Stabiler deutscher Stromversorgungsmarkt

Die Bedeutung kundenspezifischer Lösungen wächst kontinuierlich

13. Juli 2016, 13:49 Uhr | Engelbert Hopf
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Fortsetzung des Artikels von Teil 3

In kundenspezifischen Projekten

WEKA FACHMEDIEN
© Componeers GmbH

»In kundenspezifischen Projekten, wo die Funktionalität höher bewertet wird, kann ich das wirtschaftlich darstellen«, so Tunk, »in Serienprodukten ist der Einsatz dieser Bauteile heute noch kaum darstellbar« »Natürlich gibt es kommerzielle und technischen Grenzen, die wir ständig versuchen, noch ein Stück rauszuschieben«, so Erdl, »und diese Schalter haben unzweifelhaft Vorteile, aber letztlich muss man bei jeder neuen Applikation neu entscheiden, ob das jetzt der richtige Zeitpunkt ist, diese Produkte einzusetzen, oder nicht«. Phoenix-Manager Heinemann verweist auf den Technologietransfer aus der Formel 1 in die Automobilbranche: »Was heute noch nicht bezahlbar ist, wird in einigen Jahren Standard sein. Ob der Markt wirklich solche Leistungsdichten braucht, wie sie die „Little Box Challenge“ aufgezeigt hat, bezweifle ich. Ich glaube, da gibt es noch andere Faktoren, die über den Erfolg und Einsatz von Produkten entscheiden.«

Was Erdl beim Thema SiC- und GaN-Schalter auch stört, sind die alten Gehäuse, in denen diese neuen Produkte angeboten werden. »Ich verstehe nicht, wie man diese Bausteine in einem TO220 anbieten kann, und ich verstehe auch nicht, warum man das Drain mit dem leitenden Gehäuse verbindet, was dann bei der Isolierung und beim Thema HF viele Sorgen bereitet. Um das Thema sollten sich die Halbleiter-Hersteller mal kümmern!« Auch Püthe wirft ein, dass man mit dieser veralteten Gehäusetechnik heute keinen Entwickler mehr vom Stuhl zieht, »da müssen sich die Hersteller schon was Neues einfallen lassen, was es erlaubt, die Vorteile dieser neuen Bausteine auch wirklich im vollen Umfang zu nutzen«. In Bezug auf die „Little Box Challenge“ wendet Püthe ein, »dass wir uns die Ausfallraten, die im Umrichter und Wechselrichtermarkt üblich sind, nicht leisten können. Unsere Feldausfallquoten liegen bei 0,1 Prozent«.

»Vom Standpunkt der Qualitätssicherung«, schiebt Erdl hinterher, »ist es schon interessant und wichtig, dass die großen Halbleiterhersteller jetzt bei den Wide-Band-Gap-Materialien Profil zeigen«. Schließlich verfügen sie über die Prozesse, um die Qualität der Produkte sicherzustellen, »und sie haben auch die finanzielle Kraft, einen Schadensersatzprozess abfedern zu können«.
 

Recom Electronic
Uwe Frischknecht, Recom Power: »Wir werden zur electronica 2016 ein komplettes 1-phasiges Hutschienennetz-Programm bis 1 kW präsentieren und auf der InnoTrans ein Bahnzertifiziertes Kleinwandlerprogramm von 8 bis 200 W zeigen.«
© Markt&Technik

Thema Prozess: Bei den Patentstreitigkeiten zwischen Power Integrations und Fairchild zeichnet sich nach wie vor kein Ende ab. Inzwischen scheinen die Betroffenen in der deutschen Stromversorgung-Branche jedoch auf Alternativen umgestiegen zu sein. So bietet beispielsweise On Semiconductor interessante Alternativen, andere bevorzugen TI oder Infineon als Lieferanten. Zudem scheint es einige taiwanische Hersteller zu geben. »Vorkommen kann so was immer«, meint Püthe, »nur wie Fairchild damit umgegangen ist und wie die Firma ihre Kunden unterstützt hat, fand ich schwach«. Bleibt abzuwarten, wie der Streit zwischen Fairchild und PI letztlich ausgeht, und ob Fairchild danach verlorenes Terrain wieder zurückgewinnen kann.

Brexit?  – Never!

Aus Fairness-Gründen muss an dieser Stelle gesagt werden, dass die Diskussionsrunde der Stromversorgungs-Experten knapp drei Wochen vor dem Brexit-Entscheid stattfand. Jedoch belegen ihre Einschätzungen und Statements im Nachhinein noch einmal eindrucksvoll, wie komplett überraschend das Votum der Briten vor allem auch für Wirtschaftsvertreter nicht nur auf der Insel, sondern vor allem auch auf dem europäischen Kontinent gekommen sein muss.

Bicker Elektronik
Markus Bicker, Bicker Elektronik: »Wir konnten im Vorjahr unser Portfolio erfolgreich erweitern, und damit Rückgänge im PC-Netzgeräte-Geschäft mehr als ausgleichen. Für 2016 gehen wir wieder von einem knapp zweistelligen Wachstum aus.«
© Markt&Technik

»Ich glaube persönlich nicht an den Brexit«, so Bicker, »die europäischen Handelsbeziehungen sind so verwoben – das alles neu auszuhandeln, würde Jahre dauern. Ich gehe deshalb davon aus, dass es wieder Zugeständnisse von Seiten der EU geben wird, und damit wird das Ganze abgebogen«. »Es ist derzeit ein Volksbegehren, eine Stimmungsmache, die nicht beeinflussbar ist«, stellt Tunk fest, »sollte es wirklich dazu kommen, werden die Geschäfte erst mal weiterlaufen, weil beide Seiten daran ein dringendes Interesse haben«.

»Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Briten sich ins Mittelalter zurückschießen wollen«, meint einer der Diskussionsteilnehmer etwas drastisch, aber niemand unter den Diskussionsteilnehmern kann sich zu diesem Zeitpunkt vorstellen, dass sich die Briten wirklich wirtschaftlich abkapseln wollen. »Natürlich sind die USA für die der wichtigste Handelspartner«, so Walter, »aber ich glaube nicht, dass sie es sich leisten können, ihren Zugang zum europäischen Markt einzuschränken«.

»Die Handelsbeziehungen mögen komplizierter werden, wenn es wirklich dazu kommt«, so Block-Manager Heinemann, »aber ich halte es für fahrlässig, den Brexit mit dem Grexit zu vergleichen, denn Großbritannien ist zahlungsfähig, und letztlich sogar einer der größten Nettozahler der Europäischen Union«. »Hätten wir inzwischen nicht über die IEC weltweit einheitliche Norme«, so argumentiert Erdl, »wären die Auswirkungen eines möglichen Brexits noch viel schlimmer als mögliche Handelshemmnisse in Form von Schutzzöllen für die britische Industrie«

»Wir beschäftigen in Großbritannien rund 400 Mitarbeiter, die dort für uns eine wichtige Baugruppe herstellen«, wirft Erl ein, »wir machen uns um das Thema Brexit und mögliche britische Schutzzölle schon Gedanken«. Letztlich müsste sich im Fall eines Brexit die Konzernleitung darüber Gedanken machen, ob sich eine Fertigung dort noch lohnt, oder ob es sinnvoller wäre, die Fertigung in ein anderes Werk überzuführen. »Diejenigen, die in exportorientierten Unternehmen und Branchen arbeiten, machen sich dort schon ihre Gedanken«, betont Erl, »aber letztlich wird davon ausgegangen, dass es nicht zu einem Brexit-Entscheid kommt«.

»Für Phoenix Contact Power Supplies ist Großbritannien ein zentraler Bestandteil unseres europäischen Geschäfts«, versichert Heinemann, »ich glaube, dass die Geschäfte auch nach einem möglichen Brexit weiterlaufen werden, weil die britische Industrie auf den Import von Stromversorgungen angewiesen ist«. Auch Maile sieht die Auswirkungen eines möglichen Brexit-Entscheids eher auf der britischen Seite: »Wir haben einen Großkunden dort, doch wenn es dazu kommt, dürfte das eher ein Problem für die britische Wirtschaft werden, weil dieser Großkunden sich dann überlegen wird, ob er diesen Standort noch aufrecht erhält. Ich denke die Entscheidung, wie das dann ausgeht, wäre ziemlich klar«. Frischknecht wirft an dieser Stelle die Frage auf, welche Auswirkungen ein Brexit eigentlich auf die beiden großen, in Großbritannien beheimateten Katalogdistributoren RS Components und Farnell hätte: »Das mag zu diesem Zeitpunkt spekulativ sein, aber ich gehe davon aus, dass sich in so einem Fall die Marktanteile in der Katalogdistribution in Europa verschieben würden.«

Springindschmitten erinnert daran, dass sich die politischen Zerwürfnisse innerhalb der EU mit dem möglichen Austritt der Briten noch verschärfen dürften: »Von Einigkeit kann ja schon lange keine Rede mehr sein, wenn wir jetzt auch noch ein Schwergewicht wie Großbritannien verlieren, könnte das kritisch werden. Daraus könnten sich unüberschaubare Situationen entwickeln, die dann für uns alle nicht nur wirtschaftliche Konsequenzen haben«.

Erl stimmt Springindschmitten zu, dass die direkten Auswirkungen einer Brexit-Entscheidung vermutlich gar nicht so groß seien, wie die indirekten. »Wirtschaftliche Macht transformiert sich in politische und militärische Macht«, gibt er zu bedenken, »wir verlieren unsere Einigkeit, und Einigkeit macht stark«! Wenn man den politischen Grundgedanken der Gründung der EU zunehmend aus dem Fokus verliere, »können wir uns ja auch mit einer Zoll-Union zufrieden geben. Nur von den Vision der Gründerväter der Europäischen Union bleibt dann nicht mehr viel übrig!«


  1. Die Bedeutung kundenspezifischer Lösungen wächst kontinuierlich
  2. Hutschienen-Markt
  3. Zweistelliges Wachstum
  4. In kundenspezifischen Projekten
  5. Netzteile 4.0
  6. Eher Nachfolgeregelung als Marktkonsolidierung
  7. Forumsdiskussion „Stromversorgungen“: Die Forumsteilnehmer

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