Stellt sich die Frage – wenn der Bedarf für SiC so hoch ist, könnte dann nicht GaN, als weiteres Wide-Bandgap-Material zumindest punktuell für eine Entspannung am Markt sorgen? In den letzten Jahren konnte man diesen Eindruck zumindest gewinnen. Da trommelte die GaN-Fraktion ziemlich laut. Mancherorts wurde SiC gar als Übergangstechnologie zu GaN tituliert. GaN-Spezialisten der ersten Stunde wie Adam White, heute Division President PSS bei Infineon Technologies, der sich einst seine GaN-Sporen unter Dr. Alex Lidow bei International Rectifier verdiente, hatte noch Anfang dieses Jahres die These aufgestellt, dass SiC bis zum Ende dieses Jahrzehnts in vielen Applikationen im unteren doppelstelligen kW-Bereich durch GaN ersetzt würde.
Auf einer Podiumsdiskussion von Markt&Technik auf dem Industry Stage der PCIM wurde diese Prognose von den Diskussionsteilnehmern zurückgewiesen und als zu aggressiv bewertet. Fazit der Diskussion: Es gibt kein gegeneinander mehr, nur noch eine Koexistenz. Man konkurriert nicht mehr um die gleichen Sockel, man konzentriert sich vielmehr auf die jeweiligen spezifischen Vorteile von SiC und GaN und zielt damit auf sich bislang wenig überlappende Märkte.
Eine Einschätzung, die beispielsweise auch Laszlo Balogh, Distinguished Member of the technical Staff sowie Lead System Architec High Voltage Power bei Texas Instruments, teilt. „Ich halte das Ziel, alle Applikationen bis 22, 24 kW durch GaN zu ersetzen für zu ambitioniert“, so Balogh, „auf jeden Fall wird das nicht in den nächsten 10 Jahren passieren“. Eine der Voraussetzungen dafür wäre wohl, dass es gelingt 1200-V-GaN-Leistungshalbleiter auf den Markt zu bringen. Würde das in der klassischen Lateral-Struktur der bisherigen GaN-Leistungshalbleiter geschehen, würde das zu einer deutlichen Vergrößerung der Chipflächen und damit zu höheren Fehlerraten auf dem Chip führen. Ob es gelingt, GaN als vertikale Bauelemente in kostengünstigen Serienstückzahlen zu fertigen, wird die Zukunft zeigen.
Solange das nicht geschieht, werden sich Anbieter wie TI wohl in erster Linie auf kleinere Leistungsklassen konzentrieren, wie Abhi Muppiri, Business Lead/Director GaN – High Voltage Power (APP) bei TI, klar macht: „In der hochintegrierten Version, in der wir unsere GaN-Technologie mit Zusatzfunktionen anbieten, waren bisher Stromversorgungen für Notebooks das obere Limit. Im nächsten Schritt nun werden wir uns Stromversorgungslösungen für dem Gaming-Bereich, sowie Stromversorgungsgeräten für TVs zuwenden.“
Ob TI sich in Zukunft auch SiC zuwenden könnte, darüber schweigen sich die beiden TI-Manager aus. Klar ist nur, als klassisches diskretes Bauteil wird es so etwas von TI wohl nie geben. „Wir steigen nicht in das Geschäft mit diskreten Bauteilen ein“, stellt Balogh fest, „wenn wir etwas auf den Markt bringen, müssen wir uns damit vom Wettbewerb differenzieren und den Kunden einen Mehrwert bieten“.
Damit dürfte es also weiter spannenden bleiben in Sachen Leistungshalbleiter. Die Produkte der Branche, werden aufgrund der inzwischen ihre volle Sogwirkung entfachenden Megatrends wie Energie- und Mobilitätswende in riesigen Stückzahlen am Markt nachgefragt, seien es nun Silizium-, SiC- oder GaN-Lösungen. Und so wie es aussieht, locken einzelne Marktsegmente des Leistungshalbleitermarktes weiter neue Player an.