Batterien

Ein Milliardengrab heben

20. Mai 2024, 14:00 Uhr | Iris Stroh
EBI und Insights Hub: Die Profitabilität verbessern und die Time to Market verkürzen
© Voltaiq

Tesla musste im ersten Quartal schlechte Ergebnisse melden; der Verkauf von BEVs geht in Deutschland seit Monaten zurück; es gibt erneut eine Diskussion in Europa, ob der beschlossene Verbrenner-Ausstieg für 2035 doch nicht kommt – derzeit sieht es für die Elektromobilität nicht gut aus.

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Tal Sholklapper, Co-Founder und CEO von Voltaiq, erklärt Problem und Lösung: »Die Kosten der Batterie sind ein Hauptproblem, die dazu führen, dass die Kundenakzeptanz so langsam ist. Und dafür ist wiederum die Batteriefertigung verantwortlich. Sie ist der Flaschenhals in der Elektromobilität, sie führt zu hohen Kosten, sie führt zu einer langsameren Schnellladung, weil die Zellen gut ausbalanciert sein müssen, und das wiederum ist auf Probleme mit der Zellqualität zurückzuführen. Das ist eine echte Chance für einen Analytics-Spezialisten wie Voltaiq. Wir stellen Tools zur Verfügung, die diesen Unternehmen helfen, die Produktion schneller hochzufahren und die Qualität zu erhöhen.« Das ist aus seiner Sicht insbesondere für die OEMs in USA und Europa wichtig, denn »China schnappt diesen Regionen Marktanteile im EV-Markt weg. Sie können ihre EVs zu wesentlich geringeren Kosten produzieren, und das noch mit angemessenen Gewinnmargen«, so Sholklapper weiter.

Dass es Probleme mit der Produktion von Batterien gibt, belegt er anhand von zwei Beispielen: Panasonic Energy North America und LG Chem. Panasonic hatte 2014 eine neue Batteriefertigungsfabrik angekündigt, für Anfang 2017 war der Produktionsstart geplant. Zwischen 2017 und 2021 traten erhebliche Schwierigkeiten beim Hochfahren der Fabrik auf, sodass der Weg zur Profitabilität ziemlich lang war: Laut Sholklapper gelang es Panasonic erst im ersten Quartal 2021, profitabel zu fertigen. Nach einem Jahr Produktion lag die Fertigungsausbeute laut seiner Aussage gerade mal bei zirka 16 Prozent, es wurde viel Ausschuss produziert – und das, obwohl Panasonic seit Jahrzehnten in der Batteriefertigung tätig ist. LG Chem wiederum hatte 2015 eine neue Fertigungsfabrik für Batterien angekündigt, 2018 wurde die Produktion gestartet, dennoch konnte das Unternehmen bis 2021 seine Batterien nicht pünktlich liefern. Das hatte zum Beispiel 2019 zu folgender Schlagzeile in der Brussels Times geführt: »Audi hat die Auslieferung seines ersten Elektroauto-Flaggschiffs, des E-tron, verzögert, weil es Probleme gab, genügend Batterien vom Zulieferer LG Chem zu bekommen.« 2020 war in der Times UK zu lesen: »Jaguar stoppt Elektro-SUV wegen Batteriemangel« – die Batterien für den I-Pace wurden von LG Chem geliefert, der sie in einer Fabrik in Breslau, Polen, herstellt. Sholklapper weiter: »Ich bin mir selbst heute noch nicht zu 100 Prozent sicher, dass diese Fabrik mittlerweile profitabel arbeitet.«

Die niedrige Fertigungsausbeute setzt Sholklapper noch in einen anderen Zusammenhang: »Wir sprechen hier von Investitionen in Höhe von mehreren Milliarden Dollar.« Raymond Kok, Senior Vice President für Cloud Application Services bei Siemens Digital Industries, weist außerdem darauf hin, dass auch der Ausschuss ein Problem darstellt. Denn ist eine vollständig produzierte Zelle Ausschuss, dann wird sie im Grunde zu Sondermüll, der aufwendig zu entsorgen ist und mit dem auch noch das darin enthaltene Lithium weggeworfen wird.

Skalierungsprobleme gab es schon früher

Sholklapper vergleicht die derzeitige Situation in der Batteriefertigung mit der der Halbleiterindustrie vor vielen Jahren. Auch in diesem Bereich hat es Jahre gedauert, bis die Hersteller in der Lage waren, Halbleiter in hohen Volumina mit entsprechender Ausbeute zu fertigen. Und auch wenn die Batteriehersteller dachten, dass der Übergang zu einer hochvolumigen Serienfertigung von Batterien für EVs schnell gehen müsste, hat das nicht geklappt. Aus der Sicht von Sholklapper stehen die Batteriehersteller für EVs sogar noch relativ weit am Anfang. Dass Batterien für Konsumgüter in hohen Volumina gefertigt werden, lässt definitiv nicht darauf schließen, dass eine hochvolumige Batteriefertigung für EVs schnell hochgezogen werden kann. »Die frühe Skalierungsphase war ziemlich schlecht. Aber eine Qualitätsanalyse in Echtzeit kann helfen, den Weg zur Profitabilität und zu einer angemessenen Time to Market zu verkürzen«, so Sholklapper. Und Eli Leland, Co-Founder und CTO von Voltaiq, fügt hinzu: »Mit unserer Plattform werden die Daten, die sowieso erhoben werden, automatisch in der Cloud aggregiert und dort mithilfe unserer Algorithmen analysiert, sodass wir zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt im Fertigungsprozess Anomalien identifizieren können.«

Die Batterie als K.-o.-Kriterium

Sholklapper: »Es gibt einen Grund, warum Tesla in der Lage ist, mit seinen Fahrzeugen Margen zu erzielen, während andere bis zu 20.000 Dollar pro Fahrzeug verlieren: Schlussendlich ist das auf die Batterieproduktion zurückzuführen.« Die wirtschaftlichen Daten müssen seiner Meinung nach beachtet werden, das gilt sowohl für neue Fabriken als auch für bereits existierende Produktionsstätten, auch hier gebe es Probleme mit der Wirtschaftlichkeit. Für eine Kapazität von zehn Gigawattstunden ist ungefähr ein Investitionsaufwand in Höhe von rund einer Mrd. Dollar notwendig, und diese Kosten basieren nur zum Teil auf den Investitionen in Maschinen/Investitionsgüter, der Rest entsteht durch Betriebskosten, durch Kosten, die aufgrund des Ausschusses anfallen (man muss ja auch jemanden bezahlen, der den Sondermüll entsorgt) etc.

Das Interesse an einer Batteriefertigung außerhalb von China ist groß; dementsprechend konnten beispielsweise auch viele Startups Geld für die Produktion von Batterien auftreiben, das hat aber ein entscheidendes Problem: »Sie haben nicht genug Geld dafür eingeplant, dass es so lange dauert, bis diese Fabrik auch profitabel produziert. Wenn man die Zeit, die für das Hochfahren der Fabrik benötigt wird, verkürzt und die Ausschussraten senken kann, dann kann sich die Amortisationszeit deutlich verkürzen und für diese Branche den Ausschlag geben«, davon ist Sholklapper überzeugt. Und Leland fügt hinzu: »Erst wenn ein Hersteller 90 Prozent Ausbeute bei sehr großen Produktionsvolumina erreicht, also Millionen und Abermillionen von Zellen pro Tag fertigt, kann er mit der Fabrik Geld verdienen. Es geht also nicht nur um die Qualität, sondern es ist auch ein Volumenproblem.«

Kein reines Startup-Problem

Kok fügt hinzu, dass ein Hersteller auch immer daran interessiert sein muss, seine laufende Fabrik zu verbessern, sprich: nicht bei 90 Prozent Ausbeute stehen zu bleiben. Und das geht seiner Meinung nach nur, wenn der Hersteller zu einer datengetriebenen Produktion übergeht. Nur wenn ein Hersteller seine Prozessdaten wirklich analysiert, kann er herausfinden, wo die letzten paar Prozente liegen, die er noch aus dem Fertigungsprozess herausholen kann. »Und es macht einen großen Unterschied, ob die Ausbeute 90, 91 oder 92 Prozent beträgt, jedes zusätzliche Prozent an Ausbeute bedeutet buchstäblich Hunderte von Millionen Dollar für diese Unternehmen«, so Sholklapper.

Aus der Sicht von Leland gibt es weltweit nur zwei Unternehmen, die für sich das Batterieproblem gelöst haben – ein Punkt, der sich aus seiner Sicht für beide Unternehmen gelohnt hat: Tesla und Apple. Leland: »Als Apple im Oktober 2001 den AI-Pod vorstellte, betrug die Marktkapitalisierung von Apple 6 Milliarden Dollar. Seitdem hat sich die Marktkapitalisierung des Unternehmens fast um das 1000-Fache vergrößert, und der Umsatz beläuft sich auf zig Milliarden Dollar, und das mit einem vollständig batteriebetriebenen Produktportfolio oder mithilfe von Dienstleistungen, die für diese Geräte bereitgestellt werden.« Tesla wiederum ist mittlerweile auch zig Milliarden Dollar wert, und »das Unternehmen ist ein Pionier in allen Bereichen der Herstellung und Verwendung von Batterien und deren Integration in Produkte«, so Leland weiter. Er ist überzeugt, dass diese zwei führenden Unternehmen das Potenzial von Batterietechnologie anschaulich darlegen. Und weiter: »Das gilt insbesondere für die Lithium-Ionen-Batterie, die sich durch eine sehr gute Kombination aus Energiedichte, Leistung, Zyklenfähigkeit auszeichnet, und dieses Potenzial wollen wir mit sinkenden Kosten freisetzen.«

Viel Interesse am Voltaiq-Know-how

Laut Sholklapper hat Voltaiq bereits viele Kunden in durchaus unterschiedlichen Branchen. Das fängt bei Albemarle an, ein Spezialchemieunternehmen und einer der weltweit größten Produzenten von Lithium und Lithiumverbindungen, und endet bei den großen OEMs. Sholklapper: »Wir arbeiten zum Beispiel mit Mercedes Benz, wir arbeiten auch mit Wisk, Hersteller von Flugtaxis, aber auch mit Microsoft, Google, Amazon, Meta und einigen anderen.«

Im Siemens/Voltaiq-Ansatz wurde »Insights Hub« von Siemens und »Enterprise Battery Intelligence« (EBI) von Voltaiq kombiniert und ein Closed-Loop-Analyse ermöglicht, die das Automatisierungs-Know-how von Siemens und das Analytics-Know-how von Voltaiq umfasst. Sholklapper ist überzeugt, dass von dieser Kombination sowohl neue Fabriken als auch etablierte Fabriken profitieren: Im ersten Fall werde der Break-Even früher erreicht, damit das Investment gesenkt und der ROI (Return on Investment) schneller erfolgen kann. Im zweiten Fall könnten bereits laufende Fabriken ihre Ausbeute erhöhen, was sich in höheren Umsätzen widerspiegelt.

Es handelt sich um einen End-to-End-Ansatz, der die Zellproduktion entlang aller Prozessschritte im Auge behält, einschließlich beispielsweise Mischen des Slurry, Stapel-/Wickelprozesse, Elektrolytbefüllung und Formation. Dabei werden hunderte batteriespezifische Qualitätsmetriken automatisch erfasst, abgeglichen und in einen Kontext zueinander gestellt und der Steuerung zur Verfügung gestellt. Sholklapper betont nochmals: »Die Batterie-Assemblierung dauert Stunden, das Testen wiederum dauert Wochen. EBI liefert Qualitätsdaten einer Produktionslinie in Echtzeit, sodass viel schneller Probleme erkannt werden können und somit das Hochfahren von Produktionslinien beschleunigt und die Qualität erhöht werden kann. Denn wir können Zellanomalien bereits im ersten Formationszyklus erkennen – Tage oder Wochen, bevor viele Zellanomalien durch herkömmliche Qualitätssicherungsmaßnahmen entdeckt werden.«

Kok abschließend: »Unsere Zusammenarbeit mit Voltaiq steht im Einklang mit der Mission von Siemens, weiterhin einen Mehrwert für das industrielle IoT zu schaffen. Durch die Integration unserer Bemühungen tragen wir nicht nur zur Verbesserung der betrieblichen Entscheidungsfindung bei, sondern unterstützen unsere Kunden auch dabei, die digitale Transformation von Unternehmen zu beschleunigen und so zu einer neuen Ära der Batterieherstellung beizutragen.«


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