Mit einer Integrations-Roadmap und einer geplanten Erweiterung der Kapazitäten unternimmt EPC-Mitbegründer und CEO Dr. Alex Lidow die nächsten Schritte, um das Anwendungsspektrum von Galliumnitrid-Produkten (GaN) zu erweitern und den Druck auf konkurrierende Silizium-MOSFETs weiter zu erhöhen.
Markt&Technik: Täuscht der Eindruck der letzten PCIM, dass in Europa vor allem das Thema Siliziumkarbid dominiert und Galliumnitrid eher ein Randdasein führt?
Alex Lidow: Nein, ich würde Ihren Eindruck bestätigen. Europa ist klar von SiC dominiert, was das Wide-Bandgap-Thema angeht. Europas Stärken liegen nun einmal in leistungsstarken Industrie- sowie in Automobil-Anwendungen. GaN war dort bisher weniger ein Thema. In den USA ist das anders. Applikationen im Bereich Lidar, Rechenzentren und Raumfahrt haben hier in den letzten Jahren ganz klar den Einsatz von GaN-Lösungen gefördert. Wenn meine Beobachtung mich nicht trügt, dann bewegt sich der Einsatz von GaN langsam raus aus der Nische der Schnellladegeräte für Unterhaltungselektronik hin in Richtung eines breiter gefächerten Einsatzes. Ein entscheidender Faktor bei dieser Entwicklung ist die Tatsache, dass über die Robustheit und Zuverlässigkeit von GaN-Lösungen heute keine Zweifel mehr bestehen.
Als Pionier der GaN-Technologie haben Sie von Beginn an auf einen möglichst hohen Integrationsgrad gesetzt. Liegen Sie da nach wie vor im Plan, was Ihre Roadmap angeht?
Ich würde so weit gehen zu sagen, wir sind genau da, wo wir nach unserer Roadmap sein sollten. Die monolithische Integration von Features hilft unseren Kunden. Sie macht die Performance-Vorteile der GaN-FETs für immer mehr Applikationen nutzbar, und das auf einfache und komfortable Weise. Inzwischen finden sich unsere Produkte auch in Motorsteuerungen und E-Bikes! An Letzteres war in dieser Form noch vor Jahren nicht zu denken. Natürlich profitieren wir hier auch vom massiven E-Bike Boom im Gefolge der Corona-Pandemie. Aber auch in dieser Applikation, die ja bekanntermaßen nicht für ihren rücksichtsvollen Umgang mit dem Sportgerät bekannt ist, hat sich gezeigt: Zuverlässigkeit sowie mechanische und thermodynamische Robustheit der GaN-FETs stehen inzwischen außer Frage.
Wie im Bereich SiC hat GaN in den letzten Jahren sicher davon profitiert, dass sich ein Ökosystem gebildet hat, das den Einsatz dieser Produkte fördert. Was war da in Ihren Augen besonders hilfreich?
In den letzten Jahren sind neue Mikrocontroller auf den Markt gekommen, die sehr gut mit GaN-FETs zusammenarbeiten und so den Einsatz nicht nur wesentlich erleichtern. Sie helfen auch entscheidend mit, die spezifischen Vorteile von GaN-FETs wirklich auszuschöpfen und für die verschiedensten Applikationen zu nutzen. Vor diesem Hintergrund können wir heute Chipsätze anbieten, deren Stromtragfähigkeiten bis 65 A reichen.
Ihr Ausspruch »Ich hasse Gehäuse« hat in der Branche eine gewisse Berühmtheit erlangt. Stehen Sie immer noch dazu, oder hat sich mit dem breiteren Einsatzspektrum Ihre Ablehnung von Gehäusen verändert?
Lassen Sie es mich so ausdrücken: Meine Ablehnung von Gehäusen nimmt langsam, aber kontinuierlich ab. Es gibt zunehmend Applikationen, in denen ein Gehäuse für die GaN-FETs gewisse Vorteile bietet. Ich bin da pragmatisch, auch wenn ich von der Richtigkeit unseres ursprünglichen Bare-Die-Ansatzes nach wie vor überzeugt bin – er bringt einfach die Natur der Leistungshalbleitertechnik an sich auf den Punkt.
Zu den Features, die Sie in Zukunft monolithisch integrieren wollten, zählte neben PWM-Funktionen und der Möglichkeit des digitalen Adressierens auch eine Temperatur- und Stromüberwachung. Wie weit sind Sie inzwischen mit der Realisierung dieses Ziels vorangekommen?
Der Stromsensor ist von den genannten Projekten am nächsten. Ich gehe davon aus, dass wir im nächsten Jahr Produkte mit integriertem Stromsensor auf den Markt bringen werden.
Ein anderes Thema der Roadmap war die Unterstützung von Multilevel-Systemen. Wie weit ist die Entwicklung in diesem Punkt bei Ihnen?
Wenn wir über Multilevel sprechen, dann sprechen wir über Sperrspannung bis maximal 350 V. Die bereits genannten neuen Mikrocontroller sind in der Lage, solche Topologien zu unterstützen. Ein Feature wie Multilevel-Fähigkeit monolithisch auf die Bauelemente zu integrieren wird aber noch einige Jahre dauern.
Zu den Überraschungen der letzten Zeit gehört, dass sich Power Integrations in puncto Stückzahlen zu einem der größten Verkäufer von GaN-FETs als integriertem Feature entwickelt hat. Hätten Sie das erwartet?
Ihr Ansatz war zunächst, dem Benutzer ein Produkt zu bieten, das durch seine Leistungsfähigkeit beeindruckt, und nicht unbedingt über die konkrete Technologie zu sprechen, mit der diese Performance erreicht wird. Diese Lösung ist ein gutes Beispiel für die Integration von Funktionen. Bei der Integration muss man aufpassen, dass man die Komplexität des gesamten Systems beherrscht. Wenn wir bei GaN unseren Vorteil gegenüber herkömmlichen Silizium-MOSFETs weiter ausbauen wollen, müssen wir uns darauf konzentrieren, mehr Funktionen zu integrieren, ohne die Kosten in die Höhe zu treiben. Dies tun wir derzeit mit der Entwicklung unserer sechsten Bauteilgeneration.