Der Markt für Passive – Momentaufnahme

Zwei Quartale als Bestellhorizont

26. Januar 2023, 13:00 Uhr | Engelbert Hopf

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Und die Preise?

Jean von Redwitz, Sales Director EMEA Passive Components bei Future Electronics, meldet etwa aktuelle Lieferzeiten bei MLCCs zwischen 12 und 25 Wochen. Bei Alu-Elkos reiche die Bandbreite hingegen von 25 Wochen bis zur Allokation, bei Widerständen bewegten sich die Lieferzeiten zwischen 12 und 20 Wochen. Ähnlich sehe die Situation bei Induktivitäten aus.

Nach Ansicht von Olaf Lüthje, Senior Vice President CRM & Marketing Operations bei Vishay, »hat sich die Liefersituation der meisten unserer Produkte durch Investitionen und Kapazitätserweiterungen verbessert«. Er gibt aber auch zu, »dass es im Bereich SMD-Widerstände auch weiterhin Produkte gibt, die eine angespannte Liefersituation aufweisen, was konkret Lieferzeiten von bis zu einem Jahr oder mehr bedeutet«.

Für Stefan Sutalo, Vice President Product Marketing Passive Components bei Rutronik, hat sich die Versorgungssituation im Bereich passiver Bauelemente 2022 deutlich verbessert. Im Schnitt hätten sich die Lieferzeiten um einige Wochen verkürzt. »Es sind noch immer die Spezialprodukte, die uns Sorgen bereiten. Das sind oft Produkte, die auf neuesten Herstellungstechnologien basieren oder neueste Materialien verwenden, um überhaupt die Performance in kleinen Formfaktoren zu erreichen.«

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Sauer Harald
Harald Sauer, Taiyo Yuden: »Ein für mich unberechenbarer Faktor ist, wie die Inflation das Konsumverhalten ändern wird und wie weit diese Veränderung dann auf die Nachfrage durchschlägt.«
© WEKA FACHMEDIEN

»Es sind eigentlich nicht die Produktsegmente, die unterschiedliche Lieferzeiten aufweisen«, erläutert dagegen Falko Ladiges, Teamleader PEMCO, die Situation bei WDI. „Entscheidend ist vielmehr, von wo wir die Produkte beziehen.« So seien Lieferanten in Europa, China, Indien, den USA oder Taiwan inzwischen quasi »back to normal«. »Unsere japanischen Hersteller haben dagegen größtenteils noch Probleme, ihren Backlog abzuarbeiten, und liegen noch bei deutlich längeren Lieferzeiten von 52 Wochen und mehr.«

»Die Liefersituation für Commodities entspannt sich spürbar«, so Maximilian Jakob, Division Director, Device Solution Business Division von Panasonic Industry Europe, »hervorgerufen durch die sinkenden Absätze im Consumer-, Informationstechnologie- und Computing-Markt in Asien. Kernkomponenten für EV, BMS, Inverter und Ähnliches sind und bleiben dagegen nach wie vor schwer verfügbar«. In Summe bewegen sich die Lieferzeiten bei Panasonic damit bei über 30 Wochen.

Und die Preise? Teilweise waren Preisanstiege im zweistelligen Bereich zu beobachten. Verargumentiert werden diese dann im Allgemeinen mit steigenden Rohstoff-, Transport-, Logistik- und Arbeitslöhnen. In den letzten Monaten kam dann vor allem in Europa noch das Thema steigender Energiepreise hinzu.

Auch wenn die Preise für Gas und Strom am Spot-Markt derzeit wieder leicht fallen, so weist Vissing doch darauf hin, »dass die Energiepreise nach wie vor der Inflationstreiber im europäischen Raum sind und sich unter anderem auf die Material- und Personalkosten auswirken«. Sein Fazit: »Je nach Produktgruppe und deren Materialanteil sowie der Frage, wie energieintensiv der Herstellungsprozess ist, ergeben sich Kostensteigerungen im unteren zweistelligen Prozentbereich, die wir nicht auffangen können und an unsere Kunden weitergeben müssen.«

Lüthje Olaf
Olaf Lüthje, Vishay: »Die Beruhigung auf der Beschaffungsseite im Distributionsgeschäft hatte ebenfalls einen positiven Einfluss auf die Liefersituation im Vergleich zur Situation Ende 2021.«
© Vishay

Als Preistreiber, der sicher auch seinen Teil zu den teilweise sehr erfreulichen Jahresabschlüssen der Hersteller und Distributoren passiver Bauelemente beigetragen hat, zählt zudem der starke Dollar. Vor dem Hintergrund, dass viele Rohstoffe in US-Dollar gehandelt werden, hat sich beispielsweise die schwache japanische Währung besonders auf die Preise für die Kunden ausgewirkt, die in japanischen Yen zahlen. Recht viel besser dürfte es aber auch für europäische Kunden nicht gelaufen sein, zeigte der Euro das Jahr 2022 über doch eine deutliche Schwäche gegenüber dem US-Dollar.

Doch wie wird es 2023 aller Voraussicht nach weitergehen? Von Befürchtungen angesichts des für 2023 angekündigten Konjunkturabschwungs und der prognostizierten Rezession ist jedenfalls nichts in den Antworten der Hersteller und Distributoren passiver Bauelemente zu finden. So wird einerseits aufgrund weiterhin gut gefüllter Auftragsbücher für 2023 ein ähnlich gutes Jahr wie 2022 erwartet. Stellvertretend sei hier TTI-Manager Reinecke zitiert, der von einem hohen einstelligen Wachstum im Geschäftsjahr 2023 ausgeht. Von einer negativen Umsatzentwicklung im Jahr 2023 ging keines der befragten Unternehmen aus.

Scheel spricht deshalb vielen Marktteilnehmern sicherlich aus der Seele, wenn er für 2023 auf eine Verbesserung der Belieferung der Automobil- und Automotive-Branche mit Halbleitern hofft, in deren Gefolge sich dann auch wieder das Geschäft mit passiven Bauelementen auf diesem eminent wichtigen Absatzmarkt verbessern würde. Der vorsichtige Optimismus für das neue Geschäftsjahr gründet auf der Analyse aller Befragten, dass ihre Kernwachstumsmärkte eigentlich weiterhin intakt sind.

So wird mit weiteren Wachstumsimpulsen durch die fortschreitende Elektrifizierung des Antriebsstrangs im Automobil und durch ADAS/AD gerechnet, die Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge weckt ebenfalls Wachstumshoffnungen und die dezentrale Energieversorgung in Form von Wind und Photovoltaik gehört inzwischen zu den Dauerbrennern, während die Nachfrage nach Wärmepumpen seit etwa einem Jahr ein fast exponenzielles Wachstum erlebt. Weitere Digitalisierungsprojekte in den verschiedensten Anwendungsbereichen sowie notwendige Automatisierungsschritte im Industriebereich (die den Bedarf an Umrichtern weiter steigen lassen) dürften darüber hinaus zu einem nachhaltigen Wachstum im Bereich passiver Bauelemente führen.

Doch es bleiben Unsicherheiten: andauernde Inflation, Entwicklung der Energiepreise, Dauer und Ende des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und andere sich abzeichnende geopolitische Konflikte. Alles Faktoren, warnt Dr. Albertsen, »die innerhalb weniger Wochen Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben können«. Auch wenn der erste Ausblick für das Geschäftsjahr 2023 durchaus positiv erscheint, bleibt also abzuwarten, wie sich das Jahr 2023 im weiteren Verlauf für die Hersteller und Distributoren passiver Bauelemente entwickeln wird. 
 


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