Eliminieren lässt sich das gerade geschilderte Problem, indem man das Gehäuse der GaN-Transistoren über die Oberseite kühlt (Top-Side-Cooling), denn jetzt können Wärme und elektrischer Strom getrennte Wege nehmen.
Bestückte man dieselbe Halbbrücken-Karte mit Top-Side-gekühlten GaN-Schaltern mit 70 mΩ, resultierte ein frappierender Unterschied in der Leistungsfähigkeit, denn es zeigte sich eine einwandfreie Funktion ohne jegliche Gleichtaktstörungen (Bild 5). Mit einem an der Oberseite montierten Kühlkörper mit einem Wärmewiderstand von 4 K/W und ohne Zwangsbelüftung erreichte die Karte einen Wirkungsgrad von 99 Prozent und kam auf eine Gehäusetemperatur von rund +80°C bei einer Umgebungstemperatur von +25 °C, wenn die Ausgangsleistung 2 kW betrug (eingangsseitige Wechselspannung 220 V).
Die Erfahrungen mit der GaNdalf-Plattform haben gezeigt, dass mit GaN-Schaltern bestückte, brückenlose Totem-Pole-PFC-Schaltungen, die mit Leistungen über 1 kW betrieben werden, oberseitig gekühlte Gehäuse haben sollten, wenn das System ohne Zwangsbelüftung auskommen muss.
Ein Vorteil des modularen Formats der GaNdalf-Entwicklungsplattform ist, dass sich GaN- und SiC-Bauelemente recht einfach direkt vergleichen lassen. Das CoE-Team hatte erwartet, dass Halbbrücken-Karten auf der Basis von SiC-MOSFETs einen geringfügig niedrigeren Wirkungsgrad erreichen als die GaN-basierten Systeme. Der Grund hierfür ist, dass SiC-MOSFETs niedrigere du/dt-Raten und höhere Sperrverzögerungsverluste aufweisen, was wiederum die Schaltverluste erhöht.
Im Vergleich zu GaN-HEMTs sind SiC-MOSFETs in größerer Vielfalt und von mehr Herstellern verfügbar, so zum Beispiel von Microchip, ON Semiconductor, STMicroelectronics, Infineon und Rohm Semiconductor. Darüber hinaus sinkt der Stückpreis von SiC-MOSFETs mit Durchbruchspannungen von 600 V bis 700 V rapide. Bei jedem neuen Projekt, das die brückenlose Totem-Pole-PFC-Topologie nutzt, dürfte deshalb die Evaluierung von SiC-MOSFETs vorrangig sein.
SiC-MOSFETs werden in TO-247-Gehäusen mit drei oder vier Anschlüssen angeboten. Die Studien von Future Electronics konzentrierten sich jedoch auf Bauelemente im vierpoligen TO-247-Gehäuse, das zusätzlich eine sogenannte Kelvinkontaktierung beinhaltet. Bei der Evaluierung durch das CoE traten einige Exemplarstreuungen zutage, was das Schaltverhalten und die Störungen betraf.
Einige Bauelemente funktionierten einwandfrei, führten zu einem Wirkungsgrad von annähernd 99 Prozent und zeigten ein gutes Schaltverhalten. Andere dagegen produzierten anfänglich recht mangelhafte Wellenformen beim Schalten und erzeugten so viele Störungen, dass Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit nicht ausblieben. In einem Fall waren die Folgen der Störungen für die Leistungsfähigkeit eher subtiler Natur. Die Testergebnisse ließen einen guten Wirkungsgrad erkennen, jedoch lag die Gehäusetemperatur um 10 K höher als bei vergleichbaren Bauelementen. Auch die Gesamtverzerrung (Total Harmonic Distortion, THD) lag um bis zu acht Prozent höher. Eine detaillierte Auswertung der aufgezeichneten Daten ergab, dass der Eingangsstrom einen verzerrten Verlauf aufwies: Die negative Halbwelle des eingangsseitigen Wechselstroms war geringfügig abgeflacht.
Eine fundierte Untersuchung gemeinsam mit den Herstellern der Bausteine förderte die eigentliche Ursache zutage: die Gate-Drain-Kapazität (CGD) einiger SiC-MOSFETs kann relativ hoch ausfallen, was in Verbindung mit einer niedrigen Schwellenspannung zu einem ungewollten Einschalten infolge des Miller-Effekts führen kann (Parasitic Turn-on). Darüber hinaus kann die Spannungskopplung infolge interner Kapazitäten des Bausteins zu mangelhaften Wellenformen und unerwünschten Querströmen (Shoot through) führen.
Es gibt jedoch Abhilfe: Man sollte im Datenblatt des SiC-MOSFETs die Werte für CGD sowie für das Verhältnis zwischen CGS und CGD überprüfen. Ist CGD relativ groß, kann es sinnvoll sein, einen Gate-Treiber mit einer Miller-Clamp-Funktion zu wählen, beispielsweise den STGAP2SCM von STMicroelectronics. Ist das Verhältnis zwischen CGS und CGD dagegen gering, sollte man CGS mithilfe eines externen Kondensators erhöhen.
In der mit der GaNdalf-Plattform durchgeführten Evaluierung durch das CoE führte die Verwendung eines Treibers mit Miller-Clamp-Funktion und einer Erhöhung des CGS-Werts zu einer Verbesserung der Schalt-Performance und der allgemeinen Funktion des Systems, was sich wiederum in einer deutlichen Verbesserung des Wirkungsgrads, der THD und der Schaltwellen niederschlug.
Die GaNdalf-Plattform bietet eine gute Grundlage, um die Arbeitsweise von GaN- und SiC-Halbleitern beim Schalten hoher Spannungen im Detail zu untersuchen. Die Studien von Future Electronics führten zu einer Reihe wichtiger Erkenntnisse, die die Entwickler von Stromversorgungssystemen in der Praxis beachten sollten. Insbesondere wurde deutlich, dass oberflächenmontierbare Gehäuse, die sich über die Oberseite kühlen lassen, beim Einsatz von GaN-HEMTs insgesamt die besten Ergebnisse liefern, wenn die Leistung mehr als 1 kW beträgt und es wünschenswert ist, ohne Lüfterkühlung auszukommen. Mit dem GaNdalf-Board ließ sich ferner zeigen, dass die mit SiC-Bauelementen erreichte Effizienz nur geringfügig unter jener von GaN-HEMTs liegt, wobei SiC-MOSFETs die Vorteile attraktiver Preise und allgemeiner Verfügbarkeit bieten.
Einige SiC-MOSFETs im vierpoligen TO-247-Gehäuse können Störprobleme aufweisen und anfällig für den Miller-Effekt sein, wenn CGD relativ groß ist. In vielen Fällen lassen sich diese Probleme beheben, indem man einen Treiber mit aktiver Miller-Clamp-Funktion verwendet und die Gate-Source-Kapazität mit einem externen Bauelement erhöht, um die Schaltwellenformen zu verbessern.
Literatur
[1] Ye, Z. et al., GaN FET-Based CCM Totem-Pole Bridgeless PFC, Texas Instruments Power Supply Seminar (2014). Reprinted 2015, TI Literature Number SLUP327, Texas Instruments.