Zwischen Traum und Wirklichkeit

Zellfertigung in Deutschland – ein schwer einlösbares Versprechen

17. Juni 2025, 7:30 Uhr | Engelbert Hopf
Mit dem gemeinsamen Spatenstich zum Bau des zweiten und größten Bauabschnitts der Forschungsfertigung Batteriezelle (»«FFB Fab«) im Hansa-Business-Park in Münster-Amelsbüren, soll das Ziel Batteriezellen nachhaltig, effizient und im industriellen Maßstab in Deutschland zu entwickeln, einen großen Schritt näher rücken. Ein Ziel, das Bund und Land in Summe mit über 800 Millionen Euro fördern
© Christoph Kniel

Seit Jahren wird das auch von der Bundesregierung unterstützte Ziel verfolgt, Deutschland batterietechnisch unabhängiger von asiatischen Zulieferern zu machen. Mit überschaubarem Erfolg. Ob sich nach der europäischen Northvolt-Pleite noch eine Wende zum Besseren ergibt, wird sich zeigen.

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Jetzt kommt das Ende für Northvolt also doch schneller als erwartet: Am 30. Juni wird der europäische Batterie-Pionier der E-Mobility seine Fertigung im Stammwerk Ett, im nordschwedischen Skellefteå, endgültig einstellen. Es gebe einfach keine realistischen Aussichten, dass die Produktion dort in naher Zukunft von einem potentiellen Käufer übernommen werde, so der Insolvenzverwalter Mikael Kuba vor kurzem in Stockholm. Damit endet vorläufig eine Geschichte, die vor neun Jahren begann und als einer der europäischen Hoffnungsträger im E-Mobility-Bereich galt. Ob die Pläne von Northvolt wirklich jemals realistisch waren, steht auf einem anderen Papier.

Damit dürfte sich auch die Zukunft des geplanten Northvolt-Werks bei Heide in Schleswig Holstein erledigt haben. Dort waren Ende März noch einmal Hoffnungen aufgekeimt – mit dem Produktionsstop in Schweden dürfte sich auch die Zukunft des geplanten Werks in Deutschland entschieden haben. Vielleicht wird ja die vorbereitete Fläche für etwas ganz anderes genutzt werden als für eine Batterieproduktion? Möglichkeiten gäbe es viele.

Mitte Mai folgte der nächste Schlag für den Batteriefertigungsstandort Deutschland. CustomCells stellte Insolvenzantrag. Der Grund in diesem Fall: der Flugtaxi-Pionier Lilium, der Anfang des Jahres endgültig in die Insolvenz gerutscht war und hohe Rechnungen nicht beglichen haben soll – die Rede ist von zweistelligen Millionenbeträgen. Für Dr. Dirk Abendroth, CEO von CustomCells, eine herausfordernde Zeit: »Unser Fokus liegt jetzt darauf, den Betrieb bestmöglich aufrechtzuerhalten und eine Zukunftsperspektive für unser Unternehmen zu schaffen. Wir danken unseren Mitarbeitern, Kunden, Investoren und Partnern für ihr Vertrauen und die Unterstützung«.

Abendroth Dirk
Dr. Dirk Abendroth, CustomCells: »Unser Fokus liegt nach dem Insolvenz-Antrag darauf, den Betrieb bestmöglich aufrecht zu erhalten und eine Zukunftsperspektive für unser Unternehmen zu schaffen.«
© CostumCells

Noch vor einigen Wochen hatte Dr. Abendroth bezüglich des Themas Batteriefertigung in Deutschland noch zuversichtlicher geklungen: »Die Ausgangslage hat sich nicht verbessert«, stellte er damals fest, »allerdings sehen wir eine steigende Sensibilisieren für das Thema strategische Souveränität in der Zellfertigung, und das gibt Hoffnung!« In seinen Augen ist der Kampf um die Zellenfertigung für die aktuelle E-Mobility in Deutschland entschieden: »Bei entschlossenem Handeln gibt es aber unverändert die Chance, in der nächsten Technologiegeneration und in anderen Industriesegmenten wieder führend zu werden«.

Genau diesem Zweck soll unter anderem das seit Jahren vorangetriebene Ökosystem BatteryCityMünster, in das in Summe über 800 Millionen Euro Fördergelder von BMBF und dem Land Nordrhein-Westfalen fließen, dienen. Im April dieses Jahres erfolgte dort der Baustart der »FFB Fab«. Damit beginnt der zweite Bauabschnitt der Großforschungsanlage in Münster-Amelsbüren. Auf einer Fläche von insgesamt 20.000 m2 entstehen dort moderne Produktions- und Forschungsflächen, die bis Ende 2027 eine industrienahe Produktionsforschung und Entwicklung im Gigawatt-Bereich ermöglichen.

In der Analyse der aktuellen Situation spielt Deutschland nach Einschätzung von Azar Mottale, Bereichsleiterin Mobilität bei ZVEI, »eine gute Rolle, muss sich jedoch in der Lithiumzellenherstellung noch steigern, und sollte das Thema Lithiumzellenfertigung in Deutschland nicht aufgeben«. Es sei strategisch wichtig, dass Deutschland bei den Zellen unabhängiger von globalen Zulieferern werde. Wie wichtig das sei, belegten einmal mehr die aktuellen und zurückliegenden geopolitischen Unsicherheiten.

»Ein starkes, deutsches Batterie-Ökosystem«, so Mottale, »benötigt jedoch auch kraftvolle staatliche Förderung, ohne die wird es nicht funktionieren«. Ein Hebel hierzu könnten nach ihrer Einschätzung in Zukunft etwa Local-Content-Auflagen für EU-Lithiumzellen sein. Nachdenken sollte man ihrer Ansicht nach auch über große Demonstrationsanlagen sowie Joint-Ventures mit asiatischen Partnern.

Zu den wenigen asiatischen, genauer chinesischen Zellenherstellern, die bislang in Deutschland fertigen, gehört CATL. In Arnstadt bei Erfurt baut das Unternehmen sein seit 2023 laufendes Werk aus. Jedoch hängt das weitere Hochlaufen des Werks nach CATLs Auskunft von der weiteren Marktentwicklung ab. Aktuell finden sich die Zellen aus Arnstadt etwa konkret im Porsche Macan und im Audi Q6 e-tron.

Bei Porsche will man aber offenbar nicht auf Single Sourcing setzen. So hat der Premium-Automobilhersteller zum 4. März dieses Jahres V4Drive von der Varta-Gruppe übernommen. Und in V4Smart unbenannt. Aktuell produziert dieses Unternehmen in Ellwangen, und später soll auch auf einer Linie in Nördlingen produziert werden. Zum Einsatz kommen die dort produzierten Zellen als Boosterzellen in den 911-GTS-Modellen. Bislang plant V4Smart bis Ende diesen Jahres rund 375 Arbeitsplätze an den beiden Produktionsstätten aufzubauen.

Pettinger Karl Heinz Prof
Prof. Dr. Karl-Heinz Pettinger, Hochschule Landshut: »Sehr positiv fallen die länger werdenden Garantien für Pkw-Batterien auf. Dabei dürfte es gar nicht in erster Linie daran liegen, dass sich die Batterien als solche deutlich verbessert haben, sondern das Vertrauen in die Lebensdauer der Batterien ist gewachsen.«
© Componeers GmbH

Prof. Dr. Karl-Heinz Pettinger, Professor für Elektrische Energiespeicher an der Hochschule Landshut, fasst die aktuelle Situation zum Thema wie folgt zusammen: »In Deutschland werden bislang fast ausschließlich importierte Zellen konfektioniert«. Von Problemen bei der Prozessstabilisierung im Zusammenhang mit der Zellfertigung hört er dabei aus vielen Werken, »aber Probleme wie Northvolt scheinen wirklich die Wenigsten zu haben«. Sein Eindruck ist auch, dass die Automobilhersteller immer größeres Vertrauen in die Lebensdauer der zur Verfügung stehenden Batterien entwickeln, »anders lassen sich die länger werdenden Garantien für Pkw-Batterien wohl nicht erklären«.

Während man in Deutschland also in bewährter Manier auf die Zukunft setzt, und den Rückstand zu den asiatischen Herstellern mit einem großen Sprung nach vorne, bei der nächsten Batterie-Generation egalisieren will, spielt sich die aktuelle Realität vor allem in Osteuropa ab. Konkret vor allem in Orbans Ungarn, das sich in den letzten Jahren zu einer Art Produktions-Hotspot in Europa entwickelt hat. Dort stehen bereits, oder werden gebaut, Werke von BYD, EVE, CATL, Samsung, SK Innovation, Sunwoda. Das koreanische Unternehmen LG betreibt seinerseits ein Zellenwerk in Polen.


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