Medizintechnik-Erfolg für Elon Musk

Neuralink implantiert seinen ersten Gehirn-Chip in einen Menschen

30. Januar 2024, 16:18 Uhr | dpa (uh)
Verbindung zwischen Gehirn und Smartphone - Musk hat auf X verkündet, dass der erste Neuralink-Chip in das Gehirn eines Menschen eingesetzt wurde. Medizinisch verwertbare Ergebnisse wird es aber so schnell nicht geben.
© Susan Walsh/AP/dpa

Dank einem Chip im Gehirn Roboterarme oder Telefone steuern - was einzelnen Patienten schon länger möglich ist, will Tech-Milliardär Elon Musk mit viel Geld in den Massenmarkt drücken. Nach der ersten OP am Menschen gibt es bei seinem Neuroimplantat noch viele offene Fragen.

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Elon Musks Unternehmen Neuralink hat erstmals einem Menschen ein Gehirn-Implantat eingesetzt. Der Patient erhole sich nach dem Eingriff gut, wie Musk auf X / Twitter mitteilte. Die ersten Ergebnisse deuten zudem auf eine »vielversprechende Erkennung von Neuronenspitzen« hin, so der Unternehmensgründer. Bei der Neuralink-Studie setzt ein Roboter das Brain-Computer-Interface in den Bereich des Gehirns ein, der die Mobilität steuert. Das Implantat hilft, die Gehirnsignale des Patienten zu entschlüsseln und in Befehle für externe Medizintechnik umzuwandeln. Patienten sollen nur durch Gedanken wieder ein Smartphone oder andere Geräte steuern können.

Neuralink ist nur eine von vielen Firmen, die Neuroimplantate entwickeln. Weitere Unternehmen und Forscher arbeiten ebenfalls an ähnlichen Verfahren, auch Tests an Menschen sind schon lange gängige Praxis.


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Der Neurotechnologe Rüdiger Rupp vom Universitätsklinikum Heidelberg äußerte, dass bisher viele Informationen im Neuralink-Fall fehlen. Es ist unklar, wie viele Drähte implantiert wurden und ob der Versuch auf eine bestimmte Frist oder dauerhaft ausgelegt ist. Rupp betonte, dass die Ableitung neuronaler Aktivität allein noch nicht bedeutet, dass ein Smartphone kontrolliert werden kann. Dafür müsste die Aktivität der Neuronen vom Nutzer aktiv durch Gedanken moduliert werden können, und ein neuronaler Dekoder müsste die neuronale Aktivität stabil in Steuerbefehle umwandeln.

Zulassung von Neuroimplantaten wird noch dauern

Der Neuroinformatiker Moritz Grosse-Wentrup von der Universität Wien erklärte, dass die Technologie an sich keine Revolution darstellt. Bereits seit knapp zwei Jahrzehnten werden von einzelnen Patienten Roboterarme über Implantate gesteuert. Mit Neuralink sei es jedoch möglich, mit erheblichem finanziellen und personellen Aufwand die zahlreichen kleinen Probleme bis zur Marktreife zu lösen.

Grosse-Wentrup wies darauf hin, dass das Neuralink-Implantat im Vergleich zu anderen Systemen über 1024 Elektroden verfügt, die mit Nervenzellen im Gehirn verbunden werden. Dadurch lassen sich sehr präzise bestimmte Bereiche und Funktionen ansteuern. Ein großer Nachteil des Verfahrens aus Sicht des Neuroinformatikers sei jedoch, dass es »im Gehirn drin« eingepflanz wird, was das Risiko von Infektionen birgt und zu Abkapselungsreaktionen des Hirngewebes führen kann. Es ist noch unklar, wie lange das System stabil bleiben kann, da sich bei ähnlichen invasiven Ansätzen gezeigt hat, dass die Zahl beobachtbarer Neuronen mit der Zeit abnimmt. Grosse-Wentrup betonte, dass eine fundierte Beurteilung von Neuralink erst in einigen Jahren möglich sein wird und erste Zulassungen gegebenenfalls erst in etwa einem Jahrzehnt zu erwarten sind.

Neuralink hat einen Vorteil

Das Unternehmen Neuralink hat im Vergleich zu anderen Firmen und Kooperationen mit ähnlichem Ziel einen speziellen Vorteil, wie von Grosse-Wentrup erwähnt: »Alle anderen pumpen bei weitem nicht so viel Geld da rein.« Der Experte ist sich jedoch nicht sicher, wo sich Musk bei Marktreife der Technologie die Riesengewinne erhofft, da die absehbare Patientengruppe, die davon profitieren könnte, nicht sehr groß ist. Grosse-Wentrup ergänzte, dass es prinzipiell längerfristig denkbar sei, über die Technologie bestimmten Patienten das Gehen wieder zu ermöglichen, jedoch seien die Kosten und Herausforderungen immens.

Über Neuralink
Das Unternehmen Neuralink wurde von Elon Musk im Jahr 2016 gegründet, um die Möglichkeiten der Vernetzung des menschlichen Gehirns mit Maschinen zu erforschen. Im Mai 2023 erhielt Neuralink die Erlaubnis, das entwickelte Implantat zu Forschungszwecken in einer klinischen Studie an Menschen einzusetzen. Zuvor wurde die Technologie an Tieren getestet. Das Implantat verfügt über 1024 Elektroden, die mithilfe eines speziellen Roboters bei einer Operation direkt mit dem Hirngewebe verbunden werden. Für die klinische Studie suchte Neuralink Patienten mit Tetraplegie, einer Querschnittlähmung, bei der Beine und Arme betroffen sind.

Der Neuroinformatiker Grosse-Wentrup betont aber auch, dass es derzeit keinen entscheidenden Vorsprung von Neuralink gegenüber anderen implantierten Lösungen gebe. Dennoch sei die große Aufmerksamkeit möglicherweise gerechtfertigt, da Musk bekannt dafür sei, Innovationen zur Marktreife und praktischen Verwendbarkeit zu führen. Es wäre für das gesamte Feld der Hirn-Computer-Schnittstellen ein großer Gewinn, wenn Musk wie bei Tesla oder SpaceX auch bei Neuralink ein Produkt auf den Markt bringen und mit seinen hohen verfügbaren Geldsummen lange auf dem Markt halten würde. (uh)

 


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