Industriekommunikation auf neuer Basis

Single Pair Ethernet: Kompakt, effizient, zukunftsfähig

12. November 2025, 13:50 Uhr | Andreas Willig, Produktmanager bei TQ-Systems / ak
SPE eignet sich unter anderem für die Robotik.
© ChatGPT-OpenAI

Industrie 4.0 und Industrial Internet of Things (IIoT) erfordern, dass Unternehmen ihre Produktion vernetzen und smart machen. Altbekannte Lösungen stoßen dabei an Grenzen. Hier punktet Single Pair Ethernet (SPE) mit höherer Flexibilität und Effizienz sowie erheblichen Kosten- und Platzeinsparungen.

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SPE wurde als neuer Standard zur Datenübertragung in Ethernet-basierten Datenübertragungssystemen geschaffen. Der wesentliche Unterschied zum herkömmlichen Ethernet ist die Anzahl der Adernpaare im Netzwerkkabel: Beim herkömmlichen Ethernet-Kabel (CAT6) sind es zwei oder vier Adernpaare - im Vergleich dazu hat SPE nur ein Paar. Daraus resultiert selbstredend ein deutlich kleinerer Kabeldurchmesser und entsprechend auch weniger Gewicht. Die Steckverbinder sind beim Ethernet mit den standardisierten RJ45 altbekannt. Neu sind die spezialisierten miniaturisierten SPE-Steckgesichter in verschiedenen Ausprägungen. Die Übertragungsstrecke ist natürlich abhängig von der Übertragungsgeschwindigkeit bei SPE und kann mit 10 Mbit/s bis zu 1000 m erreichen, beim Standard-Ethernet mit 1 Gbit bis zu 100 m.

SPE bietet einen weiteren wichtigen Vorteil: dank PoDL (Power over Data Line) kann die Stromversorgung für Geräte/Sensoren/Devices ohne zusätzliches Adernpaar erfolgen. Zwar ermöglicht PoE (Power over Ethernet) ebenfalls die Versorgung einzelner Geräte über das Datenkabel, aber hierzu ist ein zusätzliches Adernpaar notwendig.

Wie positioniert sich SPE im Vergleich zu Ethernet? Standard-Ethernet ist bisher sehr stark in Bürogebäuden, Rechenzentren oder Netzwerkinfrastruktur verbreitet. SPE eignet sich besonders für die Sensor- und Aktorebene der Gebäudeautomation und der Automobilindustrie. Dafür stehen verschiedene Übertragungsgeschwindigkeiten/Distanzen und Topologien für SPE zur Verfügung, um die jeweiligen Anforderungen optimal abzudecken. Diese Standards werden von der IEEE-802.3-Arbeitsgruppe definiert, beispielsweise 10BASE-T1L. Was bedeutet dieses vordefinierte Kürzel eigentlich? Und welche Varianten gibt es hier noch?

10BASE-T1L ermöglicht eine maximale Übertragungsgeschwindigkeit von 10 Mbit/s und Distanzen von bis zu 1000 m. Die Punkt-zu-Punkt-Topologie, also ein Gerät am Anfang und eines am Ende, eignet sich besonders für die Prozessautomatisierung, wo Sensoren und Aktoren meist weit voneinander entfernt sind. 10BASE-T1L ermöglicht auch PoDL, also die Stromversorgung von Geräten über das eine Adernpaar.

Dann gibt es noch die Variante 10BASE-T1S - der wesentliche Unterschied liegt in der Distanz von 25 m und der Topologie. Hier lassen sich bis zu acht Teilnehmer/Geräte an einem Kabelstrang anschließen. Dies eignet sich besonders für die Fabrikautomatisierung, die Gebäudeautomation oder Fahrzeuge. Hier müssen viele Geräte auf sehr kurzer Distanz effizient vernetzt werden - und das ohne riesigen Verkabelungsaufwand.

Eine höhere Übertragungsgeschwindigkeit bietet 100BASE-T1, und zwar bis zu 100 Mbit/s. Typischerweise sind Distanzen von 15 m mit der Punkt-zu-Punkt-Verbindung möglich. Der Standard wurde ursprünglich für die Automobilindustrie entwickelt, etwa um Displays, Kameras oder andere Komponenten mit höherer Bandbreite anzubinden. Die neueste Entwicklung ist 1000BASE-T1 mit einer Übertragungsrate von 1 Gbit/s. Hier lassen sich Distanzen von 15 m (ungeschirmt) und 40 m (geschirmt) erzielen. Die neue Variante kommt speziell in der Automobil- und Industrieautomatisierung mit sehr hohen Datenraten für rechenintensive Operationen und Anwendungen zum Einsatz; Beispiele hierfür sind Fahrassistenzsysteme oder hochauflösende Kameras.

Die Automobilindustrie ist ein wichtiger Treiber der neuen Vernetzung. Sie steht vor großen Herausforderungen, bei deren Lösung SPE helfen kann. Die rasche Weiterentwicklung der Digitalisierung, die zunehmende Elektrifizierung sowie die Entwicklung immer intelligenterer Assistenzsysteme im Auto bis hin zum autonomen Fahren bedingen einen massiven Anstieg der zu verarbeitenden Datenmengen. Dabei stoßen altbekannte Systeme wie der CAN-Bus bald an ihre Grenzen.

Gewichts- und Platzersparnis: In modernen Fahrzeugen sind kilometerweise Kabel verbaut, die nicht nur das Gewicht, sondern auch den Kraftstoffverbrauch nach oben treiben. SPE-Kabel sind deutlich leichter und dünner als bisherige mehradrige Leitungen. Der dadurch gewonnene Platz reduziert nicht nur das Gesamtgewicht des Fahrzeugs, sondern erhöht auch die Reichweite.

Höhere Bandbreite: Infotainment-Systeme, Radar-Sensoren oder Kameras benötigen viele Daten oder erzeugen große Datenmengen, deshalb werden hohe Bandbreiten gefordert. Speziell 100BASE-T1 oder 1000BASE-T1 mit hohen Bandbreiten sind für kurze Distanzen im Fahrzeug entwickelt und können diesen Bedarf decken.

Kostenreduktion: Die Rechnung ist ganz einfach - weniger Leitungspaare, einfachere Stecksysteme, der Wegfall von Komponenten wie Protokollumwandler-Gateways senken die Kosten der Fahrzeugproduktion. Weitere Kosten lassen sich auch durch die Nutzung von PoDL senken, weil hier die extra Stromversorgung wegfällt und ein Drahtpaar eingespart werden kann; dies vereinfacht nicht nur den Kabelbaum, sondern ist speziell für Nachrüstlösungen ideal.

Zuverlässige und robuste Kommunikation: Vibrationen, Temperaturschwankungen oder raue Umgebungsbedingungen wurden bei der Konzeption von SPE berücksichtigt, damit der neue Standard im Fahrzeug den widrigen Bedingungen standhält.

Diese Vorteile von SPE sind natürlich in diverse Branchen übertragbar, die ähnliche Herausforderungen an Platz, Vernetzung und Gewicht haben. Hierzu zählen unter anderem die industrielle Automatisierung und IIoT. SPE ermöglicht eine IP-basierte Kommunikation vom Sensor bis zum Cloud-Device. In der modernen Gebäudeautomation lassen sich über das Zweidraht-System beispielsweise Zugangskontrollsysteme, Heizungssteuerungen und Beleuchtungssysteme effizient bedienen und steuern. Die Robotik gewinnt durch die Platzersparnis mehr Beweglichkeit und kann dadurch Bauraum verringern. Bahn, Flugzeug oder das Transportwesen profitieren ebenfalls vom Einsatz von SPE - jedes eingesparte Gramm an Gewicht oder jeder eingesparte Kubikzentimeter Platz steigern die Effizienz.

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Kompakte Embedded-Module wie das einlötbare TQMa64xxL eignen sich zusammen mit SPE für Nachrüstlösungen auch in beengten Räumen und bei geringen Energiebudgets.
Kompakte Embedded-Module wie das einlötbare TQMa64xxL eignen sich zusammen mit SPE für Nachrüstlösungen auch in beengten Räumen und bei geringen Energiebudgets.
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Predictive Maintenance ist ein gutes Beispiel für die Nachrüstung von Sensorik in Altanlagen. Diese Schlüsseltechnik in der Industrie 4.0 zielt darauf ab, Maschinenausfälle durch kontinuierliche Zustandsüberwachung (Condition Monitoring) und vorausschauende Analyse zu verhindern. In alten Anlagen wird meist strikt nach Wartungsplan (präventiv) oder betriebsstundenbedingt etwas unternommen. Weil dies längst nicht mehr zeitgemäß ist und zu langen Stillstandszeiten bei einem unvorhergesehenen Ereignis führen kann, wird stattdessen der ideale Wartungszeitpunkt vorhergesagt und werden unnötige Verzögerungen vermieden. Dadurch verlängert sich mit Predictive Maintenance auch die Lebenszeit der Anlage und der Geräte in der Fertigung. Wichtig hierbei ist die Integration von Sensoren und Gateways, weil viele ältere Anlagen nicht im Netzwerk integriert sind, da ihnen eine moderne Netzwerkschnittstelle fehlt. Durch die Nutzung eines Gateways lassen sich Daten von Sensoren sammeln, konzentrieren und verarbeiten und an ein übergeordnetes System oder in die Cloud weiterleiten.

SPE eignet sich besonders gut als Nachrüstlösung für Sensoranbindung, speziell 10BASE-T1L. Die Datenkommunikation und auch immer öfter die Spannungsversorgung wird mit SPE und PoDL über nur ein Adernpaar gewährleistet. Der entstehende Installationsaufwand ist gering, weil alte Feldbuskabel wiederverwendbar sind. Dadurch reduziert sich die aufwändige und kostenintensive Neuinstallation von teuren Industrial-Ethernet-Kabeln stark. Zudem kann über längere Strecken mit bis zu 1 km oder mehr übertragen werden (10BASE-T1L) - entsprechend sind Repeater oder zusätzliche Switches entbehrlich.

Diese vielseitigen Aufgaben eines Gateways in der Predictive Maintenance erfordern eine leistungsstarke Elektronik. Die ideale Basis für solch umfassende Anforderungen bieten die heterogenen Multicore-Prozessoren von Texas Instruments (TI) aus der Sitara-AM64x-Serie. Sie umfassen Arm-Cortex-A53-Applikations-Cores und Cortex-R5F-Echtzeit-Cores sowie eine PRU-ICSSG (Programmable Realtime Unit - Industrial Communication Subsystem Gigabit). Für die Echtzeit-Vorverarbeitung und -Erfassung von Daten sind PRU-ICSSG und Cortex-R5F zuständig. Die R5F-Cores können über dedizierte Low-Latency-Pfade echtzeitkritische Signale deterministisch verarbeiten, und die PRU-ICSSG kann zudem zeitkritische industrielle Protokolle wie Profinet und EtherCAT zur Kommunikation verwenden.

Mittels Fast Fourier Transformation (FFT) werden Daten vorverarbeitet und gefiltert. Dadurch reduzieren sich die Rohdaten, bevor sie weiterverarbeitet werden, etwa mit einem Edge Device. Die Echtzeitfähigkeit ist hierbei entscheidend, weil Maschinenzustände präzise erfasst werden müssen.

Typischerweise läuft in den A53-Cores das übergeordnete Linux-Betriebssystem. Hier lassen sich beispielsweise Predictive-Maintenance-Algorithmen zur Anomalieerkennung ausführen - dies ermöglicht eine Zustandsbewertung in Echtzeit, um mögliche Alarme rechtzeitig auszulösen. Darüber hinaus managen die A53-Cores die Maschine-zu-Maschine-Kommunikation mittels MQTT (Message Queuing Telemetry Transport) oder komplexer Protokoll-Stacks für eine sichere Übertragung der zusammengefassten und analysierten Daten an die Cloud oder ein MES (Manufacturing Execution System). Die PRU-ICSSG ist für industrielle Ethernet-Stacks wie EtherCAT, Profinet RT/IT oder TSN optimiert und schafft so die Brücke zu übergeordneten Steuerungseinheiten wie einer SPS. Die vier echtzeitfähigen Gbit-Ethernet-Ports sind für SPE oder Standard-Ethernet prädestiniert. In Verbindung mit dem passenden PHY (z.B. TI DP83TG720) ist sogar Gbit-SPE (1000BASE-T1) möglich.

IEEE-802.3-Standards für SPE und ihre technischen Merkmale.
IEEE-802.3-Standards für SPE und ihre technischen Merkmale.
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Darüber hinaus berücksichtigt die CPU-Familie auch die Themen Security und Safety: über den integrierten M4F-Core lassen sich dedizierte sicherheitsrelevante Aufgaben realisieren und integrieren, zudem bieten die CPUs auch Secure Boot und weitere Security-Features an. Damit ist die AM64x-Familie die ideale Grundlage für Gateways und ein Rundum-sorglos-Paket für einen langlebigen und sicheren Betrieb. Um die Systementwicklung eines Gateways oder einer SPS schnell und kosteneffizient voranzutreiben, bietet die TQ-Systems GmbH das TQMa64xxL als geeignetes Lötmodul auf Basis der AM64x-Chips und das TQMa243xL auf Basis des Mikrocontrollers AM243x an. Trotz der geringen Abmessungen von 38 mm x 38 mm bieten die Module eine große Speichervielfalt mit LPDDR4, eMMC, NOR-Flash und EEPROM im industriellen Temperaturbereich von -40 °C bis 85 °C.

SPE ist nicht nur ein Trend, sondern eine fundamentale Verschiebung in der industriellen Kommunikation. Die Vorteile liegen auf der Hand: von der Einsparung von Kosten, Material und Verdrahtung über die Wiederverwendbarkeit alter Feldbusleitungen bis hin zur einfachen Nachrüstlösung. Diese innovative Netzwerkkommunikation ist auf dem Vormarsch und für diverse Anwendungen/Branchen nicht mehr wegzudenken. Mit leistungsstarken Embedded-Systemen von TQ und Prozessoren von TI ist die ideale Grundlage geschaffen für eine einfache Systemintegration dieser richtungsweisenden industriellen Kommunikationslösung.


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