Von der Forschung in die Klinik

Der photoakustische Effekt

2. Februar 2024, 9:43 Uhr | Heinz Arnold
Die MSOT-Geräte von iThera für die präklinische und klinische Forschung
© iThera

Bildgebende Systeme auf Basis des photoakustischen Effekts können die klinische Diagnostik revolutionieren: Sie »sehen« bei hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung zentimetertief in das Gewebe.

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Nichtinvasive und für den Patienten schonende Technik auf Basis bildgebender Systeme mithilfe des photoakustischen Effekts ermöglichen ganz neue Diagnoseverfahren. Bei den Detektoren, die das Münchner Startup-Unternehmen iThera in seinen optoakustischen Scannern einsetzt, handelt es sich um speziell dafür angefertigte Typen, die von der französischen Firma Imasonic gefertigt werden. Sie hat sich auf anwendungsspezifische Wandler in kleinen Stückzahlen fokussiert. »Die Entwicklung von PMUTs oder CMUTs ist für uns aufgrund der hohen Einmalkosten eine Herausforderung«, sagt Christian Wiest, CEO und Mitgründer von iThera Medical. Was nicht heißt, dass er sich nicht vorstellen könnte, später einmal Arrays einzusetzen, die auf PMUTs oder CMUTs basieren. Mit dem Fraunhofer ENAS besteht bereits eine Zusammenarbeit mit dem Ziel, PMUTs oder CMUTs mit integrierten Vorverstärkern zu entwickeln. Besonders schön wäre es, wenn die Transducer auch noch für Licht durchlässig wären. »Dann könnten wir mit den Lasern durch sie hindurch leuchten und müssten nicht auf seitliche Beleuchtung ausweichen«, sagt Christian Wiest.

Das bildgebende Verfahren, das iThera verfolgt, basiert auf dem photoakustischen Effekt. Einfach erklärt wird ein Laser mit Nanosekunden-Pulsen auf das zu untersuchende Gewebe gelenkt. Dort, wo das Licht vom Gewebe absorbiert wird, findet eine thermoelastische Expansion statt, aufgrund derer eine sphärische Ultraschallwelle entsteht, die durch das Gewebe zum Detektor propagiert. Oder kurz formuliert: »Licht rein, Ultraschall raus.« Daraus rekonstruiert das Gerät ein Bild mit optischem Kontrast, das es erlaubt, verschiedene Krankheitsprozesse zu erkennen und Diagnosen zu stellen. Multispektrale optoakustische Tomografie (MSOT) nennt iThera dieses Verfahren.

Daraus geht schon hervor, dass es sich um ein ausgesprochen komplexes bildgebendes Verfahren handelt. Tiefe Kenntnisse in der Lasertechnik, der Optik, auf dem Gebiet der Ultraschallsensoren und der Elektronik sind genauso erforderlich wie auf dem Gebiet von Algorithmen, die aus den akustischen Signalen Bilder rekonstruieren und diese spektral analysieren. Auf diese Weise lassen sich unterschiedliche Gewebetypen im Körper charakterisieren, differenzieren und in 3D-Bilder umsetzen.

Christian Wiest
Christian Wiest, CEO und Mitgründer von iThera Medical: »Wir werden die MSOT-Technologie auf Basis des photoakustischen Effekts von einem Forschungsinstrument zu einem diagnostischen Hilfsmittel im klinischen Umfeld machen, von dem wir glauben, dass es für Millionen von Patienten auf der ganzen Welt ein entscheidender Vorteil sein wird.«
© iThera

»Im Unterschied zu etablierten bildgebenden Verfahren können auf Basis des optischen Kontrasts erstmals anatomische, funktionale und molekuläre Gewebeinformationen hochaufgelöst in mehreren Zentimetern Tiefe dargestellt werden. Das ermöglicht es Ärzten, Diagnosen frühzeitig, nichtinvasiv und in Echtzeit zu erstellen, beispielsweise bei entzündlichen, fibrotischen, kardiovaskulären und Tumorerkrankungen«, erklärt Christian Wiest. Das System »MSOT inVision« für die präklinische Forschung hatte iThera 2012, zwei Jahre nach der Ausgründung aus dem Helmholtz-Zentrum München, auf den Markt gebracht. Seit 2015 verfolgt die Firma die klinische Translation der MSOT-Technologie und hat 2021 eine CE-Zertifizierung für sein »MSOT Acuity Echo« erhalten. Ende 2023 wurden die Unterlagen zu FDA-Zulassung in den USA eingereicht.

Im Moment besteht das Hauptgeschäft für iThera in der Entwicklung und dem Verkauf von MSOT-Geräten zur präklinischen und klinischen Forschung. Präklinische Geräte finden beispielsweise in der pharmazeutischen Forschung Einsatz. Hier wird die MSOT-Technik darauf angewendet, kleine Tiere in das Gerät zu legen und die Wirkung neuer therapeutischer Ansätze zu erforschen. In der klinischen Forschung erkunden Ärzte die diagnostischen Möglichkeiten der Technologie in verschiedensten Erkrankungen. Solche Systeme kosten einige 100.000 Euro; 130 von ihnen sind derzeit bereits weltweit im Einsatz.

Doch für das künftige Wachstum des Unternehmens setzt Wiest vor allem auf die Translation der Technologie in den klinischen Routineeinsatz und sieht sich heute auf diesem Gebiet in Führung. Lediglich die amerikanische Seno Medical sei ebenfalls dabei, ihr klinisches optoakustisches System zu kommerzialisieren, das aber speziell auf die Diagnostik von Brustkrebs zugeschnitten ist. iThera fokussiert sich zunächst auf muskelbasierte Erkrankungen, insbesondere die periphäre Arteriosklerose und neuromuskuläre Erkrankungen.

Obwohl das Unternehmen bereits 14 Jahre alt ist und mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigt, sieht Wiest iThera Medical noch im Startup-Modus, der sich zu einem großen Teil aus Risikokapital und Forschungsförderungen finanziert. Die Mühlen in der Medizintechnik mahlen eben etwas langsamer und es dauert seine Zeit, bis die erforderlichen Zulassungen erreicht werden können. Auch die klinische Adoption und der Weg bis zu einer Erstattung in den verschiedenen nationalen Gesundheitssystemen dauert viele Jahre.

iThera
Das »MSOT Acuity Echo«-System von iThera
© iThera

Ende 2022 hat iThera die Series-D-Finanzierungsrunde über 13 Mio. Dollar abgeschlossen, an der erneut Kapital aus Mitteln des Wachstumsfonds Bayern beteiligt ist. Als Lead-Investor hatte Trumpf Venture die Runde angeführt. Neben den Bestandsinvestoren war auch der European Innovation Council Fund der Europäischen Kommission mit dabei. »Die Technik von iThera Medical ist in der Lage, den nächsten Durchbruch in der medizinischen Bildgebung zu erzielen«, sagte damals Ulrich Kruse, Investment Manager von Trumpf Venture.

In diesem Jahr besteht das Ziel darin, die behördliche Zulassung, klinische Validierung und Wege zur Erstattung für den Einsatz des klinischen »MSOT Acuity Echo« in Europa und den USA voranzutreiben. Schon in diesem Jahr rechnet Wiest damit, die CE- und FDA-Zulassungen zu erhalten.

Dann sei der Weg nach der Validierung der ersten diagnostischen Anwendungen offen, um in den klinischen Routineeinsatz zu gehen, in höhere Stückzahlen zu kommen und die Preise für die Geräte zu senken. »Wir werden die MSOT-Technologie von einem Forschungsinstrument zu einem diagnostischen Hilfsmittel im klinischen Umfeld machen, von dem wir glauben, dass es für Millionen von Patienten auf der ganzen Welt ein entscheidender Vorteil sein wird«, sagt Wiest.

Derzeit kostet ein »MSOT Acuity Echo«-System 300.000 bis 400.000 Euro. Allein der Nanosekunden-Puls-Laser schlägt mit 50- bis 100.000 Euro zu Buche. Doch Wiest ist sich sicher, dass es noch viel Potenzial gibt, den Preis für die Geräte zu senken, beispielsweise durch höhere Integration der Elektronik. Dadurch ließen sich die Sensoren verbessern – sie müssen Signale im Bereich von µV auswerten können –, wodurch sich wiederum die Ansprüche an die Laserquelle senken lassen. Langfristig will er mit einer Quelle auskommen, die nur noch 1000 Euro kostet. »Wir entwickeln bereits die nächste Geräte-Generation, deren Footprint und Kosten um die Hälfte unter denen der heutigen Generation liegen wird«, so Wiest.


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