Eine neue Endoskopie-Technologie eines deutsch-österreichischen Forscherteams macht Speiseröhrenkrebs früher sichtbar. Ohne die üblichen Kontrastmittel oder eine Sedierung kombiniert die präzise 3D-Bildgebung optische Kohärenztomographie mit optoakustischer Mikrotomografie in einer Echtzeit-Kapsel.
Speiseröhrenkrebs ist zwar selten, aber sehr gefährlich. Von den rund 7.000 deutschen Patienten im Jahr überleben nur zwischen 20 und 26 Prozent die ersten fünf Jahre nach der Diagnose. Da Symptome erst relativ spät auftreten, wird der Krebs meist zu spät und erst in fortgeschrittenen Stadien erkannt. So würde bei Diagnose in Stadium Eins die 5-Jahres-Überlebensrate auf knapp 65 Prozent steigen.
Da Speiseröhrenkrebs sich sich schnell im Körper ausbreitet und zügig Metastasen bildet, ist es elementar, Krebsläsionen möglichst frühzeitig und präzise zu diagnostizieren.
Hier setzt die neue neuentwickelte Bildgebungsmethode eines Forschungsteam von Helmholtz Munich, der Technischen Universität München und der Medizinischen Universität Wien an. Die Technologie »O2E«, deren Name sich aus »Optoakustischer und Optischer Endoskopie« ableitet, stellt erstmals mikroskopische Gewebestrukturen und die Durchblutung in tieferen Gewebeschichten in hochauflösenden 3D-Bildern dar.
Die zwei bildgebende Verfahren stecken in einer vier Zentimeter langen Kapsel, die über ein flexibles, Band wie bei anderen Endoskopie-Verfahren über die Mundöffnung in die Speiseröhre eingeführt wird und dort mit einem 360-Grad-Rundumblick das Gewebes scannt.
Zum einen wird die optische Kohärenztomographie (OCT) eingesetzt, ein Verfahren, das mit Lichtwellen mikroskopische Querschnitte der Schleimhaut liefert und so feine Gewebestrukturen sichtbar macht. Zum anderen kommt die optoakustische Mikrotomografie (OPAM) zum Einsatz, die Gewebe mit kurzen Lichtimpulsen anregt und die daraus entstehenden Ultraschallsignale auswertet, um kleinste Blutgefäße – auch in tieferen Schichten – zu zeigen. Gerade die Darstellung der Mikrovaskularisierung ist wichtig, da Veränderungen der Gefäßstruktur oft frühe Krebsindikatoren sind.
Im Zusammenspiel der beiden Verfahren entstehen hochaufgelöste, dreidimensionale Bilder, die gleichzeitig Gewebestruktur wie auch Durchblutung zeigen. Diese doppelte Sensortechnologie erlaubt es, mikroskopische Zellveränderungen unterhalb der Schleimhautoberfläche sowie subtile mikrovaskuläre Auffälligkeiten zu entdecken, die mit gängigen Methoden bislang nicht erfasst werden konnten.
In Pilot- und Machbarkeitsstudien an Tieren und Menschen konnte die Technologie gesundes Gewebe, Zellveränderungen, Krebsvorstufen und bösartige Tumoren eindeutig voneinander abgegrenzen. Professor Vasilis Ntziachristos, Direktor des Instituts für Biologische und Medizinische Bildgebung bei Helmholtz Munich beschreibt das große Potenzial:
»Unser duales Bildgebungssystem macht kritische Merkmale von Krebsläsionen sichtbar – darunter winzige Veränderungen unterhalb der Schleimhaut und feinste Gefäßauffälligkeiten, die bisher verdeckt blieben.« |
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Das bildbasierte Verfahren hat für Patienten - neben der Chance auf Heilung - gleich mehrere Vorteile: Es kommt ohne Kontrastmittel und Betäubungsmittel aus, was die Untersuchung angenehmer und sicherer macht. Künftig könnten für die Auswertung der Bilddaten auch KI zum Einsatz kommen, was Geschwindigkeit und Präzision der Diagnose weiter steigern sollte.
In einem bereits dieses Jahr gestarteten Folgeprojekt arbeitet das Team an der weiteren Optimierung der Kapseltechnologie. Geplant ist die Integration der konfokalen Endo-Mikroskopie, so können hochauflösende Echtzeitaufnahmen einzelner Zellen entstehen. Dieses Upgrade könnte künftig sogar die gezielte Erkennung molekularer Marker bei Krebs erlauben, was Diagnostik schneller und weniger invasiv macht.
Das neue Verfahren zeigt damit ein großes Potential für den klinischen Einsatz, da eine frühzeitige Erkennung von Speiseröhrenkrebs die Überlebensrate von derzeit etwa 10 Prozent bei Diagnosen im Spätstadium auf bis zu 90 Prozent anheben kann. Gleichzeitig könnten die Therapiekosten von typischerweise rund 140.000 Euro auf knapp 10.000 Euro sinken, da Behandlungen im Frühstadium deutlich günstiger sind. (uh)