Mit Kurzarbeit reagierte die Automobilindustrie vielerorts, als sich die Halbleiterverfügbarkeit von Februar bis Mai zuspitzte. Inzwischen verbessert sich die Lage zusehends. Das hat auch für passive und elektromechanische Bauelemente im Automotive-Bereich eine stabil hohe Nachfrage zur Folge.
Kurzarbeit und gedrosselte Produktion – das war die Situation in der deutschen Automobil- und Automotive-Branche bis in den Mai dieses Jahres hinein. Seither verbesserte sich die Lage schrittweise, auch wenn die ursprünglichen, optimistischen Zielvorgaben für 2022 wohl nicht mehr erreicht werden, wie eine aktuelle Umfrage unter den Zulieferern zeigt.
E-Fahrzeuge werden wieder im Drei-Schicht-Betrieb gefertigt; »da die ICs ja jetzt vermehrt geliefert werden, können die Aufträge Schritt für Schritt abgearbeitet werden«, wie Jean von Redwitz, Sales Director EMEA Passive Components bei Future Electronics, weiß. Der Nachholbedarf sei bei Lieferzeiten für Neuwagen von 12 bis 18 Monaten oder sogar noch darüber hinaus riesig. »Uns erreichen immer mehr Informationen diverser Automobilkunden, dass namhafte Halbleiter-Hersteller derzeit mit langfristig verfügbaren Kapazitäten und stabilen Preisen auf die Kunden zugehen«, so Sascha Spillner, Automotive Leader Account Management bei Avnet Abacus. Der Grund hierfür sei der Produktionsbeginn der derzeit massiv ausgebauten neuen Fertigungskapazitäten.
»Im Vergleich zum Jahresbeginn kann man definitiv von einer Verbesserung sprechen«, versichert Dr. Alain Schumacher, CTO des Automotive-Zulieferers IEE in Luxemburg. »Die Zahlen der letzten drei Monate haben sich im Mittel um etwa 20 Prozent verbessert im Vergleich zu den Monaten Februar bis April. Dieses Umsatzniveau scheint sich laut den geplanten Abrufen auch im Monat September weiterhin zu halten.«
»Das 3. Quartal dieses Jahres zeigt einen weiter steigenden Auftragseingang«, schildert Joachim Pfülb, Vice President Sales Components bei der Beck Elektronik Bauelemente, die aktuelle Situation am Markt. »Der Rückstand bei den gefertigten Fahrzeugen ist weiterhin hoch, aber nach wie vor wird das Niveau der realen Abnahmen im Bereich passiver und elektromechanischer Komponenten durch die Knappheit bei Halbleitern gesteuert.«
Prinzipiell positiv sieht auch Ferdinand Leicher, Vice President Sales EMEA bei Bourns, die aktuelle Situation am Markt: »Die Bookings aus dem Autobereich sind im 3. Quartal gut, die IC-Verfügbarkeit hat sich etwas verbessert.« Allerdings befürchtet er, dass die tatsächlichen Lieferungen deutlich niedriger sein werden, »da es immer noch große Supply-Chain-Probleme gibt«.
»Es ist zu erwarten, dass, sobald die Halbleiter wieder besser verfügbar sind, unsere Kunden wieder in die Vollen gehen möchten«, schätzt Stefan Sutalo, Director Product Marketing Passive Components bei der Rutronik, die Situation am Markt ein. »Wir verfügen immer noch über einen hohen Auftragsbestand; zeitgleich beobachten wir einen Anstieg der Konsignationslager unserer Kunden. Das deutet darauf hin, dass der Markt für die Produktion gewappnet sein möchte.«
»Nachdem wir im 2. Quartal einen Rekordumsatz für die Firmengruppe erzielen konnten, sehen wir das zweite Halbjahr weiterhin auf einem stabilen, guten Niveau, auch wenn wir im Automotive-Bereich immer wieder kurzfristigere Terminverschiebungen beobachten«, berichtet Thomas Heel, Director Head of Sales Central Europe bei der Yageo Group. Aufgrund der Komplexität der Lieferkette im Automobil- und Automotive-Bereich geht er davon aus, »dass in den kommenden beiden Quartal alle Beteiligten zunehmend auf Sicht fahren werden«.
»Der Boom der Elektromobilität hat zu einem starken Umsatz im laufenden Geschäftsjahr geführt, der an das gute Ergebnis des Vorjahres anschließt«, berichtet Wolfram Harnack, Präsident von Rohm Semiconductor Europe. Rohm eile dem ursprünglichen Zeitplan voraus und habe den mittelfristigen Managementplan deshalb nach oben korrigiert. So laute die Vision des Unternehmens bis 2025 nun, ein starkes Wachstum zu generieren, insbesondere in den Automotive-Segmenten und in den Regionen außerhalb des Heimatmarktes Japan. »Vor allem in Europa wird der Fokus auf dem Automobilsektor liegen. Leistungshalbleiter im Allgemeinen und Automotive-ICs im Besonderen werden erheblich zum geplanten Wachstum beitragen.«
Bei onsemi verweist Paul Klausner, Senior Principal Marketing Manager Automotive EMEA, darauf, »dass Finanzanalysten uns im 3. Quartal ein Wachstum des Automotive-Umsatzes gegenüber dem Vorquartal von 7 Prozent vorhersagen«. Für das Gesamtjahr 2022 soll das Plus im Automotive-Bereich bei 39 Prozent liegen. »Die Nachfrage unserer Kunden ist weiterhin stabil hoch«, so Klausner, »aber wir waren aufgrund von Kapazitätsengpässen nicht in der Lage, diese Nachfrage im vollen Umfang zu befriedigen«.