Sicherer Blick durchs Schlüsselloch

Automatisierte Sichtprüfung für starre Endoskope

6. Februar 2024, 7:01 Uhr | Von Silke von Gemmingen
© IDS

Keine minimalinvasiven Operationen ohne Endoskope – für die Schlüssellocheingriffe werden die sehenden Medizingeräte regelmäßig geprüft, gewartet und instandgehalten: U. a. prüfen Imaging-Systeme per visueller Inspektion und Machine Learning den Zustand von Endoskopen automatisiert.

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Starre Endoskope werden in der medizinischen Diagnostik und Therapie für die Untersuchung von Körperhöhlen und Hohlorganen sowie minimalinvasive Eingriffe eingesetzt (Bild 1). Wie bei jedem Medizingerät ist eine einwandfreie Funktion der Geräte unabdingbar, um Risiken für Patienten sowie das medizinische Personal zu vermeiden. Eine verlässliche Qualitätsprüfung, die in vielen Ländern gesetzlich vorgeschrieben ist, soll Infektionen und Verletzungen, aber auch Fehldiagnosen ausschließen.

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Bild 1. Starre Endoskope untersuchen Körperhöhlen sowie Hohlorgane und sorgen für gut Sicht bei minimalinvasiven Eingriffen.
© IDS

Die regelmäßige Überprüfung und Wartung von Endoskopen durch speziell geschultes Fachpersonal stellt eine ordnungsgemäße Funktion und die Absenz von gesundheitsschädlichen Keimen sicher. Neben Endoskopietests und Sterilisationsprüfungen werden die täglich gebrauchten Medizingeräte auch umfangreichen visuellen Inspektionen unterzogen.

Dovideq Medical aus den Niederlanden ist auf Messinstrumente für die minimalinvasive Chirurgie, die in zentralen Sterilisationsabteilungen in Krankenhäusern, bei Endoskopherstellern sowie in Reparaturbetrieben für Endoskope zum Einsatz kommen, spezialisiert. Für die Prüfung von starren Endoskopen hat Dovideq Medical automatisierte und vernetzte Imaging-Systeme entwickelt. Ein Beispiel ist der Endoskoptester LightControl, der anhand von sechs Test- und Messparametern detaillierte Daten zum Zustand des Endoskops erfasst und ausgewertet – laut Hersteller besonders handlich, klein, leicht, preiswert und schnell. So wird gewährleistet, dass nur einwandfreie Endoskope in den Operationssaal gelangen.

Automatisierte Inspektion für Sicherheit und Hygiene

Die COVID-19-Pandemie hat die Bedeutung der Hygiene und Sterilität von Endoskopen und anderen medizinischen Geräten noch weiter in den Vordergrund gerückt – und damit auch das Bewusstsein für die Notwendigkeit von automatisierten Inspektionsverfahren erhöht. Ein Endoskop, das nicht ordnungsgemäß gereinigt und desinfiziert wurde, kann die Übertragung von Infektionen verursachen, ein defektes Endoskop kann während der Untersuchung oder Behandlung von Patienten zu Verletzungen führen. Nicht minder schwerwiegend sind die Folgen einer Fehldiagnose oder falschen Behandlung, wenn ein Endoskop nicht richtig funktioniert oder eine Beschädigung aufweist und dadurch falsche Bilder liefert.

Qualitätsmängel und die damit einhergehende beeinträchtigte Funktionsweise eines Endoskops können verschiedene Ursachen haben. Dazu gehören neben falscher Handhabung und mangelnder Wartung auch Faktoren wie Materialermüdung und Verunreinigung. Unsachgemäßer Transport oder ungeeignete Aufbewahrung können ebenso zu Schäden führen wie die schlichte Alterung des medizinischen Gerätes. Linsen und andere optische Komponenten können mit der Zeit abgenutzt werden, was zu unscharfen oder verzerrten Bildern führt.

Um zu vermeiden, dass sich Bakterien oder andere Krankheitserreger auf dem Endoskop absetzen und damit nicht nur die Qualität der Bilder beeinträchtigen, sondern schlimmstenfalls auch den Behandelten schaden, werden sie regelmäßig sterilisiert. Doch auch der Sterilisationsprozess kann die Qualität und Genauigkeit der medizinischen Geräte beeinträchtigen, da die hohen Temperaturen und chemischen Substanzen, die dabei verwendet werden, potenziell schädlich für die empfindlichen Komponenten des Endoskops sein können. Insbesondere kann sich durch Hitze und Dampf Feuchtigkeit in den Linsen einschließen und zu Beschädigungen führen. Darüber hinaus können einige Sterilisationsmittel, wie z. B. Formaldehyd, eine korrosive Wirkung auf Metallteile haben.

Visuelle Prüfung komplexer Medizingeräte

So vielschichtig die möglichen Ursachen sind, so vielseitig sind auch die möglichen Beschädigungen eines Endoskops. Um der Komplexität der erforderlichen Prüfkriterien effizient zu begegnen, hat Dovideq Medical das visuelle Prüfsystem LightControl entwickelt (Bild 2). »Unser patentiertes Testgerät sieht mithilfe einer Kamera weit mehr als das menschliche Auge eines Chirurgs, beispielsweise Schmutzpartikel, Linsenbrüche, Verunreinigungen oder Farbabweichungen«, sagt Chielant de Wit, Geschäftsführer bei Dovideq Medical.

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Bild 2. Das patentierte visuelle Prüfsystem LightControl erkennt automatisiert Schmutzpartikel, Linsenbrüche, Verunreinigungen oder Farb­abweichungen an Endoskopen.
© Dovideq

LightControl führt die automatisierte Sichtprüfung mithilfe einer uEye-LE-Kamera
von IDS durch. Preis, Sensorqualität und Größe waren bei der Wahl des Modells ausschlaggebend. Die eingebaute USB3-Vision-Industriekamera U3-3860LE Rev.1.2 ist auf wesentliche Funktionen reduziert und verfügt über einen lichtempfindlichen Sony-Sensor. Der integrierte IMX290 sorgt mit BSI-Technologie (Back Side Illumination) für hervorragende Bildqualität mit exakter Farbtrennung und ermöglicht die hier so besonders wichtige originalgetreue Motivwiedergabe – auch unter schlechten oder schwankenden Lichtverhältnissen. Die Kamera wiegt nur 36 Gramm, ist bauklein, variantenreich und mit einem beschichteten Plastikgehäuse dennoch robust. Damit eignet sie sich für die Integration in Kleingeräte und Embedded-Systeme sowie den Einsatz in der Medizintechnik.

Über Dovideq
Dovideq Medical Systems ist auf Messinstrumente spezialisiert, die in der minimalinvasiven Chirurgie eingesetzt werden. Anwendende sind Abteilungen für Zentralsterilisation und Biomedizin­technik sowie OP-Manager professioneller Krankenhäuser, die mit Endoskopverwendung und Endoskopqualität befasst sind. Auch Endoskophersteller und -Reparaturbetriebe nutzen Inspektionsprodukte von Dovideq. Die Mess- und Testgeräte sollen die Gesamtbetriebskosten senken, die Ausfallzeiten von Operationen verringern und deren Effizienz sowie die Vorhersagbarkeit und Rückverfolgbarkeit durch die Auto­matisierung wichtiger Prozesse, unter anderem bei Reparaturen, erhöhen.

Messparameter für die automatische Kontrolle

Dovideq hat sechs Test- und Messparameter identifiziert, die verlässliche Daten über den Systemzustand in Echtzeit liefern und via Machine Learning die Qualität von Endoskopen automatisiert prüfen:  

  • Der »Linsenfraktur«-Algorithmus misst, ob eine oder mehrere interne Linsen eine Fraktur aufweisen.
  • Der »Particle Detection«-Algorithmus findet heraus, ob feine Schmutzpartikel, Feuchtigkeit oder andere Verunreinigungen in das Innere des Endoskops gelangt sind. Bei beiden Messungen nimmt die Kamera mehrere Bilder auf und macht daraus ein Histogramm. Das System referenziert die Bilder in Bezug auf vorangegangene Bilder und füttert mit diesen Daten ein neuronales Netz.
  • Lichtfasern werden in Lux gemessen und basieren auf der Lichtemission. Bei der »Lichtfaser«-Messung wird anhand von Referenzwerten sichergestellt, dass die Fasern bzw. Faserpakete des Endoskops genügend Licht hindurchlassen. So wird verhindert, dass das Endoskop undeutliche Bilder liefert.
  • Die »Lichtdurchlässigkeit« der Linsen wird anhand von Einzelbildern der integrierten IDS Kamera ermittelt. Das Messgerät verwendet dafür eine kalibrierte Lichtquelle, die auf eine Pixelebene fällt. Jedem Pixel ist ein bestimmter RGB-Wert eines Farbspektrums zugeordnet. Die Kombination aller Pixel wird mithilfe eines speziell entwickelten Algorithmus in einen Leuchtdichtewert umgewandelt und referenziert.
  • Mit der »Fokus«-Messung wird mithilfe der Harr-Wavelet-Transformation geprüft, ob die Linsen intakt und nicht verunreinigt sind bzw. ob das Endoskop ein klares Bild liefert. Während der Messung nimmt das System mehrere Bilder auf, um den Zustand der Linse festzustellen. Im optimalen Fall blickt die Kamera durch das Endoskop und zeigt scharfe Konturen.
  • Die »Farbkorrektheit« wird durchgeführt, um Verfärbungen durch den Sterilisierungsprozess zu erkennen. Das System warnt vor Fehlinterpretationen der Aufnahmen durch Farbabweichungen. Das Gerät nimmt Bilder auf und misst Abweichungen in der Farbübertragung anhand des HSV-Modells, das die Farbe eines Bildpunktes auf der Basis der drei Werte Hue (Farbton), Saturation (Sättigung) und Value (Helligkeit) beschreibt. Die Farbkorrektheit stellt sicher, dass die tatsächlichen Farben der Organe oder Gewebe wiedergegeben werden, um eine fehlerhafte Diagnose oder Behandlung zu vermeiden.

»Die automatisierte visuelle Inspektion von Endoskopen dient der Qualitätssicherung, Effizienz, Kosteneffektivität und Patientensicherheit im Krankenhaus beziehungsweise in der Arztpraxis«, sagt Chielant de Wit. Systeme wie LightControl leisteten dazu einen wesentlichen Beitrag, indem sie objektive Ergebnisse liefern und selbst kleinste Defekte, Kratzer oder Abnutzungen an Endoskopen erkennen (Bild 3).

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Bild 3. Automatisierte Endoskopprüfung am Beispiel des Modells ScopeControl von Dovideq. Wie bei LightControl sorgt das System mithilfe von IDS Kameras für ein hohes Maß an Effizienz und Zuverlässigkeit.
© IDS

Darüber hinaus arbeiten sie stets mit der gleichen Genauigkeit und Konsistenz, unabhängig von Faktoren wie Müdigkeit oder menschlicher Fehler, und sind wesentlich schneller. Das spart Zeit und Kosten, führt zu einer höheren Verfügbarkeit der Geräte und einer verbesserten Auslastung der Ressourcen.

Potenzielle Defekte oder Schäden werden frühzeitig erkannt, was kostspielige Reparaturen oder den Austausch von Endoskopen vermeiden kann. Die daraus resultierenden Bilder oder Videos stehen als Nachweis für die Inspektion zur Ver­fügung und können bei Bedarf zur Fehleranalyse und zu Schulungszwecken verwendet werden. »Mithilfe der Test- und Messdetails können Informationen über die Leistung der getesteten Endoskope ausgewertet sowie Verlaufs- und Trendanalysen erstellt werden«, so de Wit. »LightControl speichert alle Details der Endoskopmessungen samt Testergebnissen zu Berichts- und Verwaltungszwecken in einer Datenbank. Dieser Endoskop-Manager ermöglicht ein exaktes Management- und Qualitätsberichtswesen.«

Die IDS UEYE LE-Kamera
Name U3-3860LE-C-HQ Rev.1.2
Sensortyp CMOS
Hersteller Sony
Framerate 135 fps
Auflösung 1936 x 1096 Pixel
Shutter Rolling Shutter
Sensorformat 1/3 Zoll
Auflösung 2,12 MP
Maße 47,0 x 46,0 x 23,9 mm
Gewicht 36 Gramm
Anschluss USB-C

 

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Die Vision-Kamera für die Endoskop-Prüfung ist sehr klein und wiegt nur 36 Gramm.
© IDS

Mit KI zu fehlerfreien Medizingeräten

Endoskope sind lebenswichtige medizinische Geräte, mit deren Hilfe Ärzte eine Vielzahl von Krankheiten diagnostizieren und behandeln, indem sie einen eindeutigen, klaren Blick in den Körper eines Patienten ermöglichen. Doch wie jedes medizinische Gerät unterliegen auch Endoskope dem Verschleiß und müssen mit der Zeit repariert oder ersetzt werden. Chielant de Wit sieht für Imaging-Verfahren in der Medizin ein großes Wachstumspotenzial: »Schon jetzt ist der Bedarf an automatisierter intelligenter visueller Inspektion von Endoskopen hoch und wird voraussichtlich in den kommenden Jahren weiter steigen.«

Insbesondere mit der steigenden Anzahl an Endoskopieverfahren und der wachsenden Sensibilität für Infektionsrisiken wird die Nachfrage nach automatisierten In­spektionstechnologien immer stärker. Darüber hinaus wird künstliche Intelligenz in der Bildverarbeitung dazu beitragen, die Effizienz und Genauigkeit von Inspektionsprozessen zu verbessern und menschliche Fehler zu minimieren. Die Miniaturisierung und technologische Weiterentwicklung von Imaging-Kameras wird die automatisierte Inspektion von Medizingeräten in der Fertigung und im klinischen Einsatz unterstützen und die Sicherheit von Patienten und Operationen weiter erhöhen. (uh)


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