen. Parallel setzen wir uns intensiv mit dem Thema Batteriepass auseinander, um auch hier für unsere Kunden Lösungen zu schaffen und schulen zu können.
Sie hatten Anfang des Jahres auf die Auswirkungen der Etatkürzungen im Gefolge des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Nachtraghaushalt 2021, in Ihrer Branche hingewiesen. Wie ist da heute der aktuelle Stand?
Wir waren ganz konkret an einer Reihe von Projekten dran, haben uns intensiv auf die Umsetzung dieser Projekte vorbereitet. Jetzt sind sie auf Eis gelegt. Aktuell werden keine neuen Förderprogramm mehr aufgelegt. Wir hatten uns da unter anderem auch in die Startup-Förderung Hohenlohe Plus eingebracht. Die Ideen reichten von Powerbanks in Holzgehäusen, bis zu mobilen 1,5 kWh-Speichern in der Größe einer Thermoskanne. Vernetzt sollten sie als Puffer für die Energieversorgung dienen. Unter den Startups war auch eines, das GaN-basierte Ladegeräte mit USB-C-Ausgang entwickelt hat. Ziel waren OEM-Lösungen für Fahrrad- oder Power-Tool-Hersteller.
Ansmann war nie im klassischen Bereich der E-Mobility, also der Elektro-Autos tätig. Könnten aber die Konsequenzen möglicher Strafzölle für chinesische Elektro-Auto-Importe sich Ihrer Einschätzung nach auch auf andere Bereiche des Batterie- und Akku-Geschäfts in Deutschland auswirken?
Was wird passieren? Wir brauchen Zellen aus China! Wer da jetzt die Schutzzollkeule auspackt, der schießt sich quasi von hinten durch die Brust. Man muss aber auch feststellen, dass etwa Fahrzeuge von BYD und andrer Hersteller in China deutlich kostengünstiger sind, als hier in Europa. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, würden Schutzzölle schlicht die Profite der chinesischen Elektroautomobilhersteller minimieren. Letztlich wird sich das aber zu einer Spirale entwickeln, die alle Handelsbereiche unter Spannung setzt. Wenn das weiter eskaliert, wird es nach meiner Einschätzung auf beiden Seiten nur Verlierer geben.
Thema De-Risking: Chinesische Hersteller galten in der Branche in den letzten Jahren in puncto Preis und Qualität durchaus als Alternative zu den etablierten Herstellern aus Japan, Korea und Taiwan. Versuchen die chinesischen Hersteller inzwischen die Schutzzölle auch durch Fertigungsverlagerungen nach Malaysia, Vietnam oder Thailand zu umgehen?
Aktuell ist das noch nicht zu beobachten. Sollte Trump die Präsidentenwahl im Herbst in den USA gewinnen, könnte sich das aber ändern.
Anfang des Jahres gab Northvolt endgültig die Entscheidung für den Standort bei Heide in Schleswig-Holstein bekannt. Seitdem gab es eigentlich nur noch negative Nachrichten zum Thema Batteriefertigungsansiedlungen in Deutschland. In Ihren Augen nur eine Momentaufnahme, oder bestätigen sich die Zweifel der Branche an diesen Plänen immer mehr und mehr?
Im Fall Northvolt wartet man immer noch darauf, dass sie ihre eigene Batteriefertigung in Schweden endlich mal zum Laufen bekommen. Bislang ist Northvolt ein Subventionsgetriebenes Unternehmen. Ob sich das zeitnah ändern wird, weiß derzeit niemand. Ähnlich sieht es mit anderen Plänen aus. Bei anderen Projekten gibt es aktuell in Deutschland einen Baustopp. Man will das nutzen, um die Situation neu zu bewerten. Ob, und wenn ja, wann solche Projekte dann in einem möglichen zweiten Anlauf umgesetzt werden, ist aktuell nicht absehbar.
Sie bleibt das große Thema: Die Natrium-Ionen-Batterie. Sehen Sie gegenüber dem letzten Jahr entscheidende Veränderungen am Markt? Haben sich inzwischen bestimmte Hersteller mit dieser Technologie in Stellung gebracht? Hält die Technologie weiter, was sie verspricht? Beraten Sie Ihre Kunden bereits beim Einsatz dieser neue Batterietechnologie?
Wir werden von den Kunden immer wieder auf dieses Thema angesprochen, das Interesse daran ist nach wie vor hoch. Eine koreanische Forschungsgruppe am KAIST hat da vor kurzem einen Quantensprung beim Material bekannt gegeben. Demnach gelang es die Leistungsdichte von 160 auf 250 kWh/kg zu erhöhen. Möglich geworden ist das offensichtlich durch einen Ansatz der Richtung SuperCap geht. Das hätte natürlich auch noch den Vorteil, dass die Batterie massiv Hochstromfähig wäre. Wir werden sehen, was da in den nächsten Monaten noch publiziert wird.
Das Interview führte Engelbert Hopf