Die Hersteller von Steckverbindern und Kabeln beschäftigen sich intensiv mit Klimaschutz. Welche Maßnahmen heute bereits greifen, wie nachhaltiges Produktdesign aussieht und welchen Appell die Firmen an Verbände und Politik richten, lesen Sie in unserer Umfrage.
»Das Thema Klimaschutz, insbesondere die Dekarbonisierung, hat für unser Unternehmen den allerhöchsten Stellenwert. Mit unserem Zielbild einer ›All Electric Society‹ haben wir unsere gesamte Unternehmensstrategie darauf ausgerichtet. Sie gibt uns die Leitplanke für unser tägliches Handeln vor – auch, weil wir davon überzeugt sind, dass nur noch die Unternehmen zukunftsfähig sind, die ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Geschäftsmodell verfolgen«, betont Torsten Janwlecke, Chief Operating Officer von Phoenix Contact.
Der Beitrag, den das eigene Unternehmen zum Umweltschutz leisten kann, ist laut Janwlecke »riesig«. Mit der Verbindungs- und Steuerungstechnik trägt Phoenix Contact zum Beispiel dazu bei, dass Erzeuger von regenerativen Energien wie Windkraftanlagen, Solaranlagen oder Wasserkraftwerken funktionieren und effizient laufen. Zum anderen ermöglichen es die Automatisierungsprodukte des Unternehmens, dass unterschiedliche Sektoren miteinander gekoppelt werden, um Verbräuche zu optimieren. Beide Aspekte gehören zu »den Kernelementen der All Electric Society«, so Janwlecke.
Gleichzeitig treibt Phoenix Contact eigene Maßnahmen zum Klimaschutz wie die Elektrifizierung der eigenen Energieversorgung massiv voran. »Bei der Reduzierung des CO2-Ausstoßes stehen auch unsere Produkte im Fokus. Wir erhöhen unsere Recyclingquoten und suchen permanent nach neuen Materialien, insbesondere nach alternativen Kunststoffen, die beispielsweise auf nachwachsenden Rohstoffen anstatt auf Erdöl basieren«, erklärt Janwlecke. »All diese Themen verfolgen wir mit großem Tempo und hohem Commitment.«
Ein Faktor dabei ist der Rückführungsgrad metallischer Komponenten. In der spanenden Metallverarbeitung von Phoenix Contact liege die Rückführungsquote der Abschnitte bei mittlerweile über 80 Prozent. Durch die Wiederverwertung spart das Unternehmen enorme Mengen an Neumaterialien und kann so den Carbon-Footprint senken. Auch bei den Kunststoffen spielt Recycling eine wichtige Rolle. »Aufgrund von Zulassungen können wir nur eine gewisse Quote von Regranulat einsetzen. Jedoch diese Quote durch veränderte Verfahren der Materialrückführung zu erhöhen, ist ein Ziel für die Zukunft«, erklärt Janwlecke.
»Eine weitere wichtige Aktivität ist es, nachwachsende Rohstoffe zu finden, deren Öle wir für Kunststoffe nutzen können, weil wir damit auf dem 1,5-Grad-Pfad des Pariser Abkommens und bei unseren ESG-Verpflichtungen bleiben können.«
Neben der Dekarbonisierung und dem nachhaltigen Produktdesign sieht Torsten Janwlecke noch Potenzial für weitere Klimaschutzmaßnahmen in der Harmonisierung der Fertigungs- und Absatzstruktur. »Wir haben noch keine gute geografische Balance zwischen unseren Kunden und unseren Fertigungen. Dabei geht der Trend zur Dezentralisierung der Fertigungsstruktur. Das lokale Bedienen von lokalen Märkten wird künftig einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass es weniger Warenbewegung gibt, Transportketten kürzer werden und somit Emissionen gesenkt werden.«
Insgesamt sieht Janwlecke die Elektronkindustrie auf einem sehr guten Weg. Neben den genannten Herausforderungen eröffnen sich auch viele Chancen. »Es gibt jeden Grund, optimistisch zu sein. Die Dekarbonisierung und die Energiewende, die weltweit auf allen Ebenen forciert wird, spielen der Elektronikindustrie voll in die Karten. Der Bedarf an aktiven Komponenten – von Halbleitern über die Verbindungstechnik bis zur Automatisierungstechnik – wird massiv steigen.«
Auch der Kabelhersteller Lapp nimmt das Thema Nachhaltigkeit sehr ernst und beschäftigt sich seit Jahren intensiv damit. »Wir beobachten die regulativen Aktivitäten der EU und erproben, diskutieren und bewerten verschiedene Nachhaltigkeitsansätze auf Produkt- und Unternehmensebene«, erläutert Hubertus Breier, Vorstand Technik und Innovation. »So kennen wir nach Scope 1 und 2 des Greenhouse-Gas-Protocols den Corporate Carbon-Footprint von Lapp weltweit. Auch bei Scope 3 auf Produktebene haben wir bereits erste Erfolge erzielt.« Für ausgewählte Standardprodukte hat Lapp den CO2-Fußabdruck softwarebasiert, auf Basis von Sekundärdaten, erfasst. Um die CO2-Treiber noch detaillierter zu analysieren, laufen aktuell Projekte gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA), woraus man weitere Maßnahmen ableiten will.
»In groben Zügen ist es so, dass bei Lapp das Material Kupfer den größten Hebel darstellt, CO2-Emmissionen zu reduzieren. Kunststoffe haben im Hinblick auf die Kreislaufwirtschaft ebenfalls Potenzial«, so Hubertus Breier.
Und Breier weiter: »Beim Kupfer verfügt Lapp über langjährige Partnerschaften, die uns heute gute Sekundärstoffe liefern. Diesen Kreislauf wollen wir künftig noch weiter ausbauen.«
Hinsichtlich der Lieferantenbasis sei das Unternehmen schon sehr gut aufgestellt. Unter anderem ist Lapp Teil der Initiative »The Copper Mark« für verantwortungsvolle Wertschöpfungsketten. »Deshalb sehen wir Kupfer nicht als das größte Problem«, so der Lapp-Vorstand. »Es ist eher der Kunststoff, für den wir den Kreislauf noch nicht geschlossen haben.« Wenngleich das Unternehmen auch hier bereits Sekundärmaterialien aus Kunststoffabfällen einsetzt und diese zum Beispiel als Filler für die Leitungen nutzt. Auch bietet Lapp bereits heute erste Kabel mit teilweise biobasierten Ummantelungen an. »Ein mögliches Upcycling bleibt aber eine Herausforderung, ebenso wie die Verfügbarkeit der Materialien«, räumt Breier ein.
»Wir müssen bei allen Maßnahmen und Produkten auf Wirtschaftlichkeit achten. Die Fragen sind: Was ist der Kunde bereit, für nachhaltige Produkte zu zahlen, und wo macht der Einsatz nachhaltiger Produkte wirklich Sinn?« Die Herausforderung für Unternehmen wie Lapp ist es, hier eine Balance zu finden.
Wie komplex das Thema ist, erläutert Breier am Beispiel eines nachhaltigen Produktdesigns: »Wichtig ist es, bereits bei der Entwicklung auf Materialeffizienz zu achten und verfahrenstechnisch passende Designs zu wählen.« Bei Kabeln spielen die Dicke und auch die Toleranz der Innen- und Außenmäntel eine wichtige Rolle und somit eine in zukünftige KI gestützte Nachführung der Maschinenparameter, um nur so viel Material aufzubringen wie nötig. Aber auch das Thema initialer Product-Carbon-Footprint gegenüber Verlusten über den Lebenszyklus gilt es zu betrachten. Das betrifft zum Beispiel die Dimensionierung der Komponenten. »Je nach Anwendung hilft sogar ein größerer Kabelquerschnitt mit geringeren, nicht vermeidbaren Widerstandsverlusten, der zuerst einmal nach einem höheren Materialverbrauch klingt«, erklärt Breier. »Unsere internen Labore und Versuchseinrichtungen ermöglichen es uns, während des Produktentstehungsprozesses Wandstärken und Schichtdicken zu reduzieren, wo möglich, aber auch zu erhöhen, wenn nötig.« Damit sei sichergestellt, dass innovative, wirtschaftliche und ressourcenschonende Produkte gleichermaßen entstehen.
»Der Elektro-Mittelstand in Deutschland hat durch seine innovativen Technologien große Chancen, der Klimawende sowie der Nachhaltigkeit Vorschub zu leisten«, davon ist Dr. Stephan Middelkamp, General Manager Quality & Technologies von Harting, überzeugt. Einerseits entwickelt, produziert und liefert Harting die Verbindungstechnik für eine elektrifizierte, digitalisierte und dekarbonisierte Welt. Andererseits stehen auch die eigenen Werke und Produkte im Fokus, um CO2 einzusparen.
Harting hat dazu eine Nachhaltigkeitsstrategie definiert, die sich auf alle Prozesse und Standorte des Unternehmens bezieht. Dies fängt bei den Menschen an – um das Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu stärken – und umfasst die Infrastruktur und den gesamten Produktlebenszyklus, von der Idee über Entwicklung, Produktion, Einkauf, Transport und den Einsatz des Produkts beim Kunden bis hin zu einer End-of-Life-Betrachtung.
»Konkret haben wir die unterschiedlichen Elemente mit Zielen versehen und Maßnahmen zur Verbesserung definiert. Hierdurch können wir unsere normalen Management-Tools zur Strategieumsetzung verwenden«, erläutert Dr. Stephan Middelkamp.
Bis 2030 will Harting 100 Prozent Klimaneutralität an seinen eigenen Standorten erreichen sowie die direkt beeinflussbaren Emissionen von vor- und nachgelagerten Prozessen um 50 Prozent reduzieren. Laut Middelkamp ist das Unternehmen dazu auf einem guten Weg. »In Deutschland konnten wir unsere Vor-Ort-Emissionen im Vergleich zu 2011 schon um 92 Prozent reduzieren. An den ausländischen Standorten sind sie abhängig von den lokalen Möglichkeiten – diese prüfen wir regelmäßig. Insgesamt konnten wir unsere Emissionen im letzten Geschäftsjahr um mehr als 10 Prozent reduzieren«, gibt der Harting-Manager einen Einblick in die laufenden Maßnahmen.
Jüngste Aktionen waren zum Beispiel der Kauf einer Biogas- und Freifeld-Photovoltaikanlage in direkter Nachbarschaft zum größten Produktionsstandort in Deutschland. Die kurze Entfernung von 500 Metern zwischen der Biogasanlage und dem Harting-Werk erlaubt eine Direktanbindung. »Damit machen wir uns unabhängig von externer Belieferung«, so Middelkamp.
Ein noch größerer Hebel, um Klimaschutz zu leisten, geht mit der Auslegung der Produkte einher. Das umfasst die Lieferkette, die Materialien, den Betrieb und die Entsorgung. »Hier ist die Komplexität höher«, räumt der Experte ein. Harting habe aber auf allen Ebenen Maßnahmen ergriffen und erste Erfolge erzielt. Diese reichen von der Erhöhung der Effizienz von Steckverbindern durch die Reduktion von Übertragungsverlusten über den Einsatz leichterer und kleinerer Schnittstellen bis hin zur Verwendung von CO2-reduzierten Materialien und Recyclings.
Wo aber sieht Middelkamp noch Handlungsbedarf, auch vonseiten der Politik und Verbände? »Der erste Schritt zur Verbesserung ist Transparenz«, sagt er. »Es fehlen zum Beispiel noch Standards zum Austausch und zur Weiterentwicklung des Product-Carbon-Footprints. Für den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft fehlt uns an vielen Stellen noch die Durchgängigkeit. Das fängt an mit dem Zugang zu End-of-Life-Produkten, geht aber auch über in die Zuordnung zu Materialklassen, insbesondere im Bereich der technischen Kunststoffe.«
»Unser Unternehmen und unsere Branche kann einen signifikanten Beitrag zum Klimaschutz leisten«, davon ist auch Robert Klemisch, Geschäftsführer Technik & Operations von ODU, überzeugt. »Als Hersteller von Verbindungstechnik haben wir die Möglichkeit, durch die Entwicklung energieeffizienter Produkte und Produktionsprozesse CO2-Emissionen zu reduzieren.«
Darüber hinaus ist ODU an der Energiewende beteiligt, indem das Unternehmen Steckverbinder und Zubehör für den Bereich der erneuerbaren Energien sowie für die Elektromobilität ent- wickelt und produziert.
Um das Produktdesign von Steckverbindern und Kabeln ressourcenschonender und umweltfreundlicher zu gestalten, setzt ODU verschiedene Maßnahmen um. »Zum Beispiel beschäftigen sich 25 Mitarbeiter im firmeneigenen Labor tagtäglich mit diesen Themen. Dazu gehören die Verwendung von recycelbaren Materialien, die Optimierung von Produktionsprozessen zur Reduzierung des Energieverbrauchs sowie die Entwicklung von Produkten mit geringerem Materialeinsatz. Darüber hinaus arbeiten wir eng mit unseren Lieferanten zusammen, um nachhaltigere Beschaffungspraktiken zu fördern.«
»Das Thema Nachhaltigkeit hat einen hohen Stellenwert bei uns – aber auch bei unseren Kunden«, unterstreicht Klemisch. ODU hat daher im Unternehmen eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie implementiert. »Das ist unseren Kunden sehr wichtig – letztendlich betrifft das Thema Klimaschutz jeden einzelnen.«
Der ODU-Geschäftsführer appelliert daher an Politik und Verbände, »gemein- sam an der Schaffung von Rahmenbedingungen zu arbeiten, welche die Entwicklung und den Einsatz nachhaltiger Technologien fördern.« Und weiter: »Dazu gehört die Förderung von Forschung und Entwicklung, die Schaffung von Anreizen für Unternehmen, umweltfreundliche Lösungen zu entwickeln, und die Definition von klaren Richtlinien und globalen Standards für eine nachhaltige Elektronikindustrie. Nur durch eine gemeinsame Anstrengung können wir eine nachhaltige Zukunft gestalten.«
Beim Steckverbinderhersteller ept werden mittel- und langfristig die Produktionsprozesse Stanzen, Galvanisieren, Spritzguss und Bestückung im Fokus stehen, um eine nachhaltige Unternehmensstrategie umzusetzen. »Es sind laufende Maßnahmen im Betrieb definiert, die für unser Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit mit absichern – auch weil Nachhaltigkeit für unsere Kunden zu einem immer wichtigeren Faktor geworden ist«, erklärt Sandra Gast, CO2-Expertin bei ept. Als erster Schritt sind alle Maschinen bei ept in Peiting mit entsprechender Messtechnik ausgestattet, um die Verbräuche zu messen und Hotspots zu identifizieren – ideal, um schnell Maßnahmen zur Optimierung einzuleiten.
Bei der Produktentwicklung beschäftigt sich ept im Hinblick auf seine Board-to-Board-Steckverbinder intensiv mit der Oberflächenbeschichtung. »Ein wichtiger Punkt ist hier die Umstellung von Gold auf Nickel-Phosphor. So lässt sich eine Reduktion der CO2-Werte von 80 Prozent erwirken«, erläutert Sandra Gast. Von ept durchgeführte Untersuchungen zu Nickel-Phosphor haben ergeben, dass die umweltfreundlichere NiP-Oberfläche keinen Nachteil zu Gold zeigt, weshalb einer Umstellung somit nichts im Weg steht.
»Unabhängig davon, welches Produkt man nimmt: Unternehmen können eine Dekarbonisierung nur dann umsetzen, wenn auch das Humankapital strategisch eingebunden ist. Daher müssen die Themen Innovation, Bildung und Verhaltensänderung als auch wirtschaftliche Transformation im Unternehmen stärker miteinander vernetzt sein«, bilanziert die CO2-Expertin, die ihr Unternehmen auf dem besten Weg dahin sieht