Kritik des Europäischen Rechnungshofs

Ist Europas Batterie-Strategie zum Scheitern verurteilt?

3. Juli 2023, 14:30 Uhr | Engelbert Hopf
Eigentlich sollte die europäische Automobilindustrie zentrale Bauteile ihrer Automobile selbst herstellen - im Batteriebereich bislang ein hehrer, Anspruch.
© RareStock/Stock.Adobe.com

In einem aktuellen Report kommt der Europäische Rechnungshof zu dem Ergebnis, dass in der Batterie-Strategie der EU ein riesige Lücke zwischen Anspruch und Realität klafft. Branchenexperten aus dem DACH-Raum bestätigen diese Einschätzung.

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Europas Batterie-Strategie hat ein Problem, urteilte der Europäische Rechnungshof letzte Woche: Es klafft eine riesige Lücke zwischen Anspruch und Realität! Dabei hatte die EU hochgesteckte Ziele, als man im Mai 2018 seine Batteriestrategie verkündete. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker forderte damals, die europäische Autoindustrie müsse die zentralen Bauteile ihrer Elektromobile künftig selbst herstellen. Im Zuge dessen sollte die EU »zur Nummer 1 bei Innovation, Digitalisierung und Dekarbonisierung werden«.

Zwar werden fünf Jahre später nun mehrere Batteriefabriken in Europa gebaut, auf dem Papier sind sogar rund 40 Fabriken in Europa geplant, doch der am Montag voriger erschienene Bericht des Europäischen Rechnungshofs nährt massive Zweifel, ob der Staatenbund auch nur in die Nähe seiner Ziele kommen wird. So ist die Produktion in Europa immer noch teurer als in anderen Regionen, die Versorgung mit kritischen Rohstoffen ist nicht gesichert und der amerikanische Inflation Reduction Act lockt inzwischen Investoren mit hohen Investitionen in die USA.

Annemie Turtelboom, Mitglied des Europäischen Rechnungshofs
Annemie Turtelboom, Europäischer Rechnungshof: »Es ist richtig, dass die Europäische Union die lange Abhängigkeit von russischem Gas nicht durch die Abhängigkeit von chinesischer Batterietechnik ersetzen will. Gleichwohl müssen die Ziele realistisch sein.«
© Europäischer Rechnungshof

Am Geld mangelte es nicht. Allein bis 2020 spendierte Brüssel rund 1,7 Milliarden Euro für Forschungs- und Demonstrationsprojekte. Danach subventionierten die Mitgliedsstaaten den Bau neuer Fabriken mit rund 6 Milliarden Euro, weiteres Geld fließt zudem aus dem europäischen Wiederaufbaufonds. Doch der Erfolg dieser Anstrengungen bleibt überschaubar. Kann die EU ihre ursprünglichen Pläne umsetzen, steigt die Batterieproduktion in Europa von etwa 44 Gigawattstunden im Jahr 2020 auf rund 1200 Gigawattstunden im Jahr 2030.

Am internationalen Kräfteverhältnis, so die Analyse des Europäischen Rechnungshofs, wird das wohl kaum etwas ändern. So beherbergte Europa 2021 knapp 7 Prozent der Kapazitäten der globalen Batterieproduktion – Chinas Anteil liegt dagegen bei 75 Prozent.

Pettinger Prof. Karl-Heinz
Prof. Karl-Heinz Pettinger, Universität Landshut: »Wir fördern nach dem Gießkannenprinzip und hoffen, dass sich evolutionär dann die beste Lösung durchsetzt. Das ist wenig effizient. Auch gibt es kaum einen Austausch zwischen den Batterieherstellern und den Forschern, unter anderem an den Pilotlinien.«  
© HS Landshut

Es kommt hinzu, dass viele der neuen EU-Fabriken bislang nur auf dem Papier existieren. Ob sie tatsächlich errichtet und dann auch ausgelastet werden, so die Rechnungsprüfer, steht in den Sternen. Sie haben auch das größte Hindernis bei der Aufholjagd klar definiert: den Mangel an den Rohstoffen Lithium, Kobalt und Mangan. Mehr als 80 Prozent der wichtigsten Materialien für die Akkuherstellung kommen aus dem Ausland, ein nicht unerheblicher Anteil aus China.

Ein weiterer Kritikpunkt des Reports des Europäischen Rechnungshofs: Es gibt keine zentrale Stelle, welche die Investitionen und Initiativen in die Europäische Batteriestrategie koordiniert und kontrolliert. Eine Reihe von Unternehmen erhält darum sowohl aus europäischen wie auch aus nationalen Töpfen Fördergelder. Andere Firmen dagegen gehen leer aus, weil die Mitgliedsländer ihre Kandidaten unterschiedlich auswählen.

Zudem monieren die Rechnungsprüfer ein nachlässiges Datenmanagement. So seien die Zahlen, auf welchen die EU ihre Strategie gründet, oft fünf Jahr alt oder älter. Entsprechend skeptisch fällt das Fazit der Rechnungsprüfer aus: »Es ist richtig, dass die Europäische Union die lange Abhängigkeit von russischem Gas nicht durch die Abhängigkeit von chinesischer Batterietechnik ersetzen will«, so Annemie Turtelboom, Mitglied des Gremiums, »gleichwohl müssen die Ziele realistisch sein«.

Heydecke_Jürgen
Dr. Jürgen Heydecke, Jauch Battery Solutions: »Wozu braucht Deutschland vier Pilotlinien im Bereich Lithium-Ionen-Zellen, wenn die Ergebnisse bislang übersichtlich sind? Das kostet Geld. Eine Konzentration der Anstrengungen würde diverse Vorteile bieten.«
© Jauch Quartz

Ähnlich zurückhaltend bewerteten auch die Teilnehmer des diesjährigen Forums »Batterie- und Akkutechnik« den Stand der europäischen Aktivitäten im Bereich der Batteriefertigung in Europa. Eines der Grundprobleme für mangelnde Effizienz und Schnelligkeit der Umsetzung der Pläne sieht etwa Ralf Isermeyer, Gründer und CEO der VRI Batterie-Technik, in der Tatsache, »dass wir als Staatenbund gegen Einzelländer wie Japan, Korea oder China antreten. Als Nationalstaaten konnten diese Länder eigenständige, zielgerichtete Programme aufsetzen und dann auch sehr effizient umsetzen«.

Eine zu starke Zersplitterung der europäischen Anstrengungen allein schon auf nationaler Ebene beklagt Dr. Jürgen Heydecke, Technical Director Battery Solutions bei Jauch Battery Solutions: »Wir haben aktuell in Deutschland vier Pilotlinien für Lithium-Ionen-Zellen, das kostet Geld, und die Ergebnisse sind bislang überschaubar.« Als Korea in den 1990er-Jahren in das Thema Lihtium-Ionen einstieg, sei das eine staatliche Vorgabe gewesen. LG und Samsung sollten zur Nummer 1 in diesem Bereich werden. »Alle Universitäten, die in Korea damals etwas mit Anoden- und Kathodentechnik zu tun hatten, wurden dazu vergattert, jeweils unter der Ägide von LG oder Samsung Lithium-Ionen-Akkus zu entwickeln«, so Dr. Heydecke; das hat bekanntlich letztlich hervorragend geklappt.

 

Isermeyer Ralf
Ralf Isermeyer, VRI Batterie-Technik:»Wir treten als Staatenbund gegen einzelne Länder wie Japan, Korea oder China an. Da ist mangelnde Effizienz vorprogrammiert, indem bei uns etwa jede kleine Hochschule ihre eigenen Aktivitäten im Batteriebereich vorantreibt.«
© Componeers GmbH

Professor Karl-Heinz Pettinger, Inhaber der Professur für Elektrische Energiespeicher an der Hochschule Landshut, hebt auch die Vorteile klarer nationaler Vorgaben hervor. »Auch in Korea gibt es einen Masterplan für die Energiewende, der wurde dort per Gesetz beschlossen, er kann damit also nicht mehr durch eine Nachfolgeregierung gekippt werden.«

Seine Erfahrungen mit der deutschen Bürokratie und politischen Entscheidungsträgern schildert Prof. Pettinger so: »Wer dort nach einem Masterplan fragt, erhält als Antwort: ‚Mein Gott, wir sind doch nicht im Kommunismus!’« Gefördert werde darum nach dem Gießkannenprinzip, mit dem festen Glauben, dass sich die bessere Technologie evolutionär durchsetze. Dass die ehemalige Forschungsministerin jetzt eine große Lithium-Ionen-Zellen-Pilotanlage in ihrem Wahlkreis stehen habe, sei ein Auswuchs dieser Strukturen. Prof. Pettinger beklagt zudem den mangelnden Austausch zwischen Forschung und den am Markt tätigen Batterieherstellern.

Auf die Frage, wie viele der bisher geplanten über 40 Batteriefertigungen wohl bis zum Ende dieses Jahrzehnts wirklich errichtet sein werden und auch produzieren werden, zeigten sich die versammelten Batterie- und Akku-Experten sehr zurückhaltend. Ihr Fazit: Wenn es zehn Fertigungen oder vielleicht ein Dutzend sein werden, können man glücklich sein. Ob die dann wirklich auch schon in Zellenstückzahlen im Gigawattstundenbereich produzieren würden, stehe allerdings auf einem anderen Papier.

Wenn Sie mehr über die aktuellen Entwicklungen und Trends im Bereich der Batterie-, Akku- und Ladetechnik erfahren wollen, können Sie das im diesjährigen Trend-Guide »Stromversorgung & Power-Management« erfahren, der am 21. Juli auch als E-Paper erscheint.


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