Konsumelektronik war der Massenmarkt-Einstieg für GaN, doch Dr. Alex Lidow, CEO und Co-Gründer von EPC, registrierte in den letzten zwei Jahren vielerorts Tipping-Points, die GaN ganz neue Anwendermärkte etwa in KI-Serverfarmen, der Luft- und Raumfahrt, Solarinverter, oder auch der Robotik eröffnen.
Markt&Technik: Dr. Lidow, derzeit umfasst die Produktpalette von EPC GaN-Leistungshalbleiter mit Sperrspannungen von 15 bis 350 V. Haben Sie Pläne, das Portfolio in Richtung 650 V auszubauen?
Dr. Alex Lidow: Nein, aktuell sehe ich dafür keine Notwendigkeit. 650-V-Devices sind ein Commodity-Produkt. Wenn Sie sich den Produktbereich ansehen, den wir heute anbieten, dann hat der potenzielle Markt dafür das doppelte Volumen wie der High-Voltage-Markt. Ich sehe für unseren Sperrspannungsbereich auch gute Möglichkeiten im Bereich batteriebetriebener Fahrzeuge
EPC bedient ein sehr großes Spektrum von Anwendern mit seinen Produkten. Was sind die letzten Anwendungsbereiche, die Sie mit Ihren Produkten erschließen konnten?
Ich würde sagen, GaN-Lösungen haben in den letzten ein, zwei Jahren in vielen möglichen Anwendungsbereichen Tipping-Points erreicht. Da ist wirklich Dynamik reingekommen. Lidar-Lösungen wären ohne GaN beispielsweise nicht möglich gewesen und waren für uns der Einstiegsmarkt. Wenn Sie fünf Jahre zurückblicken, war GaN für die Luft- und Raumfahrt kein Thema. Heute liegt unser Marktanteil bei den ins All geschossenen Satelliten der OneWeb- oder StarLink-Programme bei 30 Prozent. Wenn Sie sich das Gebiet der Schnellladelösungen ansehen, dann haben sich GaN-Lösungen dort in den letzten Jahren auch zunehmend durchgesetzt.
KI-Server benötigen Stromversorgungen, die Spannungen von 48 V auf 12 V heruntertransformieren. Sie können sich ausrechnen, wie viel GaN-Leistungshalbleiter die dort verwendeten Chips benötigen! Denken Sie an humanoide Roboter – da werden aktuell um die 40 Motoren eingesetzt. Auch das Feld der Drohnentechnik, sei es nun zivil oder militärisch, ist ein attraktives Betätigungsfeld für GaN-Lösungen. Um es klar zu sagen: Bei GaN hat der Shift weg von der reinen Konsumelektronik und den Steckernetzteilen, hin zu einer Vielzahl interessanter GaN-Lösungen jenseits der Unterhaltsungselektronik-Welt vor etwa zwei Jahren begonnen und ist nicht mehr aufzuhalten.
Sie fertigen Ihre Produkte aktuell in zwei verschiedenen Werken auf 150- und 200-mm-Wafern. Haben Sie Pläne, die Produktionskapazitäten weiter auszubauen?
Durchaus, wir denken mit unseren Partnern darüber nach, in zwei bis drei Jahren eine weitere 200-mm-Fab zu errichten. Für den Bau dieser neuen Fab wäre dann auch Europa ein interessanter möglicher Standort. Für uns wäre ein solcher Schritt eine ganz klare Derisking-Maßnahme.
Weil Sie Europa als einen Standort für ein neues Werk genannten haben: Wie verteilt sich aktuell der Umsatz von EPC weltweit?
Ich würde sagen, unser bei Weitem größter Absatzmarkt ist immer noch China. Etwa 40 Prozent, wenn nicht noch mehr unseres Umsatzes kommen aus dem China-Geschäft. Auf Europa entfällt ein Umsatzanteil von etwa 20 Prozent. Die restlichen 40 Prozent verteilen sich weltweit.
Glaubt man den Ankündigungen diverser GaN-Hersteller, dann scheint Automotive einmal mehr das »Next Big Thing« zu sein. Teilen Sie diese Einschätzung? Wo sehen Sie aktuell die größten Chancen für GaN?
Aus meiner Sicht macht es wenig Sinn, mit GaN in Automotive-Anwendungen gegen das dort inzwischen gut etablierte SiC anzutreten. Ich denke, das macht keinen rechten Sinn. Worin ich einen Sinn sehe, sind Applikationen wie Onboard-Charger. Wirkliches Zukunftspotenzial sehe ich für GaN in Solar-Inverter-Applikationen oder in den bereits angesprochenen humanoiden Robotern, das sind Applikationen, in denen die Vorteile von GaN gegenüber anderen Halbleitern wirklich zum Tragen kommen.
Infineon Technologies hat auf der PCIM einen 400-V-SiC-MOSFET vorgestellt und damit das SiC-Portfolio spannungstechnisch nach unten erweitert. Rechnen Sie damit, dass es in Zukunft auch noch SiC-MOSFETs mit niedrigeren Spannungen geben könnte?
Nein, ich sehe keinen Sinn darin, in diesen niedrigen Spannungsklassen eine Wettbewerbssituation zwischen SiC und GaN aufzubauen. Ich sehe einfach nicht, in welchem Zusammenhang das Sinn machen sollte!
Auch bei GaN wird über höhere Sperrspannungen nachgedacht. Laterale GaN-Bausteine mit 1200 V Sperrspannung oder mehr sind zwar technisch möglich, machen aber ökonomisch keinen Sinn. Anders sieht es bei Vertical GaN aus. Arbeitet EPC an Vertical-GaN-Bausteinen mit höheren Sperrspannungen?
Nein, das kann ich ganz klar verneinen, das ist ein Thema, mit dem wir uns wirklich nicht beschäftigen! Ich sehe den Vorteil für den Anwender einfach nicht! Man gewinnt auf diesem Weg keine höhere Performance, und das wäre aus meiner Sicht der einzige Grund, warum ich mich mit Vertical GaN und seinen Möglichkeiten beschäftigen würde.
Blicken wir in die Zukunft: Neben GaN-on-Silicon und anderen Varianten gibt es auch Materialien wie Galliumoxid oder AlN, die noch größere Bandlücken aufweisen und so für die Verwendung als Leistungshalbleiter geeignet wären. Wann rechnen Sie damit, dass solche Produkte auf den Markt kommen? Beschäftigt sich EPC mit diesen Materialien?
Da sprechen wir über mögliche Lösungen, die aus meiner Sicht noch weit in der Zukunft liegen. In absehbarer Zeit rechne ich nicht damit, dass diese Materialien auf dem Leistungshalbeitermarkt eine Rolle spielen werden. Das hat auch mit der Struktur der Leistungshalbleiterbranche zu tun. Sie muss kommerziell sinnvolle Lösungen anbieten. Sie sehen ja, wie lange die Markteinführung von SiC gedauert hat, und auch GaN ist schon seit einer Weile am Markt erhältlich. Die Markteinführung neuer Materialien würde wohl frühestens in einem Jahrzehnt erfolgen, und dann ist der Markterfolg abhängig von den dann geforderten Applikationen, die in einem kommerziell sinnvollen Maße von den Performance-Vorteilen von Galliumoxid oder AlN profitieren würden.
Ihr Ziel war die zunehmende monolithische Integration von Funktionen auf den EPC-GaN-FETs. Wie weit sind Sie hier inzwischen vorangekommen und was wird noch folgen?
Wir treiben die Integration von Schutz-Features weiter voran; einen besonderen Nutzen sehe ich hier vor allem im Bereich der Motorantriebe. Neben den passenden Schutz-Features geht es aber vor allem darum, schneller zu schalten, und das in Zukunft auch mit höheren Strömen. Aktuell liegen wir da heute bei 20 bis 30 A. Das werden wir in Zukunft noch weiter steigern.
Anders als im SiC-Bereich scheint es bei GaN immer noch Patentstreitigkeiten zu geben. In Ihrem Fall speziell mit Innoscience. Wie ist da der aktuelle Stand?
Anfang Juli hat die U.S. International Trade Commission festgestellt, dass zwei unserer Schlüsselpatente gültig sind und eines, das Gründungspatent des Unternehmens, von Innoscience Technology und dessen Tochtergesellschaft Innoscience America verletzt wird. Die Empfehlung der ITC folgt auf zwei kürzlich ergangene Entscheidungen der China National Intellectual Property Administration, die in ähnlicher Weise die entsprechenden Patente von EPC in China für gültig erklärt haben.
Für mich ist die erste Entscheidung der ITC ein bedeutender Meilenstein bei der Festigung der Führungsposition von EPC im Bereich der Halbleiter mit breitem Bandabstand und könnte noch in diesem Jahr zu einem Verbot der Einfuhr der patentverletzenden Produkte von Innoscience in die Vereinigten Staaten führen. Die Feststellung der ITC, dass Innoscience unsere patentierte Technologie ohne Genehmigung verwendet, versetzt EPC in eine beneidenswerte Position, da die amerikanischen und chinesischen Aufsichtsbehörden die Gültigkeit unserer Patente bestätigt haben.