Elektronik ist oft Vibrationen ausgesetzt. Je nach Dauer und Frequenzbereich der mechanischen Schwingungen ermüdet dabei das Material. Bei Elektrolytkondensatoren kann das zu einem plötzlichen Totalausfall führen. Um das zu vermeiden, haben die Hersteller verschiedene Lösungen entwickelt.
Unerwünschte Schwingungen sind kein alleiniges Problem von Verbrennungsmotoren im Speziellen beziehungsweise der Verkehrstechnik im Allgemeinen. Sie treten in nahezu allen technischen Bereichen auf, insbesondere in der Maschinen- und Elektroindustrie sowie der Bau- und Verfahrenstechnik. Bei Anwendungen wie industriellen Stanzmaschinen, schnell fahrenden linearen Aktoren, Pumpen oder Getrieben sind elektronische Komponenten Schwingungen ausgesetzt. Sie alle erzeugen ein Vibrationsprofil, das zum Ausfall eines Elektrolytkondensators führen kann.
Bei Kondensatoren neigen häufig die Anschlussstellen dazu zu brechen, wenn sie über einen längeren Zeitraum beziehungsweise intensiven Vibrationen ausgesetzt sind. Die Bruchstelle findet sich entweder direkt an der Lötstelle zur Platine oder innerhalb des Kondensators an der Verbindung von den Anschlüssen zur Anoden- und Kathodenfolie. Herausfordernd ist, dass es kaum Hinweise darauf gibt, ob das Bauteil zu hohen Vibrationen ausgesetzt ist und daher auszufallen droht.
Im Idealfall lässt sich ein erhöhter Reststrom feststellen, wenn die mechanische Belastung die Oxidationsschicht zwischen Wickel und Becher geschädigt hat. Diese Schäden können durch den Selbstheilungseffekt repariert werden, wenn ausreichend Elektrolyt vorhanden ist. Bei Mikrorissen in den Anschlüssen des Kondensators lässt sich ein messbar erhöhter ESR-Wert jedoch nur kurz vor dem Bruch feststellen. Meistens fällt ein Kondensator also ohne signifikant messbare Änderungen seiner elektrischen Eigenschaften vollkommen unerwartet aus.
Da Vibrationen kaum zu vermeiden und höchstens zu reduzieren sind, steigt die Nachfrage nach zuverlässigen Bauteilen. Einige Kondensatorhersteller bieten dafür eine Auswahl an vibrationsfesten Serien, die Belastungen bis zu 30 G standhalten. Doch wann gilt ein Bauteil als vibrationsfest? Ein übliches, standardisiertes Vibrationstestprofil, das Hersteller für ihre Tests verwenden, kann wie folgt aussehen:
Das Profil gibt an, in welchem Frequenzbereich und mit welcher Amplitude der Kondensator bis zu welcher Beschleunigung standhält. Um individuellen Kundenanforderungen entsprechen zu können – schließlich weist jede Applikation andere Vibrationsfrequenzen und völlig unterschiedliche Profile auf –, gehen Hersteller mit individuellen Tests und Freigaben darauf ein. Damit ist garantiert, dass das freigegebene Bauteil den jeweiligen Anforderungen entspricht.
Wird der Kondensatorhersteller in den Entwicklungsprozess einbezogen, kann er die Bauteile exakt so auslegen, dass sie sich an ihrer Belastungsgrenze einsetzen lassen. Das verhindert Überspezifikationen und erlaubt ein besseres Design-to-Cost-Verhältnis.
Der Markt für Kondensatoren bietet je nach Montageart verschiedene Bauformen und Ansätze, um die Vibrationsfestigkeit zu erhöhen. THT-Kondensatoren in axialer Montageart verkraften Vibrationen besser als radiale THT- oder SMD-Bausteine. Aufgrund der niedrigeren Höhe bei horizontaler Montage liegt ihr Masseschwerpunkt deutlich tiefer, sodass weniger Hebelkräfte auf die Anschlusspins einwirken.
Üblicher ist jedoch die vertikale Montage, bei der der Masseschwerpunkt höher sitzt. Das macht jedoch ein vibrationsfestes Design anspruchsvoller. Dafür gibt es zwei praktische Ansätze:
In beiden Fällen muss der Drahtdurchmesser der Anschlusspins verstärkt werden, damit diese die auftretenden Kräfte unbeschadet überstehen. Noch mehr Stabilität geben zusätzliche Haltepins ohne elektrische Funktion, wie es sie bei Snap-in-Typen gibt. Gerade für große und/oder schwere Bauteile sind sie zu empfehlen.
Bei Kondensatoren in SMD-Ausführung gibt es einen anderen Designansatz mit demselben Ziel, die Bewegungsmöglichkeit des Bechers einzuschränken und so ein Abbrechen der Anschlüsse zu verhindern. Und zwar die Ausstattung mit einer Baseplate mit zusätzlich seitlich angebrachten Kunststoffstegen. Damit wird der Kondensatorbecher fixiert. Vibrationsfeste Modelle haben zudem vergrößerte Lötpads, um die Lötverbindung mechanisch zu verstärken.
Bei extrem starken Schwingungen empfiehlt es sich, den Kondensator zusätzlich mit einer externen (Kunststoff-)Halterung auf der Platine zu fixieren. Alternativ können die Bauteile auch vergossen oder mit Kleber befestigt werden. In diesem Fall muss vorab mit den Herstellern geklärt werden, ob die Inhaltsstoffe des Klebers beziehungsweise der Vergussmasse negative Auswirkungen auf das Bauteil haben könnten. So kann es beim Vergießen aufgrund einer schlechteren Wärmeleitfähigkeit dazu kommen, dass sich die Lebensdauer des Kondensators reduziert, wenn die Wärme nicht mehr gut abgeführt wird.
In beiden Fällen, beim Kleben und beim Vergießen, könnte außerdem eine Materialunverträglichkeit von Kleber und Vergussmasse beim Bauteil auftreten. Hier ist also höchste Aufmerksamkeit bei der Auswahl der verwendeten Materialien geboten. Die Produktspezialisten von Rutronik unterstützen dabei mit interdisziplinärem Know-how, um unliebsamen Überraschungen vorzubeugen.
Wichtig ist zudem, auch beim Platinenlayout auf Vibrationssicherheit zu achten. So wird vermieden, dass Bereiche mit starken Schwingungen entstehen. Durch das Verschieben der Resonanzpunkte lässt sich die einwirkende Kraft auf den Kondensator minimieren. Doch gelöst ist das Vibrationsproblem damit nicht.
Deshalb kommt vibrationsfesten Kondensatoren große Bedeutung zu. Sie werden von den Herstellern stetig weiterentwickelt, sodass künftig neue Serien zu erwarten sind, die noch höheren Kräften standhalten.
Sven Jimenez Rodriguez
ist Corporate Product Manager Capacitors bei Rutronik.
Christian Kasper
ist Technical Expert Capacitors bei Rutronik.