DigiKey und OnSemi diskutieren

Wie physische KI und AMRs die Industrie neu definieren

10. Oktober 2025, 7:30 Uhr | Karin Zühlke
© DigiKey

Autonome mobile Roboter (AMRs) verlassen dank smarter Sensoren, Edge-Computing und KI ihre Nische und erobern zunehmend komplexe industrielle wie auch kommerzielle Umgebungen. Ein Gespräch mit Shawn Luke, DigiKey und den Onsemi-Experten Bob Card und Theo Kersjes.

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Shawn Luke: Welche Designaspekte müssen bei den heutigen intelligenteren Robotern berücksichtigt werden?

Bob Card: Industrieroboter gibt es schon seit Jahrzehnten, daher sind sie Experten in ihrem Bereich. Aber sie können auch eine Gefahr für Menschen darstellen, die in Lagerhäusern, Fabriken und ähnlichen Umgebungen mit ihnen zusammenarbeiten. Industrieroboter sind nicht dafür ausgelegt, sich frei in ihrer Umgebung zu bewegen, insbesondere wenn diese Umgebung dynamisch ist. Intelligentere Roboter kommen zum Einsatz, um sicherzustellen, dass Menschen, die mit Robotern zusammenarbeiten, in physischer Harmonie arbeiten können.

Theo Kersjes: Eine Vielzahl von Sensoren, darunter Ultraschall-, Bild-, Lidar- und Radarsensoren, ermöglichen es dem Algorithmus eines Roboters, seine Umgebung zu verarbeiten und zu navigieren, wobei die Sicherheit von Menschen an erster Stelle steht. Roboter können bei der Lösung von Problemen helfen, die Menschen nicht bewältigen können, beispielsweise das Anheben eines Autos oder großer Geräte, und Aufgaben ausführen, die Sicherheitsrisiken bergen oder sehr repetitiv sind. Intelligentere Roboter können dank ihrer größeren Flexibilität mehr leisten und dank Sensoren ein breiteres Spektrum an Aufgaben erfüllen, die durch die Konvergenz von physischer KI und Robotik ermöglicht werden.

Inwiefern ähneln AMRs der Automobilrobotik?

Card: AMRs und selbstfahrende Autos sind sich in ihren internen Kommunikationssystemen am ähnlichsten. Traditionell verwenden Roboter CAN (Controller Area Network), ein zweidrahtiges Multipoint-Kommunikationsprotokoll. Onsemi ist jedoch führend bei einer neuen Technologie: 10BASE-T1S, einem Ethernet-basierten Multipoint-Protokoll, das zudem ein zweidrahtiges ungeschirmtes Twisted-Pair-Kabel verwendet.

Die wichtigsten Vorteile von 10BASE-T1S gegenüber CAN sind höhere Datenraten: 10BASE-T1S läuft mit 10 Mbit/s, gegenüber mit 2 Mbit/s bei Standard-CAN und 5 Mbit/s bei CAN-FD unter idealen Bedingungen sowie reduzierter Verkabelungskomplexität und Gewicht: wichtig für kompakte, mobile Systeme wie AMRs. Zudem sind keine Gateways erforderlich: Die Überbrückung von CAN- und Ethernet-Netzwerken entfällt also.

Diese Innovation folgt einem allgemeinen Trend in der Automobil- und Robotikbranche hin zu zonaler Architektur und konvergenten Kommunikationstechnologien, wobei 10BASE-T1S voraussichtlich CAN in beiden Bereichen ersetzen wird.

Onsemi bietet zwei 10BASE-T1S-Controller an, den NCN26010 - MAC und PHY - und den NCN26000 - nur PHY-, die beide vollständig den IEEE802.3cg-Spezifikationen entsprechen und die ENI-Funktion, also Enhanced Nose Immunity oder auf Deutsch: Verbesserte Rauschfestigkeit, von Onsemi unterstützen. ENI erweitert die 25 Meter Länge des 40-Knoten-SPE-Kabels für ein einzelnes 10BASE-T1S-Segment auf 50 Meter für 16 Knoten oder 60 Meter für 6 Knoten.

Dies zeigt auch, wie fortschrittliche Computertechnologien, die einst ausschließlich in Rechenzentren zum Einsatz kamen, heute auf Edge-Geräten in der Robotik laufen, angetrieben von Plattformen wie Nvidia Jetson und anderen eingebetteten Prozessoren. Dies ist eine spannende Zeit für die Branche, in der sich Robotik und Automobiltechnik stark überschneiden.

Was kommt als Nächstes für AMRs?

Kersjes: Sensoren haben eine Verbesserung ihres hohen Dynamikbereichs erfahren, wodurch Roboter in unkontrollierten Umgebungen wie der Landwirtschaft, Lieferroboter im Außenbereich und ähnlichen Anwendungen effektiver eingesetzt werden können. Kraftrückmeldesensoren, Drehpositionssensoren und Feuchtigkeitssensoren können mehr Umgebungsschwankungen berücksichtigen und feinere Aufgaben wie das Pflücken von Beeren ausführen. Der induktive Positionssensor NCS32100 ist ein absoluter, berührungsloser Drehpositionssensor, der eine Genauigkeit von +50 Bogensekunden oder besser bei bis zu 6000 U/min und maximal 45.000 U/min bietet. Onsemi stellt ein kostenloses Online-Tool für die Leiterplattenkonstruktion zur Verfügung, mit dem sich Rotor- und Stator-Leiterplatten schnell entwerfen lassen. Dies erleichtert die Herstellung einer kostengünstigen und präzisen Encoder-Lösung für anspruchsvollste Robotikanwendungen.

Card: Roboter haben auch großes Potenzial, gefährliche, alltägliche oder unerwünschte Aufgaben zu übernehmen, die Menschen nicht interessieren, sowohl im industriellen Bereich als auch in unserem Privatleben. Sie können zum Beispiel Dachrinnen reinigen oder das Haus streichen.

Zwei Mitarbeiterinnen mit Helm und Kopfhörer vor einem Lagerroboter
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Können Sie uns mehr über die simultane Positionsbestimmung und Kartierung – kurz: SLAM – und deren Funktionsweise erläutern?

Card: SLAM beginnt mit der Verwendung eines virtuellen Modells eines Lagers, damit ein Roboter seine Umgebung kennenlernen kann. Der Roboter lernt durch Ausprobieren, wie er sich in der Umgebung bewegen muss, bevor er sich physisch darin befindet. Wenn der Roboter eingesetzt wird, ist er gut trainiert und aktualisiert seine Umgebungskarte kontinuierlich. Er kann sogar um dynamische Objekte wie andere Roboter in der Umgebung herum navigieren.

Kersjes: Im Automobilbereich ist dieses Konzept als »erstes Auto« bekannt. Ein AMR-Fahrzeug, das zum ersten Mal auf eine Straße oder ein neues Hindernis trifft, muss aus seiner Umgebung lernen und diese Erfahrungen dann an das Netzwerk zurücksenden, damit andere AMRs daraus lernen und die Karten aktualisieren können.

Ein Betriebssystem in mobilen Robotern ermöglicht uns die Integration von Sensoren über eine Technologie namens HoloScan. Sie stellt eine schnelle Schnittstelle zwischen hochauflösenden oder bandbreitenstarken Sensoren wie Bildsensoren her, um das, was der Roboter sieht, direkt in seinen Speicher zur Verarbeitung zu kopieren. Dies kann für andere Anwendungen wie die Telemedizin von entscheidender Bedeutung sein, wo ein Roboter an einem Patienten operiert, aber von einem Arzt ferngesteuert wird, wobei sowohl die Latenz als auch die Bandbreite des Netzwerks kritisch sind.

Moderne Roboter können zwei unterschiedliche Ansätze zur Robotersteuerung und Entscheidungsfindung verwenden, die als »System 1« und »System 2« bezeichnet werden und den verschiedenen Ebenen oder Ansätzen der Steuerung und Kognition entsprechen. Dies ist analog zu den kognitiven Systemen des Menschen. System 1 in der Robotik zeichnet sich durch schnelle, reaktive und oft schon programmierte Verhaltensweisen aus, ähnlich wie Menschen instinktiv reagieren. System 2 dagegen umfasst bewusstere, analytischere und potenziell langsamere Entscheidungsprozesse, die komplexere Berechnungen und Überlegungen erfordern. Es nutzt außerdem KI und symbolisches Denken, um komplexere und anspruchsvollere Aufgaben zu erledigen. Beide Arten sind erforderlich, damit Roboter im Umgang mit Menschen sicher und selbstständig arbeiten können.

Welche Arten von Robotertechnologie finden Sie momentan besonders bemerkenswert?

Kersjes: Die Technologien, die wir in verschiedenen Evaluierungsboards und Kundenprodukten sehen, sind Bildkameras. Bei AMRs ist die Platzierung der Sensoren wichtig. Wenn beispielsweise die Sicht versperrt ist, werden häufig Sensoren in Ecken verwendet, um ein 360°-Sichtfeld zu erreichen.

Technologien wie E-Fuse, also elektronische Sicherungen, und Graceful-Reset-Funktionen sind wichtig für das Energiemanagement und ermöglichen höherwertige Roboterfunktionen wie intelligentes Verhalten bei Stromausfällen oder Navigationsproblemen.

Card: Das Energiemanagement ist besonders wichtig bei mobilen Robotern, die nicht über eine stabile Wechselstromversorgung verfügen, sondern mit Akkus betrieben werden. Da die Akkuspannung stark schwanken kann (zum Beispiel zwischen 30 und 42 V bei einem 10-Zellen-Akku), sind effiziente DC/DC-Wandler (wie die der FAN65000-Familie) erforderlich. Diese Wandler mit einem Wirkungsgrad von über 95 Prozent tragen zur Aufrechterhaltung mehrerer Gleichstromschienen für Subsysteme bei und wirken sich direkt auf die Batterielebensdauer und -effizienz aus, wodurch eine längere Laufzeit erzielt wird.

Mithilfe von Plattformen können Funktionsweisen von ARMs demonstriert werden. Welche Ansätze gibt es dazu bei Onsemi, und was ist die Idee dahinter?

Kersjes: Die Idee dahinter ist, das Verhalten von Robotern – zum Beispiel das Abfahren bestimmter Routen – zu simulieren und die Leistungsergebnisse mit den zugrunde liegenden Hardwarevorteilen zu verknüpfen. Es besteht auch Interesse daran, die Vorteile der Komponenten auf Systemebene in der Praxis durch die Integration in funktionale Robotiksimulationen und -bewertungen zu demonstrieren. Darüber hinaus arbeitet das Team mit mehreren Vertriebspartnern zusammen, die über unterschiedliche Mikrocontroller-Plattformen verfügen. Um dies zu unterstützen, wurde das Robotersystem unter Verwendung von Docker-Containern entwickelt, sodass das Roboterbetriebssystem portabel und flexibel auf verschiedenen Hardwareplattformen ausgeführt werden kann. Zu diesen Plattformen gehören Nvidia Jetson, D3 Embedded, Advantech, Renesas und AMD. Dieser Ansatz ermöglicht eine einfache Anpassung der Robotik-Software an verschiedene Partner-Ökosysteme.

Wo sehen Sie die Zukunft der Robotik?

Card: Wir sehen 2025 als »das Jahr, in dem sich Roboter bewähren werden«, da in diesem Bereich zahlreiche neue Innovationen immer ausgereifter werden. Von Technologien wie iToF-Kameras (indirect Time of Flight = indirekte Laufzeitmessung), die Entfernungen zu Objekten messen, indem sie analysieren, wie modulierte Lichtwellen von Oberflächen reflektiert werden und zum Sensor zurückkehren, bis hin zu physischer KI, die den Lern- und Trainingsprozess von Robotern beschleunigt. All die verschiedenen Sensortechnologien, die für unterschiedliche Anwendungsfälle benötigt werden, tragen dazu bei, dass Robotersysteme in zahlreichen Bereichen sicher und effektiv bleiben – was in den kommenden Jahren zu einem Boom bei der Nutzung und Verbreitung von Robotern führen wird.


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